Tapetendruck war eine bedeutende Branche

SPD-Projektsommer zu Gast im ehemaligen Vereta-Werk | Kulturstiftung Kornhaus pflegt industrielles Erbe

Als ob die Arbeiter die Produktion gerade erst verlassen hätten: In der ehemaligen Tapetenfabrik Vereta in der Bismarckstraße berichtete Alexander Kloss (vorn links) den Teilnehmern des SPD-Projektsommers über die Geschichte dieser einst für Einbeck bedeutenden Branche sowie über die Historie des Fabrikgebäudes.

Einbeck. Auch die Arbeitergeschichte Einbecks soll beim Projektsommer der Kernstadt-SPD in den Blick genommen werden, und so führte der jüngste Termin in die ehemalige Tapetenfabrik Vereta in der Bismarckstraße. Heute befindet sich hier unter anderem ein Depot der Kulturstiftung Kornhaus; daneben wird aber auch die Historie des Hauses mit seiner früheren Nutzung gepflegt, über die Alexander Kloss ausführlich berichtete.

Vor einer großen Besuchergruppe erläuterte er, dass Einbeck früher ein bedeutendes Zentrum der Tapetenindustrie gewesen sei. Und dieses Erbe werde von der Kulturstiftung, die auch die Aufgabe der Förderung von Kunst, Musik, Jugend- und Altenpflege habe, gepflegt: Das Gebäude sei umfassend saniert worden, mehr als 1.000 Druckwalzen seien erhalten, und die alte Drucktechnik stehe teilweise noch so da, als seien die Arbeiter gerade erst nach Hause gegangen.

Alexander Kloss ging in seinen Ausführungen - einer Lesung aus einem unveröffentlichten Werk des Einbeckers Rüdiger Haack - auf die Tradition der Tapetenfertigung in Einbeck ein, dann auf das Umfeld, das im engen Zusammenhang damit stand, und schließlich auf die Geschichte der markanten Gebäude an der Bismarckstraße.

Die Tradition der Einbecker Tapetenfertigung begann mit Malermeister und Weißbinder Karl Friedrich Ludwig Herting, 1803 geboren. Er fürchtete, dass die wachsende Beliebtheit der Tapeten den Aufträgen für aufwendige Wandbemalungen schaden würden, und er richtete 1839 in seinem Haus am Marktplatz 18, heute das Welt-Theater, eine Werkstatt für Tapetendruck ein. Drucker und Formstecher dafür fand er in den Blaudruckereien.

Herting stellte die Tapeten her, die Berufskollegen vermarkteten und verarbeiteten sie, und dieses Geschäftsmodell hatte Erfolg. Als höchste Anerkennung wurde Herting 1865 anlässlich er Weltausstellung in Paris ein erster Preis verliehen. 1877 wurde er zum Kommerzienrat ernannt. Seine wohl bekannteste Tapete ist die »Hertingsche Rose«: ein prächtiger floraler Entwurf in perfektionierte Gold- und Silberprägedruck.

1850 zog Herting nach Hannover, aber seine Hoffnungen darauf, die Ideen hier mit einem Partner besser umsetzen zu können, erfüllten sich nicht. Zurück in Einbeck, führte er den Betrieb klein weiter. Er ließ jedoch technische Entwicklungen an sich vorbei zeihen, und im November 1878 brach die Tapetenfabrik Herting zusammen. Ein halbes Jahr später verstarb er verarmt. Auf verschiedene Weise wurde versucht, die Firma doch noch zu erhalten, allerdings ohne Erfolg.

Andere Unternehmer sahen in der Tapete ebenfalls Chancen, etwa Wilhelm Rohmeyer und Fritz Peine. Nach dem Start an der Ecke Möncheplatz/Bahnhofstraße zogen sie 1889 in die Bismarckstraße. Während Rohmeyer sich einige Jahre später auf ein Zweigwerk in Mailand konzentrierte, führte Peine das Einbecker Werk allein weiter - mit großem weltweitem Erfolg. 1914 wurde mehr als 50 Prozent der Produktion exportiert.

Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm Peines Schwiegersohn Ernst Karnebogen den Betrieb ab 1949. Durch den Zusammenschluss mit einer Kölner Tapetenfabrik entstand 1971 die Vereinte Tapetenfabriken Einbeck-Köln, Vereta. 1972 erreichte das Unternehmen mit 183 Mitarbeitern seine Blüte.

