Rat Einbeck

Sondersitzung am 12. Juli soll Thema Strabs klären

Ratsentscheidung ausgesetzt, aber Finanzausschuss beschäftigt sich erneut damit | Vor der Wahl regeln

Im Rahmen der Einwohnerfragestunde überreichte Sprecherin Anja Linneweber (rechts) Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek und dem Ratsvorsitzenden Frank Doods 1.190 Unterschriften, die die BI in den vergangenen Wochen für die Abschaffung der Strabs gesammelt hat. Eine Petition, die Strabs auf Landesebene abzuschaffen, sei in ganz Niedersachsen mit gut 7.000 Unterschriften unterstützt worden. In Einbeck könne man nun 1.190 Unterschriften für die Abschaffung übergeben. »Deutlicher kann ein Signal der Bürgerinnen und Bürger für die Politik in Einbeck nicht sein«, sagte sie, verbunden mit einem Dank an alle Unterstützer sowie auch an Geschäftsleute, ohne die die Aktion nicht so erfolgreich gewesen wäre. Man hoffe, dass es gelinge, kreative Finanzierungsmodelle zu erarbeiten.

Einbeck. Das Thema soll vor der Kommunalwahl noch geregelt werden, keine Fraktion will sich vorwerfen lassen, sich nicht um die Straßenausbaubeitragssatzung (Strabs) gekümmert zu haben. Der Rat ist bei seiner Sitzung in dieser Woche zu keiner Entscheidung gekommen, sondern es soll eine Sondersitzung des Finanzausschusses geben – terminiert für den 12. Juli. Entsprechend ließ die CDU ihren Antrag »Zukunft der Straßenausbaubeiträge in Einbeck« von der Tagesordnung nehmen. Diskutiert wurde der Komplex indes trotzdem, denn es gab einen Gelb-Grünen Antrag.

Die BI zur Abschaffung der Strabs hatte vor der Sitzung an der Multifunktionshalle demonstriert und ihren Protest deutlich gemacht.

Einen Antrag auf Abschaffung der Straßenausbaubeitragssatzung hatte die Gelb-Grüne Gruppe im Einbecker Rat gestellt. Straßenbauliche Maßnahmen, so FDP und Grüne, sollten aus dem allgemeinen Steueraufkommen finanziert werden. Eine Verpflichtung zur Erhebung von Beiträgen gebe es nämlich nicht.
Wie Dr. Marion Villmar-Doebeling, FDP, dazu ausführte, hätten Bürger mit vier- bis fünfstelligen Beiträgen zu rechnen, beispielsweise in der Tiedexer Straße. Die Erhebung wiederkehrender Beiträge als Alternative sei mit hohem Verwaltungsaufwand verbunden. Die Kommunen könnten aber die Beiträge ganz abschaffen und die Ausgaben aus Steuern bewältigen. Die Unterhaltung öffentlicher Straßen sei eine Kernaufgabe der Kommunen. Wenn dafür Beiträge erhoben würden, sei das ungerecht und unsozial. Vorgeschlagene Ratenzahlungen halte die Gruppe für inakzeptabel. In Niedersachsen, führte sie aus, seien 2020 mehr als 17 Millionen Euro an Straßenausbaubeiträgen gezahlt worden; vor Corona seien es jährlich 30 bis 40 Millionen gewesen. Für den Landeshaushalt sei das nur ein Bruchteil des Gesamtvolumens, für die Kommunen dagegen eine wichtige Einnahmequelle, und das sei ein Problem. Das Land könnte es sich leisten, die Beiträge zu übernehmen. Die Gruppe bringe den Antrag ein mit einem Appell an die großen Parteien, sich in Hannover für die Finanzierung aus Landesmitteln einzusetzen – so könne man die Bürger entlasten und zur Entbürokratisierung beitragen.

