Die Regionen stärker unterstützen

Thomas Oppermann, Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, zu Besuch in Einbeck | Kultur und Senf

Einbeck. Er kennt sich noch immer gut aus, denn ein Stück ist er »Einbecker«: 1975 hat er das Abitur an der Goetheschule abgelegt. Zuhause war er in Edemissen, und beim Gang durch die Stadt kommen viele Erinnerungen: Thomas Oppermann, Fraktionsvorsitzender der SPD im Deutschen Bundestag, hat jetzt mit dem SPD-Bundestagskandidaten Marcus Seidel Termine in Einbeck wahrgenommen. Zusammen ging es zunächst in die Einbecker Kulturbüros, anschließend in die Senfmühle, und dann durch die Stadt.

Am Möncheplatz berichtete Martin Keil über die Einbecker Kulturbüros beziehungsweise über die »Beseelung« des Hauskomplexes durch verschiedene Projekte. Leerstand, stellte er fest, sei immer eine Chance für Kultur, und so habe man hier die Möglichkeit, eine leerstehende erste Etage über mehrere Häuser hinweg zu nutzen; das Erdgeschoss ist durchgängig vermietet.

Das Schroedter-Haus am Eingang zur Fußgängerzone solle wieder in frühere Schönheit erstrahlen, so der Plan. Ein richtiges Dach fehle der Häuserzeile, und man könnte sich vorstellen, dass beispielsweise Eigentumswohnungen entstehen. Untergebracht sind derzeit die Einbecker Kulturbüros, aber auch das Angebot Co-Working-Space: Räume beziehungsweise Arbeitsplätze, die man mieten kann, um zu arbeiten oder Meetings durchzuführen - als Alternative oder Ergänzung zum eigenen Büro.

Ein Hauptarbeitsgebiet der Kulturbüros ist das Fachwerk-Fünfeck: Die fünf Fachwerkstädte in Südniedersachsen beschäftigen sich mit unterschiedlichen Schwerpunkten, und alle profitieren davon. Thomas Oppermann lobte das als »tollen Ansatz für die Innenstadt«.

So könne man versuchen, alte Gebäude zu revitalisieren und moderne Ideen für die Nutzung zu finden. Die Arbeitsgesellschaft veränderte sich, dafür finde man einen kreativen Raum - das sei gutes Projekt. Einbeck tue auch viel, um dem demografischen Wandel zu begegnen. Er werde sich im nächsten Bundestag, so Thomas Oppermann, für ein Gesetz einsetzen, das gleichwertige Lebensverhältnisse in den Regionen unterstütze.

Städte, die vom Strukturwandel besonders betroffen seien, könne man damit stärken und entsprechend auch kulturelle Impulse geben, wie das hier der Fall sei. So könne man eine Stadt für Neubürger im mittleren Alter oder für Familien mit Kindern attraktiver machen, zumal die Lebenshaltung relativ preiswert sei. Der Bahnanschluss, der eine direkte Verbindung zwischen Einbeck und Göttingen in 27 Minuten ermögliche, mache Einbeck zudem als Lebensraum für Pendler interessant, ergänzte Marcus Seidel.

Auch das Fachwerk-Fünfeck sei ein förderungswürdiges Projekt, urteilte Oppermann: »Das drängt sich geradezu auf.« Die fünf Städte seien echte Kleinode, hier erlebe man Fachwerk, das zum Besten gehöre, was Deutschland zu bieten habe. Umso wichtiger sei es, das mit Denkmalpflegemitteln gezielt zu fördern.

Beim Blick auf den Möncheplatz und in die Lange Brücke erinnerte sich der Besucher, dass dort einmal die alte Mittelschule gestanden hat und dass es gleich um die Ecke die damalige Disco »Tangente« gab. »Gibt’s hier noch etwas aus der Fleischerei Herbst?« Auch die Senfmühle konnte Thomas Oppermann einordnen. Das Unternehmen habe sich in knapp siebeneinhalb Jahren zu einem Magneten für die Innenstadt entwickelt, mehr als 20.000 Besucher waren bisher hier, wie Geschäftsführer Rainer Koch berichtete. 

»Und viele Anfragen müssen wir ablehnen, weil uns noch der Platz fehlt.« Das soll sich ändern durch die Sanierung des Nachbargebäudes in der Knochenhauerstraße. Es soll unter anderem ein Besucherzentrum entstehen, außerdem weitere Ferienwohnungen.

Damit, so Rainer Koch, trage die Senfmühle dazu bei, das Quartier insgesamt positiv zu entwickeln. Im Produktionsraum erhielt der Fraktionsvorsitzende einen Einblick in die Senfherstellung. »Einen besseren Senf als unseren gibt es nicht«, so der Geschäftsführer: Regional, Bioqualität, kalt vermahlen, das seien die Eckpfeiler der Senfherstellung. »In Göttingen sind Sie in vielen Geschäften vertreten«, berichtete Oppermann.

»Wir haben einen Online-Shop, Gäste von außerhalb bestellen nach, und es gibt sogar einen Laden in Tokio mit Einbecker Senf - das ist Globalisierung«, lachte Rainer Koch. Nicht nur Chilli-, Bockbier- oder Traubensenf hat die Senfmühle im Repertoire, sondern auch »ganz normalen«, wie er auf Oppermanns Nachfrage ausführte. 1.700 Gläser pro Tag füllt die geübte Mannschaft ab, 100.000 Gläser pro Jahr.

»Mein lieber Mann«, staunte der Bundespolitiker, immerhin sei das eine »Idee von drei Leuten«, die ihren Senf eben selbst machen wollten. »Auch bei meinem zweiten Besuch hat die Einbecker Senfmühle nichts von ihrer Faszination verloren«, schrieb Oppermann anschließend ins Gästebuch.

»Es ist großartig, wie die Initiatoren eine excellente Marke entwickelt haben. Tradition, Kreativität und Unternehmergeist - das macht unsere Region stark.« »Ideal wäre jetzt eine Bratwurst von Cestnik mit Einbecker Senf, ein Senfkorn dazu und ein Whisky aus dem Harz«, wünschte sich Thomas Oppermann - eine Illusion, nicht zuletzt, weil im Auto die Teilnahme an einer Telefonkonferenz mit dem SPD-Präsidium auf ihn wartete.ek