Spannender Gang durch die Jahrhunderte

SPD-Projektsommer durch Einbecks historische Innenstadt unterwegs | Heute Abschluss

Gästeführerin Elena Küchemann als Braumagd nahm die Teilnehmer des SPD-Projektsommers mit der Vorsitzenden der Kernstadt-SPD, Rita Moos (Zweite von links) mit durch die Einbecker Geschichte.

Einbeck hat eine reiche Geschichte. Das wird unter anderem bei den Führungen deutlich, die die Tourist-Information anbietet. Einen Gang »durch die Jahrhunderte« hat jetzt die Einbecker Kernstadt-SPD im Rahmen ihres Projektsommers unternommen.

Einbeck. »Manche Einbecker werden nicht alles kennen«, vermutete die Vorsitzende Rita Moos, die die Teilnehmer zusammen mit Gästeführerin Elena Küchemann – im Kostüm einer Braumagd – begrüßte. Reich und berühmt wurde Einbeck durch das Bier. Aber zuvor war der Ort eine bedeutende Pilgerstätte. Gegründet wurde die Stadt um 1080, belegt ist eine Urkunde von Udo von Katlenburg. Keimzelle Einbecks ist das Stift St. Alexandri; eine Reliquie – ein Blutstropfen Jesu auf einem Stück Stoff in einem kleinen goldenen Engel – zog viele Pilger her. Verschwunden sei dieses kostbare Stück allerdings um 1590, erläuterte Elena Küchemann. Rund um das Stift entstand ein Ort »an der Beeke«, am Krummen Wasser. Die gute Entwicklung Einbecks wurde am 26. Juli 1540 durch den großen Stadtbrand unterbrochen: Rund 700 Häuser brannten ab, mehr als 300 Menschen starben im Feuer. Alles, was an historischem Fachwerk zu sehen sei, stammt aus der Zeit des Wiederaufbaus.

Start der Führungen ist in der Regel vor dem Eickeschen Haus, 1612 erbaut im Renaissance-Stil. Das Haus ist besonders reich geschmückt, unter anderem mit 110 Köpfen und 42 Bildtafeln. Die Säulen werden »gehalten« von drei Atlanten. Die Arbeit sei seinerzeit nicht auf Farbe ausgelegt gewesen, hieß es. Erst später habe das Haus seine Farbe erhalten. Als es Anfang 2000 einsturzgefährdet war, wurde eine Bürgerstiftung gegründet mit dem Ziel der Rettung. Mehr als 500 Stifter waren am Erfolg beteiligt. Notabstützung und Sanierung dauerten rund sechs Jahre. Der aktuelle Zustand mit der gewachsten und geölten Fassade sei auch das Bild von 1612. Seit einigen Jahren ist das Gebäude als Nationales Denkmal anerkennt.

In der Maschenstraße, früher Marschland, auf dem Vieh gehalten wurde, ging es zum Clarissinnenkloster, das bis 1582 von Nonnen bewohnt wurde. An der Fassade findet sich ein Hakenkreuz, eine Swastika, viele tausend Jahre alt und das Wappen der Patrizierfamilie Raven. Ein Stromkasten am früheren Kloster zeigt die Maschenstraße noch mit geschlossener Fassade, wo heute neben dem Café eine Parkplatzzufahrt ist.

Über fünf Tore und 22 Türme, mehr als 20 Meter hoch, verfügte die Einbecker Stadtbefestigung. Um 1500 wurde die Stadtmauer vom Rat zur Bebauung freigegeben, sie bildet die Rückseite von Wohnhäusern, etwa in der Hullerser Mauer. 80 bis 150 Zentimeter dick sind diese Wände.

Ein Foto von 1890 zeigt den Bäckerwall mit Wasser im Graben. Das stellte, so Elena Küchemann, eine zusätzliche Barriere gegen Feinde dar. Den heutigen Grüngürtel habe es im Mittelalter noch nicht gegeben: Ein freier Blick von der Stadtmauer war wichtig, um Feinde rechtzeitig zu sehen. Das Wasser der Bäche wurde zum Brauen genutzt – die Einbecker verstanden es, ein leckeres, haltbares und transportfähiges Bier zu brauen: »Dass keiner in die Beeke macht«, davor wurde kurz vor Brautagen gewarnt, denn die Bachläufe dienten nicht nur zur Ver-, sondern auch zur Entsorgung.

Das Tiedexer Tor, wie es sich heute darstellt, wurde erst 1964 so umgebaut. Bis dahin befand sich im heutigen Durchgang ein kleiner Laden. Das Eckhaus Tiedexer/Maschenstraße, 1571 von Claves Ebbrecht gebaut, zeigt eines der häufiger erkennbaren Zukunftzeichen, eine Brezel – der Erbauer war Bäckermeister, den man als schlafende Figur auf der Fassade entdecken kann.