Alle Fraktionen hätten sich insofern positioniert, als dass sie eine Lösung für das Strabs-Problem wollten, stellte der CDU-Fraktionsvorsitzende Dirk Ebrecht fest. »Aber abschaffen – und was dann?«, fragte er. Wenn es so einfach wäre, hätte man das längst getan. Es gebe keine einfache Antwort. Man müsse eine rechtssichere Lösung finden, dazu habe man sich Beratung geholt. Die Grundsteuer zu erhöhen, sei ein unpopulärer Weg. Er äußerte Respekt für die Sammlung der »1.100 Unterschriften«, aber das seien nur etwa vier Prozent der Einwohner. Wenn man alle Einbecker frage, werde man ein anderes Bild bekommen. Man sei sich einig, dass alle anpacken wollten, niemand wolle das aussitzen oder schieben. Und es werde nach dem 12. Juli ein Ergebnis geben, war er zuversichtlich, »aber ich weiß nicht, wie es aussieht.« Man könne die Beiträge erst abschaffen, wenn man wisse, wie es weitergehe. Die Abschaffung allein sei viel zu kurz gesprungen. Dieser Rat werde auf seinen »letzten Metern« eine Richtungsentscheidung treffen, und das müsse die am wenigsten ungerechte und beste Entscheidung sein.

Es werde nichts stattfinden, was derzeit im Haushalt nicht veranschlagt sei, betonte der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Hojnatzki. So werde man den ZOB-Ausbau nicht über Strabs finanzieren. Warum die Abschaffung in der Sitzung nicht beschlossen werde, liege unter anderem daran, dass der Gelb-Grüne Antrag vorher nicht in Ausschüssen beraten wurde. Damit hätte man Fakten schaffen können. Der bisherige Grundkonsens sei, dass man neue Wege zur Finanzierung von Straßenausbau finden müsse. Was sei da vernünftig, ohne die Bürger auf nebulöse Art zu belasten? Insofern verstehe er den Antrag von Gelb-Grün auf Abschaffung zum 1. Januar 2023 nicht: Für Bürger in Wenzen oder Naensen, deren Straßen bis dahin noch abgerechnet würden, sei das »Käse«. Auch er war zuversichtlich, dass der Finanzausschuss eine vernünftige Entscheidung treffe und ein Beschluss vor der Kommunalwahl komme, »so oder so.«

Er sei für die Abschaffung der Satzung, das sei seine subjektive Meinung, sagte Willi Teutsch, CDU. Viele Straßenkilometer habe die Stadt in ihrer Unterhaltungspflicht, viele seien in schlechtem Zustand. Für den Ausbau die Anlieger heranzuziehen, verlange aufgrund der Berechnungsgrundlage für große Grundstücke hohe Summen. Den Bürgern ihren Wertvorteil zu erklären, sei nicht möglich. Straßen dienten der Allgemeinheit, und wenn man die Stadt attraktiver machen wolle und sie ausbaue, sei es ein Unding, Anlieger zur Mitfinanzierung heranzuziehen, führte er am Beispiel des Neustädter Kirchplatzes aus. Das gelte insbesondere, wenn sie Eigentümer von denkmalgeschützten Gebäuden seien. Es sei an der Zeit, der Ungerechtigkeit entgegen zu treten, aber nicht ohne dabei die Finanzierung des Ausbaus zu klären. Die Abschaffung sei die eine Sache, die künftige Finanzierung die andere. Dabei, warnte Teutsch, sollte man sich die Nachbarstädte, die dafür keine Lösung gefunden oder aber in absehbarer Zeit keine Projekte geplant hätten, nicht zum Vorbild nehmen. Vielmehr müsse man die Überlegungen auf eine breite Basis stellen und das Nutzerprinzip nicht vergessen.

Er habe vor vier Wochen einen Dringlichkeitsantrag dazu gestellt, der aber keinen Erfolg hatte, erinnerte der parteilose Ratsherr Udo Harenkamp. Heute könne es den Ratsmitgliedern dagegen nicht schnell genug gehen. »Wir hätten weiter sein können oder müssen. In diesem Punkt haben Sie versagt«, hielt er ihnen vor.

