SPD will beim Wissensquartier die Reißleine ziehen

Antrag für den Finanzausschuss: Vorhaben jetzt für den zweiten und dritten Bauabschnitt stoppen

Geht es nach der SPD-Fraktion im Einbecker Rat, soll mit dem derzeit laufenden ersten Bauabschnitt des Wissensquartiers, dem Neubau des Kindergartens Münstermauer, Schluss sein mit dem Projekt - aus finanziellen Gründen.

Einbeck. Die SPD-Fraktion im Einbecker Rat sieht keine Möglichkeit, den zweiten und dritten Bauabschnitt des Wissensquartiers umzusetzen. In einem Online-Pressegespräch haben die Vorstandsmitglieder jetzt deutlich gemacht, dass nach dem ersten Bauabschnitt, dem Neubau des Kindergartens Münstermauer, Schluss sein sollte mit dem Projekt. Für Archiv und Stadtbibliothek, die für die das Konzept ebenfalls neue Standorte Auf dem Steinwege vorsehe, werde man andere Möglichkeiten finden, hieß es.

Für die Sitzung des Ausschusses für Finanzen und Rechnungsprüfung am morgigen Dienstag wird die SPD beantragen, die Bauabschnitte 2 und 3 nicht weiter zu verfolgen und die veranschlagten Mittel im Haushalt 2021 und in der mittelfristigen Finanzplanung zu streichen. Weiter sollen die Kosten ermittelt werden für den Um- oder Neubau eines Archivs »in notwendigem Umfang« sowie für notwendige Sanierungsmaßnahmen zum Erhalt der bisherigen Stadtbibliothek. Der Ansatz soll im Nachtragshaushalt veranschlagt werden. Bis dahin, so die SPD, seien die Auswirkungen der Pandemie auf den Haushalt 2021 deutlicher erkennbar.

Grundsätzlich, stellten der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Hojnatzki und seine Stellvertreter Dirk Heitmüller, Eunice Schenitzki und Marcus Seidel fest, stehe man dem Konzept eines Wissensquartiers positiv gegenüber. Die damit verbundenen Chancen der Vernetzung und Verbindung von frühkindlicher Bildung, der Einbeziehung des Stadtarchivs und der Stadtbibliothek sowie der barrierefreien Anbindung des Museums seien unbestritten. Das gelte auch für das Engagement der Verwaltung bei der Erarbeitung des Konzepts. Mit dem Haushaltsplanentwurf 2021 seien allerdings erstmals die Gesamtkosten aller Bauabschnitte sowie die erwarteten Fördermittel sichtbar geworden, so dass erst jetzt eine abschließende Beurteilung möglich sei - und nun sei zugleich der richtige Zeitpunkt, um mit noch vertretbarem Aufwand das Projekt mit dem ersten Bauabschnitt zu beenden, so die SPD. Zu erwarten sei nämlich eine Kostenbelastung von mehr als 13,5 Millionen Euro, davon fast neun Millionen Euro für den Bereich Archiv/Stadtbibliothek, und das stehe in keinem Verhältnis zu einem möglichen Neubau oder zur Sanierung der Bibliothek.

»Wir halten das für keine machbare Lösung«, stellte Rolf Hojnatzki fest. Er räumte ein, dass es schon viel Vorbereitung gegeben habe, etwa durch den Architektenwettbewerb. Eindeutig sei der Neubau des Kindergartens erforderlich. Allerdings sei man inzwischen sicher, dass die Frage der Fördermittel dafür unabhängig sei von der Umsetzung des Gesamtkonzepts. Nun habe man die komplette Finanzplanung vorliegen, und die SPD sei für den Stopp angesichts der aktuellen Zahlen.

Noch bis 2025 und somit über die mittelfristige Finanzplanung hinaus seien Gesamtkosten von fast 20 Millionen Euro zu stemmen, wobei 14 Millionen Euro von der Stadt zu tragen seien. In dieser Kalkulation fehle es noch an Mobiliar, Technik und Ausstattung sowie eventuellen Folgekosten für Personal.

Im Haushalt seien in den nächsten Jahren 8,6 Millionen Euro für Neuverschuldung vorgesehen. Damit sei man vom Finanzziel des Schuldenabbaus beziehungsweise von der Vermeidung neuer Schulden weit entfernt. Derzeit wisse man nicht, wie sich die wirtschaftliche Lage nach dem Ende der Pandemie entwickeln werde und mit welchen Auswirkungen man noch zu kämpfen habe. Dabei habe die Stadt genügend Pflichtaufgaben zu bewältigen wie Kindergärten, Inklusion an den Schulen, Feuerwehren und Straßenunterhaltung. »Können wir uns so etwas leisten?«, und diese Frage habe die SPD verneint.
Das Konzept, betonte der Fraktionsvorsitzende, sei schön, insgesamt wäre dass eine »tolle Sache«, aber unter diesen Rahmenbedingungen sei das nicht möglich.