Beeindruckend für Gäste ist stets die »gerade« Seite der Tiedexer Straße als Beispiel, wie schnell die Einbecker ihre Stadt nach dem Brand wieder aufgebaut haben. Damit es schneller und günstiger ging, wurde eine Wand gespart, ein Haus lehnte eng am nächsten. Die Lücke der heutigen Götgengasse, entstanden 1906, führte dazu, dass die Häuser sich nach links neigen – es fehlte ein Teil der Befestigung.
Am Beispiel der Tiedexer Straße zeigte die Gästeführerin den Bierpfad, an dem man »Informationen tanken« könne; ähnliche Kennzeichnungen gebe es in Hameln in Form von Ratten, in Hildesheim sind es Rosen oder in Hannover ein roter Faden.

Gebraut wurde in mehr als 720 Häusern. Wer Brauer werden wollte, brauchte das große Bürgerrecht, und er musste über ein Haus mit großem Tor verfügen, durch das die Braupfanne gebracht wurde. Für die Braugerechtsame wurde eine Biersteuer an den Rat fällig. Im Mai/Juni wurde die Reihenfolge des Brauens ausgelost. Die Brausaison begann ab September. Dann wurde in der offenen Diele mit Feuerstelle, in der sich das Leben im Haus abspielte, gebraut. Ein Beispiel für eine solche Diele findet sich im Durchgang Tiedexer Straße 20/20a. Der Braumeister hatte das Rezept im Kopf, damit überall gleichwertige Qualität gewährleistet war. 2.200 Liter pro Haus durften gebraut werden. Das klinge viel für ein Jahr, war aber auch das »tägliche Brot« für die Menschen.

Etwa 400 Liter des Dünnbieres wurden pro Kopf und Jahr getrunken. »Sechs Bier sind eine Mahlzeit, und dann hat man noch immer nichts getrunken«, schmunzelte die Braumagd. Mehr als 500 Gewölbekeller gebe es in der Stadt, sie seien perfekt zum Lagern von Bier gewesen. Was in den Haushalten nicht verbraucht wurde, wurde an den Rat übergeben, der das für die großen Trecks sammelte. Wer zweimal Biersteuer zahlen konnte, war in einem Jahr berechtigt, zweimal zu brauen.

Die Hinterhöfe der Brauhäuser wurden intensiv genutzt für Handwerk und einen kleinen Garten. Große Gärten und Felder befanden sich außerhalb der Stadtmauer.

65 Meter hoch und 1,53 Meter aus dem Lot, heute allerdings stabil, ist der Marktkirchturm. 1741 wurden die letzten 17 Kanonen nach Celle verkauft, um eine Stützmauer bauen zu können. Bis 1888 lebte der Türmer hoch oben, um vor Gefahren zu warnen. Der Marktplatz war und ist die »gute Stube« Einbecks. Bis 1876 stand hier die Polizeiwache – das Gebäude befindet sich heute am Krähengraben –, und das Haus des Stadtkommandanten war ebenfalls dort. Die heutige Rats Apotheke war das Haupthaus der Familie Raven. Dort wurden nach dem Stadtbrand, bei dem auch der Vorgängerbau des heutigen Alten Rathauses vernichtet wurde, denn es lagerte jede Menge Schwarzpulver im Keller, die Ratssitzungen abgehalten. Das Rathaus beziehungsweise die Ratswaage war Eichamt, Wechselstube und Kneipe.

Der Till-Eulenspiegel-Brunnen auf dem Marktplatz ist längst nicht so alt wie der Platz, er stammt von 1942. 1238 wurde die Marktkirche erstmals erwähnt, das älteste Steinrelief an der Ecke zum Alten Rathaus zeigt Adam und Eva im Paradies am Eckpfeiler zum Alten Rathaus.
In der Rathaus-Halle befindet sich heute der Käfig, in dem angeblich Brandstifter Heinrich Diek auf seinen Tod wartete und in dem seine sterblichen Überreste über Jahre am heutigen Diekturm aufgehängt waren – als Abschreckung.

Nicht nur Historisches, sondern auch vieles zum Schmunzeln hörten die Teilnehmer, etwa warum man sagt, da hätte jemand »den Löffel abgegeben« oder sei »weg vom Fenster«.

An diesem Abend hätten sicher auch Alteingesessene dazu gelernt, stellte Rita Moos fest, verbunden mit einem Dank an Elena Küchemann und der Ankündigung, dass der Projektsommer am heutigen Dienstag historisch endet: auf der Heldenburg in Salzderhelden. Treffen ist um 18 Uhr vor Ort. Ein geselliger Abschluss ist ebenfalls geplant.ek