Wer betroffen sei, engagiere sich besonders, stellte Heidrun Hoffmann-Taufall, CDU, fest. Sie sei betroffen, aber auch gehalten, als Politikerin zu handeln. Bei der Strabs zu bleiben und den Anteil für die Anlieger zu senken, habe sie für eine gute Lösung gehalten. Es seien aber nicht alle damit einverstanden gewesen. Für Gratis-Lösungen zahle man einen hohen Preis, warnte sie am Beispiel der Kindergartenbeiträge. Eine gerechte Lösung für alle müsse die Bürger deutlicher mit einbeziehen. Was sie auf keinen Fall wolle, sei, dass die Stimmung in Einbeck darunter leide.

Das Thema werde seit zwei Jahren diskutiert, und jetzt solle innerhalb von 14 Tagen eine Antwort her, wunderte sich Dietmar Bartels, Grüne. Dabei gebe es eine einfache Antwort: die Abschaffung. Er warne vor Stillstand wegen des Blicks auf hohe Kosten. »Wir fahren unsere Infrastruktur in Grund und Boden.« Hätte man auf Gelb-Grün gehört, wäre man jetzt zwei Jahre weiter. Bartels kritisierte die mühselige Rechnerei zu Lasten anderer oder der Stadtkasse. Man sollte über eine Art Versicherungslösung nachdenken oder über Steuerfinanzierung. Man werde »eine ganz tolle Lösung« finden, sagte er mit ironischem Unterton. Tatsächlich fürchte er, dass das Thema über die Wahl geschleppt werde.

707 von 942 Kommunen in Niedersachsen hätten die Strabs abgeschafft, berichtet Albert Eggers, CDU, aber die meisten hätten keine Lösung für eine Finanzierung. Eine Steuererhöhung sehe er kritisch, eine Kommune habe viele Aufgaben. Die Haushaltsgenehmigung sei schon problematisch mit Blick auf die Kredite. Man müsse Lösungsansätze für eine vernünftige Gegenfinanzierung entwickeln, und er sehe ein Fragezeichen, ob man das schaffe – bürgergerecht und ohne Spaltung. »Ich erwarte keinen goldenen Wurf.«

Er halte die Regelung über den Landeshaushalt für den richtigen Weg, stellte Frank-Dieter Pfefferkorn, GfE/Bürgerliste, fest. Das gelte im übrigen auch für andere Bereiche der Daseinsvorsorge. Es gebe reiche Kommunen und andere, die pleite seien und sich einfachste Dinge nicht mehr leisten könnten. Man weiche ohnehin schon von der ursprünglichen Satzung ab, gab er zu bedenken. Einfach abschaffen, wie Northeim das gemacht habe, davor warne er. Finanziell habe Einbeck ganz zufrieden sein können, wegen des Zukunftsvertrags, aber auch wegen »goldener Jahre« mit guten Gewerbesteuereinnahmen. Man sollte jetzt nicht erwarten, dass Corona spurlos an der Stadt vorbei gehe. Allein die Schließung der Spielhalle bringe monatliche Verluste in Höhe von 50.000 Euro.

Für den Haushalt bedeute das, entweder Kosten zu sparen oder sich höher zu verschulden. Für die Sondersitzung des Finanzausschusses habe man inzwischen eine Fülle neuer Informationen. Unter anderem werde deutlich, dass bei einer Abschaffung für den Neustädter Kirchplatz 419.000 Euro aufzubringen wären. Wer keine Maßnahmen vor sich habe, könne die Beiträge dagegen gut streichen. Den vorgeschlagenen Termin 1. Januar 2023 halte er für unredlich. Die Lösung, gab er zu bedenken, werde nicht gerecht sein, denn jeder zahle mit, und die Grundsteuer werde sich ab 2024 nach einer Gesetzesänderung ohnehin erhöhen. Angesichts der Modelle und Fakten stelle sich die Frage: »Machen wir’s oder nicht?« Der Gelb-Grüne Antrag fand keine Mehrheit – weiter geht es also in der Sondersitzung.ek