Fest stehe dabei aber auch, dass etwas mit dem Archiv und der Bibliothek passieren müsse. Gerade beim Archiv gebe es dringenden Handlungsbedarf, um die historischen Dokumente zu schützen und zu erhalten. Ein Zweckbau wäre seiner Ansicht nach, so Hojnatzki, für weniger als eine Million Euro wirtschaftlich zu erstellen. Bei der Bibliothek sehe man Sanierungserfordernisse im energetischen Bereich. Bei beiden Einrichtungen gebe es Lösungswege, »ohne dass uns das neun Millionen Euro kostet.«

Es sei gut zu wissen, dass der laufende erste Bauabschnitt, der Neubau des Kindergartens, nicht zwingend mit den weiteren Bauabschnitten zusammenhänge. Als Antwort auf die Frage, wann man Chancen und Risiken am schlauesten abschließend bewerte, sehe man den jetzigen Zeitpunkt als richtig an. Zwar seien schon 100.000 Euro ausgegeben worden für die bisherigen Planungen, und das seien wahrlich keine »Peanuts«. Allerdings sei das eine vertretbare Relation, wenn es darum gehe, ein 20-Millionen-Projekt noch zu stoppen.

In der Konsolidierung der vergangenen Jahre habe man hart um kleine Summen gerungen, erinnerte Marcus Seidel. Immer habe es hohen Kostendruck gegeben. Und er denke auch an die CDU, für die der Kauf des Neuen Rathauses zu teuer gewesen sei, wobei es sich um rentierliche Schulden handele. Ein Kredit für das Wissensquartier nehme der Stadt jetzt jeden Spielraum für die weitere Gestaltung des Haushalts, für Feuerwehr-Themen, für die Sanierung der Domäne in Greene; diese und weitere Projekte wären erst einmal blockiert. Auch er sehe viele gute Gedanken, aber es sei richtig, jetzt kostentechnisch die Reißleine zu ziehen. »Das ist eine Nummer zu groß - nicht von der Idee her, sondern von der Gesamtkonzeption.«

Die Bibliothek, betonte er, stehe an einem hervorragenden Standort, sei gut zu erreichen, habe eine Anbindung zu den Schulen. Man brauche gute Gründe, ihn aufzugeben, und mit dem Wissensquartier allein habe man sie nicht.

Im Bauausschuss habe man mit den Planern über dieses Thema besprochen, und es habe keine vernünftigen Mikrofone gegeben. Das sei sehr unangenehm gewesen, sagte Eunice Schenitzki, und es zeige, dass an vielen Stellen Investitionsbedarf bestehe. Wenn man wisse, dass die Bauabschnitte fördertechnisch nicht zusammenhängen würden, könne man Stopp sagen. Schon der Kindergartenneubau werde teurer als geplant - und das vor dem Hintergrund, dass Einbeck gerade erst den Zukunftsvertrag verlasse. Da sollte man nicht mit solchen Projekten neue Schulden machen. Es sei schade um die Planung, aber lieber jetzt als zu spät sollte man das Vorhaben beenden. Für die Bibliothek könne man vernünftige Verbesserungen am bisherigen Standort umsetzen, wobei schon jetzt viel für das Gebäude spreche. Und ob man dafür ohne weiteres eine Nachnutzung finde, sei noch offen.

Im Kulturausschuss hatte Dirk Heitmüller das Ende der Planungen beantragt - sicher ein überraschender Zeitpunkt, stellte er fest. Er hätte sich gewünscht, dass man schon Ende des vergangenen Jahres klarer gesehen hätte, aber leider sei der Haushalt spät eingebracht worden. Es wäre schön, wenn man das Wissensquartier umsetzen könnte, und es sei für seine Fraktion ein schweres Abwägen gewesen. Aber auch er blickte auf künftige Themen, etwa den ZOB. Es sei gut, dass man eine Diskussion in Gang gesetzt habe.

Grundsätzlich sehe er, so der SPD-Fraktionsvorstand, das Problem der schlechten Kommunikation. Viele Bürger wüssten - immer noch - nicht, was sich hinter dem Wissensquartier verberge, und selbst für Eingeweihte sei es schwierig zu verstehen. Immerhin handele es sich um eines der größten Projekte seit Jahrzehnten. Da müssten alle, die zu entscheiden hätten, nicht überredet, sondern überzeugt werden. Die Verwaltung habe da schlecht kommuniziert.
»Nehmen wir an, wir hätten das Geld übrig: Was würden sich die Bürger wünschen?«, fragte Hojnatzki. Für eine solche Summe müsse das Ergebnis ein »Leuchtturm« sein, der etwas ausstrahle, der Einbeck attraktiv mache. Er glaube nicht, dass das Wissensquartier diese Effekte hätte. Es falle ihm anderes ein, was es rechtfertigen würden, sich so zu verschulden.

Mögliche weitere Förderbescheide sollte man nicht mehr abwarten: Einen Rückzieher zu machen, wenn man finanzielle Zusagen hätte, wäre unklug. Ein Förderbescheid wäre ein Zeichen, dass es weitergehen müsse.

Die SPD-Fraktionsspitze hofft auf weitere Einsicht im Ausschuss: Die FDP habe sich schon entsprechend geäußert, und auch in der CDU sei das Projekt nicht unumstritten. Es könnte also eine Mehrheit geben, die dem Vorhaben kritisch gegenüberstehe. Auch aus Gesprächen mit Bürgern habe er die Frage mitgenommen: »Können Sie das noch stoppen?« Im Finanzausschuss werde man eine erste erhellende Antwort darauf bekommen.ek