1994 wurde die Fertigung nach einem weiteren Eigentümerwechsel endgültig eingestellt. Der einstige Kompagnon Rohmeyer war Anfang des 20. Jahrhundert als Ruheständler nach Einbeck zurückgekehrt; er wirkte hier 1906 bei der Gründung der Tapetenfabrik Deutschland mit.

Ein Hochwasser und der Erste Weltkrieg führten dazu, dass Rohmeyer 1918 an Wilhelm Iven verkaufte, Inhaber der Tapetenfabrik Hansa in Hamburg-Altona. Die Familie war erfolgreich; 1934 wurde Schwiegersohn Hermann Krimphoff in die Unternehmensleitung berufen, der auch nach dem Tod der Ivens und der Auflösung des Konzerns das Einbecker Unternehmen als Deuta, Tapetenfabrik Deutschland Krimphoff, fortführte. Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte man auch hier an alte Erfolge anknüpften.

Deuta war das erste Unternehmen im Land, das eine Konzession zur Produktion erhielt. Übersättigte Märkte und eine geschäftliche Flaute führten 1987 zum Konkurs. Ein Neuanfang war nur von kurzer Dauer. Die letzte Einbecker Tapetenfabrik schloss am 31. Juli 1995.

Die Tapetenindustrie wirkte sich auf weitere Berufsfelder aus: Musterzeichner, Entwerfer und Formstecher. Mehrere Betriebe wurden ab dem Ende des 19. Jahrhunderts gegründet, unter anderem das Atelier Raabe oder die Firmen Saalfeld, Ahnert, Vörckel, Bünger oder Paul Traupe. Weitere Unternehmen waren ebenfalls mit der Tapetenfertigung verbunden, wie die Firma A. Kayser, die Drucktücher produzierte.

Die Fabrikationsstätte von Rohmeyer & Peine in der Bismarkstraße wurde 1889 gegründet, 1893 begann der Ausbau, nachdem das Gelände zwischen Reinser Turmweg und Altendorfer Tor erschlossen worden war. Das Bauvorhaben sah das Fabrikgebäude, einen Mittelbau, einen Platz für das Wohnhaus sowie ein weiteres Fabrikgebäude und die Villa Rohmeyer vor. Das Holz-Fachwerkgebäude ist dreistöckig und voll unterkellert.

Im Kellergeschoss war das Formen- und Farbenlager untergebracht. Die weiteren Geschosse dienten der Lagerung von Papier, der Fertigung und der Trocknung der Tapeten sowie als Lager der fertigen Produkte. Für einen weiteren Bauabschnitt wurden unter anderem »völlig getrennte Abortanlagen« geplant, da auch »weibliche Arbeiter« beschäftigt werden sollten, zudem ein Anbau mit Kesselhaus.

Eine zweite Erweiterung wurde ab 1899 geplant. Alle drei Gebäudeteile haben den Zweiten Weltkrieg unbeschadet überstanden. Die Tapetenfabrik diente bis 1945 als Vorratslager für die Marine - mit Nahrungs- und Genussmitteln sowie Uniformen und Stoffen.

Es habe nach Kriegsende »geregelte wie ungeregelte Einkäufe« gegeben, was einige Einbecker bestätigen konnten, entweder noch aus eigenem Erleben oder als Teil der Familiengeschichte. Nachdem die Produktion wieder aufgenommen wurde, ist mehrfach gebaut worden, wobei eine geschlossene architektonische Einheit erhalten werden konnte.

Einbeck als Hochburg des Tapetendrucks, aber auch der begleitenden Bereiche, etwa Formstecher oder Musterzeichner, das konnten die Teilnehmer des SPD-Projektsommers nach Vortrag und Besichtigung gut nachvollziehen. Vielleicht würden sie das Haus in der Bismarckstraße künftig mit anderen Augen sehen, so Alexander Kloss.

Das Gebäude und die mit ihm verbundenen Inhalte zu bewahren, sei wichtig, betonte die SPD-Vorsitzende Rita Moos, handele es sich doch um einen wichtigen Teil der Stadtgeschichte. Der Abschluss des SPD-Projektsommers findet am kommenden Dienstag, 13. August, statt. Treffen für Mitglieder und interessierte Gäste ist um 18 Uhr am Einbecker Brauhaus zum Rundgang mit geselligem Ausklang im Ur-Bock-Keller. Ein Kostenbeitrag wird erhoben.ek