Storchenturm hieß früher Kreien- und Picolomini-Turm

Einbeck. Der Storchenturm ist einer der wenigen erhaltenen Einbecker Türme. Im Mittelalter standen rund um die Stadt28 runde und eckige Mauertürme und sorgten für die Sicherheit der Bürger. Der halbrunde, zur Stadt hin offene Storchenturm hatte früher mehrere Stockwerke, die man über Treppen und Leitern begehen konnte. In früherer Zeit war der Turm unter den Namen »Kreienturm« (Krähenturm) und »Piccolomini-Turm« bekannt. Wahrscheinlich haben sich im Winter die Krähenschwärme der Stadt von Westen genähert und sich im Bereich des Turmes niedergelassen. Deswegen wird der Teich hinter dem Turm im Volksmund »Krähengraben« genannt – der korrekte Name wäre »Herrengraben«.

Die Bezeichnung »Piccolomini-Turm« stammt von einem schweren Kanonenbeschuss während des 30-jährigen Krieges. Am 12. Oktober 1641 entbrannte an dieser Stelle ein heftiger Kampf. Zum Schutz der Bürger waren Musketiere in der Stadt, die während der ersten Angriffswelle mehr als 100 Feinde töteten. Doch dann ließ General Ocavio Piccolomini Kanonen in Stellung bringen: 44 »Feuerkugeln« und Granaten flogen in die südliche Altstadt und setzten 300 Gebäude zwischen Häger Mauer und Altendorfer Straße in Brand. Vom Wall aus kann man noch heute die Einschläge der Kanonenkugeln am Turm erkennen. Der Angriff löste eine Panik aus. Die Bürger verließen ihre Posten an der Stadtmauer.

Sie rannten zu ihren Häusern und versuchten zu retten, was noch zu retten war. Doch sie konnten nicht verhindern, dass 200 Wohngebäude verbrannten. Die Situation wurde unüberschaubar. Plötzlich wandten sich die Musketiere gegen die Einbecker. Sie nutzten die Verwirrung und das allgemeine Chaos und fingen an zu plündern. Die Bürger wandten sich daraufhin sehr massiv an den Stadtkommandanten, der offenbar schwer überfordert war. Ohne wirkliche Not – die Mauer war immer noch intakt und Verstärkung war bereits im Anmarsch – übergab er die Stadt an General Piccolomini. Die feindlichen Soldaten zogen in die Stadt – die Bürger bezahlten die Rechnung mit Zwangsunterbringungen und großen Summen Geldes. Zwei lange Jahre blieb die Besatzung in der Stadt. Damit war die große Blütezeit der Stadt Einbeck endgültig vorbei.

Der Kommandant wurde später vor das Kriegsgericht gestellt. Es existiert ein ausführliches Protokoll aller beteiligten Offiziere über die Vorgänge in der Stadt während des Angriffes – doch davon ein anderes Mal. Heute heißt der Turm gemeinhin Storchenturm, weil dort vor langer Zeit jahrelang ein Storchenpaar nistete. Laut einer Zeitungsmeldung aus den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts, nach der Kinder das Storchennest auf dem Turm mit Steinen beworfen haben, waren die Storche verschwunden – bis heute. Nur noch die Krähen kann man ab und an um den Turm fliegen sehen. wk