Spaß nach allen Regeln der (Dichter-)Kunst

Zum dritten Mal Poetry Slam bei den PS.Förderfreunden | Große Themenbreite: Heiter und nachdenklich

Die Moderatoren Jörg Smotlacha (links) und Gerrit Wilanek (Dritter von rechts) führten durch einen vielseitigen Abend mit den Poetry-Slammern William Laing, Marvin Weinstein und Tanja Schwarz (von links) sowie Henrik Szanto (Zweiter von rechts) und Theresa Sperling (rechts), die sich den Titel teilten.

Einbeck. Die Dichterkrone wurde geteilt beziehungsweise die Trophäe verdoppelt, die »Silberne Ölkanne« gab es zweimal beim Poetry Slam der Förderfreunde PS.SPEICHER. Fünf Dichterinnen und Dichter traten auf der Bühne in einen Wettstreit der Worte. »Macht Worte!« lautete das Thema. In zwei Durchgängen hatten die Mitwirkenden jeweils sechs Minuten Zeit, sich mit ihren Texten in die Herzen der Jury und des Publikums zu slammen. Die Entscheidung war schließlich so knapp, dass es mit Theresa Sperling und Henrik Szanto zwei Gewinner gab. Gewonnen haben aber auch die Besucher, denn sie erlebten einen wunderbar kurzweiligen Abend, mit unterschiedlichsten Texten und Gefühlen.

Mal ohne Auto, ohne Motorrad; aber trotzdem zum Thema Mobilität: Der geschäftsführende Vorstand der Förderfreunde, Dr. Günter Diener, hieß die Besucher zum inzwischen dritten Poetry-Slam-Gastspiel in der PS.Halle willkommen. Nationale und internationale Champions seien zu Gast, freute er sich. Durch den Abend führten die Autoren, Moderatoren und Literaturveranstalter Gerrit Wilanek und Jörg Smotlacha aus Hannover.

Eine moderne Dichterschlacht um die Gunst des Publikums kündigten sie an, nach drei einfachen Regeln: Zeitlimit, keine Hilfsmittel, also »nur du und dein Text«, sowie Respekt für alle. Voraussetzung waren eigene Texte, Zitate waren erlaubt. Im ersten Durchgang mussten sich die Texte mit Mobilität beschäftigen, im zweiten wurden eigene Texte vorgetragen. Spontan ausgewählte Zuschauer fungierten als Jury mit Bewertungskarten von null bis zehn wie etwa beim Eiskunstlauf, und am Ende entschied außerdem die Stärke des Beifalls. »Aber egal, wer gewinnt, wichtig ist die Gaudi«, machten die Moderatoren klar.
William Laing, Marvin Weinstein, Theresa Sperling, Tanja Schwarz und Henrik Szanto näherten sich zunächst der Mobilität. Und sie wurde auf unterschiedlichste Weise interpretiert. Wer hätte gedacht, dass sich Mobilität beim Online-Dating positiv fürs Tinder-Profil sein kann, positiver jedenfalls als »Katzenliebhaberin«, und dass es ein erotischer Wunsch sein könnte, sich im Bett den Regionalbusfahrplan vorlesen zu lassen? Eine kunsthistorische – und bissige – Betrachtung einer Fahrschule in Iserlohn sezierte jenen Raum so genau, dass mancher vielleicht »seine« Fahrschule wiedererkannt haben mag, eine Kombination in zeitlosem Resopal in Beige. Fahrrad, Flixbus, Auto? Alles kaum eine Option für jemanden, der krank und eingeschränkt ist. Aber es gibt einen Weg, den Vater und seinen besten Freund mit moderner Kommunikationstechnik zueinander zu bringen, fünf Stunden Weg zu überwinden, die fehlende Mobilität des jeweils anderen zu übernehmen. Wer mobil sein möchte, sollte sich nicht von Ängsten hemmen lassen.

Der Weg ist oft das Ziel, beim Träumen sollte es nicht bleiben. Die Zuhörer ließen sich mitnehmen im Fernzug nach Wien, in die zweitunfreundlichste Stadt der Welt, und nach Finnland, eigentlich nur ein Wald mit gutem WLAN.

Die zweite Runde brachte die Slammer in umgekehrter Reihenfolge auf die Bühne, jeder durfte in die persönliche Schatzkiste greifen. So erfuhr das Publikum etwas über Entscheidungen und die Äxte, mit denen sie gefällt werden, es lernte ein finnisches Wort, das alles zwischen »tja ...« und »so!« abbildet, und konnte sich fragen, ob nach dem 30. Geburtstag wirklich nur noch Bingo, Katheter und Cordhose kommen. Liebevolle Überlegungen am Grab des Opas über die Großeltern, die ihre Liebe vergoldet haben, und über eine Liebe, die ohne Regen nicht gedeiht, dafür gab es die erste Zehn des Abends. Das war aber noch steigerungsfähig: Ein Theaterkurs, in dem Hamlet-Freundin Ophelia im Mittelpunkt stand, entpuppte sich für die jungen Teilnehmerinnen als Anstoß, über die eigene Schönheit nachzudenken, unbeeinflusst von der unberechtigten und ätzenden Kritik anderer – ein Prozess, den die Autorin selbst lange und schmerzhaft durchlaufen hat. Nach dem Auftritt gab es gleich Kontakt zur örtlichen Brauerei: Ein Text für Bier, »meine große Liebe«, erzählte, wie ein kleiner Hopfen Bier werden will, doch dazu muss er suchen, welches Bier das beste im ganzen Land ist. Egal, jedes Bier ist lecker, das Miteinander zählt, und Hauptsache, es knallt. Party-Smalltalk um die ewig gleichen Themen? Man könnte doch mal über Flusspferde reden, ein Hit für jede Party mit viel Potenzial, denn in Flusspferden steckt viel Überraschendes. Knautschke aus dem Berliner Zoo wurde einfach nicht genug gewürdigt. Flusspferde könnten in der »Wendy« behandelt werden. »Bibi und Annette auf Schwabbel und Bulette« wäre eine treffliche Kinderserie: »Redet über das, was euch glücklich macht.«

Das Finale bestritten Theresa Sperling und Henrik Szanto. Der Autor mit finnisch-ungarischen Wurzeln erinnerte unter anderem an eine Flucht aus Budapest Weihnachten 1956; die Bremerin trug einen Auftragstext über einen Jugendlichen vor, der sich aufgrund einer Erkrankung nicht ausdrücken kann – Worte für einen Menschen, der keine Worte hat, aber Träume und Wünsche, und sie ermutigte: »Egal, wer du bist, du bist ein voller Erfolg.«
Die Jury setzte Tanja Schwarz auf Platz 3, und Theresa Sperling und Henrik Szanto teilten sich Platz 1.

Ein Abend mit viel Beifall, mit einer großen künstlerischen Themenbreite, zum Lachen und zum Nachdenken: Manches war zum Brüllen komisch, anderes sorgte für stille, nachhaltige Heiterkeit oder hinterließ Stille und Eindruck über diesen Dichterwettstreit hinaus.ek