»Gutbesetzte Tanzmusik mit delikater Rinderwurst«

Walter-Wilhelm Funcke im Einbecker Geschichtsverein: Von Kruggerechtigkeit bis Hotel garni

Erneut viele Monate Arbeit: Walter-Wilhelm Funcke

Einbeck. »Mann, Walter, soviel Arbeit! Hervorragend!« Anerkennung, Lob und sehr, sehr viel Applaus erntete Walter-Wilhelm Funcke für seinen Vortrag in der Rathaushalle. »Genauestens recherchiert, kenntnisreich und humorvoll«, dankte ihm Willi Hoppe, zweiter Vorsitzender des Einbecker Geschichtsvereins.

Im sechsten Vortrag seiner Reihe »Alte beliebte Ausflugs-Gaststätten der Einbecker« nahm Funcke die Zuhörer mit nach Mühlenbeck, Holtershausen, Greene, Andershausen und Kuventhal. Mehr als 180 Zuhörer lauschten interessiert dem fundiert-spannenden Vortrag und amüsierten sich über manch launigen Kommentar. Dass Ton und Bild hervorragend »rüberkamen«, dafür sorgte Harald Skopljak mit einer Großbild-Leinwand und entsprechender Beschallung.

An den Heerstraßen wie jener von Hannover über die Hube und von Braunschweig kommend, entstanden Zollhäuser wie das bei Brunsen. Eine Station zum Pferdewechsel wurde Mühlenbeck. Für Aus-, Um- und Vorspann hatte man hier zeitweise 60 Pferde im Stall, ließ Funcke das Publikum staunen. Auch der Tross von König Georg II. hielt hier 1740. Postdienste für das Herzogtum Braunschweig leistete man seit 1811.

Funcke gelang es, wie auch bei den anderen Gasthöfen, Eigentümernamen und Daten, teilweise bis 1776 zu recherchieren: In Kuventhal gab es da schon eine »Kruggerechtigkeit«, nachzulesen bei den Adeligen von Berckefeldt: Der Pächter entschied selbst, »das Bier zum versellen von demjenigen Brau zu holen welches ihm beliebet … an kein Amt und keine Stadt gebunden.« Der Eisenbahnbau in Kreiensen mit Tunnel und Viadukt ließ viele Arbeiter und Ingenieure bei Roses in Greene einkehren, so dass diese, angeblich in bar, 1870 das Anwesen Mühlenbeck kaufen konnten. Rose junior ließ sich 1935 im offenen Opel 4 fotografieren.

Funcke gelang es, eine Alltagskultur einzufangen, die oft schon verschwunden ist oder vom Verschwinden bedroht … gäbe es da nicht rührige, sich der Zeit anpassende Köpfe, wie die Watermanns mit dem schmucken Hotel garni in Kuventhal, Martina Grossa, die 2005 »Zur Wilhelmsbrücke« eröffnete und hier vielen Treffs wie denen der Bläsergemeinschaft, ansprechende Gasträume bietet, und, jüngstes Beispiel, den gelernten Koch Mario Lehfeld, der im Februar in Mühlenbeck ein »Bistro & Rast…Stätte« mit Gastraum einrichtete.

Ob Jäger, Kirchenvorstand, »Feuerwehr zum Löschen am Tresen«: Immer waren und sind Gasthöfe Treffpunkte. Vatertagstouren führten Funcke samt Freunden seit 1975 von Andershausen über die Hube nach Holtershausen zu Henniges. Dort gestärkt ging es weiter Richtung Greene: »Wer sich erinnert, war nicht dabei.« Gastwirt August Henniges hatte hier bereits 1865 eine Schankerlaubnis für Greener Korn und Einbecker Bier. Bis 1975 gab es Flaschenbier, direkt aus dem »Verkaufsschrank«.

Kurz nach Kriegsende fand in der Gaststube auch Schulunterricht statt. Dem tödlich verunglückten Alfred Henniges folgten 1982 Hans-Werner und Monika Stübig bis zur Schließung 2004. Recherchierte Privatfotos drücken das Typische der jeweiligen Zeit aus: Bilder, bei denen man sich noch in Pose stellte wie Familie Rose mit Schülermützen-Söhnen, ein Hochzeitsfoto mit weißem Brautkleid und zahlreicher Verwandtschaft mitten im Krieg, ein Frauenschaftsfoto an einem 20. April in entsprechender Dekoration (in der »Wilhelmsbrücke«, Archiv Hoppe), Fotos zu Bier- und Stangeneis-Lieferungen oder Ansichtskarten der Gasthäuser mit Fahrrad, bereits um 1901 - Demonstration von technischem Fortschritt.

Dazwischen, eingestreut mit Cartoons, launige Sprüche zum Schmunzeln, leckere Schlachteplatten-Fotos oder auch Anekdoten wie jene vom Berliner Gast, der noch nie ein Kalb sah. Prompt holte ein Bauer sofort ein Tier ins Kuventhaler »Gasthaus Niedersachsen«. »In Andershausen hat man 120 Einwohner, aber sämtliche Anschlüsse.« Aus Hoppes Archiv belegen Notizen eines Lehrers Krone, dass es zwischen 1813 und 1815 einen Ebbrecht gab: »hat Wirtschaft gehabt mit Kegelbahn«, auf der »englische Soldaten mit Zopf« spielten.

1843 gab es hier Krüger Ludwig Eggers und dazu - wie bei anderen Wirten auch - Wochenblatt-Anzeigen zu »gutbesetzter Tanzmusik …mit frischem Schweinebraten«. 1920 heiratet Tochter Erna Wilhelm Hilke. Man hat Landwirtschaft, das Gasthaus bis 1954, die Post bis 1968 und zog vier Kinder groß. Eine andere Familie mit Namen Eggers eröffnete 1954 einen »Dorfkrug« im Clusweg.

Der Recherche-Umfang ließ staunen: Kopfsteuerlisten, Adressbücher, Annoncen, das Hoftagebuch von Richard Hartwig senior: »24. 11. 1927, Häcksel geschnitten, Karl Rose, Mühlenbeck beerdigt«, historische Karten, Grundrisse wie der vom Gasthof Dücker, Kuventhal, mit Laden, Ladenstube, Gaststube, Vereinszimmer unten sowie großem Saal und Wohnküche darüber. Man verkaufte von Kolonialwaren über Glas bis zu Zigarren alles.

Zur Tanzmusik 1871 gab es »delikate Rinderwurst«. 1933 stehen zwei im Grundbuch fürs »Gasthaus Niedersachsen«: neben Robert Dücker ein Bernhard Delfmann. Über Pächter Lackmann 1952 kam das Haus 1964 an Familie Watermann. Wechselvoll auch die Historie der »Wilhelmsbrücke«: Von der Eröffnung 1894 von August Henne über die »Radfahrer-Station« von Ernst Regenthal 1904, den Zwangsversteigerungs-Kauf 1906 durch den Gendarmerieschul-Pförtner, Friedrich Dösselmann, die Tankstelle mit Pumpe um 1930 bis zur »Musicbox« 1990 von Hartmut Bertram und Stefan Jürgens.

Dank für Unterstützung ging an Viele wie Margarete Mooslehner, Mario Lehfeld, Martina Grossa, die Familien Strohmeier, Stübig, Watermann und Möhle sowie Willi Hoppe. Ein Buch zu den sechs Wahnsinns-Vorträgen, um die Forscher-Ergebnisse noch einmal nachlesen zu können, wäre lohnenswert.des