Töpfe und Keramik sind historische Zeugen

Archäologische Arbeiten im künftigen Baugebiet Weinberg II beendet | Mittelalterliche und eisenzeitliche Spuren

Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek, Mitarbeiterin Elena Küchemann und Archäologe Markus Wehmer (von links) mit einigen besonderen Fundstücke aus der Grabung am Weinberg.

Einbeck. Bemerkenswerte Funde haben Archäologen am künftigen Baugebiet Weinberg II gemacht, beispielsweise Tontöpfe, einen Schlüssel oder eine Münze. Aber auch weitere Erkenntnisse haben die umfangreichen Arbeiten gebracht. Archäologe Markus Wehmer hat sie nach dem Abschluss der Arbeiten gemeinsam mit Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek und Mitarbeitern aus Denkmalpflege beziehungsweise Bauamt vorgestellt.

Die Ausgrabungen haben im Juli und August sowie in der ersten September-Woche stattgefunden. Im vergangenen Jahr hatte es schon Vorarbeiten gegeben, und viele Funde wiesen bereits darauf hin, dass hier etwas Besonderes zu erwarten sei. Mit der Firma Arcontor aus Cremlingen habe man ein gutes Team beauftragt, so Archäologe Markus Wehmer: Die Aufgabe wurden in gut zwei Monaten bewältigt, geplant waren drei. Sieben bis acht Personen seien stets vor Ort gewesen, außerdem Mitarbeiter, die die Stadt dafür engagiert habe. Die 2017 vorbereiteten Zuschnitte wurden fertig abgearbeitet.

Freigelegt wurden dabei große Teile der Wüstung Kugenhusen, zu der Dr. Andreas Heege bereits Anfang der 1990er Jahre am Negenborner Weg gearbeitet hat. Gefunden wurden unter anderem Töpferöfen aus dem elften und zwölften Jahrhundert, ebenso Häuser und Gruben, die als Keller oder Werkstatt genutzt wurden, in einer Größe von zweimal drei oder drei mal vier Metern.

Richtig froh sind die Archäologen, wenn sie in einer solchen Situation Siedlungs- beziehungsweise Abfallgruben vorfinden. Insbesondere Fehlbrände aus der Töpferei wurden hier entsorgt – in einem solchen Umfang, dass die Archäologen drei Monate damit beschäftigt waren. Zunächst deutete bei den Ausgrabungen nur ein schwarzer runder Fleck darauf hin, dass hier etwas zu erwarten wäre. »Wir haben die Fläche dann geschnitten, und die Fundstelle wurde immer größer«, berichtete Markus Wehmer. Die Grube, stellte sich heraus, wurde zur Lehmgewinnung für die Töpferei genutzt. Die Ofenwand, aber auch Häuser wurden damit verkleidet. Später wurde das Erdloch mit den Fehlbränden gefüllt. Gut zwei Kubikmeter Scherben sind daraus geborgen worden, darunter auch einige nahezu intakte, also nur etwas eingedrückte, Gefäße. »Das waren Universaltöpfe«, erläuterte der Archäologe. Sie wurden als Kochgeschirr genutzt und haben etwa ein Jahr gehalten, dann mussten sie erneuert werden. In einer Stadt mit 400 bis 500 Einwohner habe ein Töpfer sein Auskommen gehabt, hieß es. Kugenhusen allein sei dafür zu klein gewesen, »aber die Einbecker brauchten ja auch Töpfe.« Die Töpferei oberhalb der Stadt machte Sinn: Hier gab es Brennholz in der Nähe und eine Tonlagerstätte.

Dieser Teil der Arbeiten habe zwar sehr viel Zeit in Anspruch genommen, er sei aber zugleich sehr spannend gewesen und habe eine Menge Material geliefert.

Das größte Grubenhaus war vier bis fünf Meter lang. Abschließbar waren die Gebäude nicht, dennoch wurde ein Schlüssel gefunden – vermutlich der älteste Einbecks. Das Eisenstück, von der jahrhundertelangen Lagerung im Erdreich ziemlich angegriffen, wird vermutlich zum Schließen einer Truhe benutzt worden sein. Eine weitere seltene Fundsache ist ein Glöckchen aus dem späten Mittelalter, aus Bronze oder Messing, mit einigen Verzierungen. Es wurde vermutlich an Pferdewagen eingesetzt, und nach der Restaurierung klingelt es wieder.

Nicht von den früheren Bewohnern, sondern durch Ablagerungen späterer Zeit ist ein Einbecker Stadtpfennig mit dem gekrönten »E« aufs Gelände gekommen. Geprägt wurde er zwischen 1647 und 1717. Großen Wert hatte und habe er nicht, räumte Wehmer ein. Aber auch das sei ein schöner Fund.
Große Teile Kugenhusens wurden bisher noch gar nicht ausgegraben, sie liegen außerhalb der künftigen Neubaufläche am Alfred-Nobel-Ring. Die Siedlung hier breche etwa Mitte des 13. Jahrhunderts ab, die Bewohner hätten ihr Dorf aufgegeben, um in die neu gegründete Stadt Einbeck zu ziehen, dichter an den Markt.

Während man die mittelalterliche Besiedlung erwartet habe, sei eine eisenzeitliche Siedlung überraschend gewesen, aus der Zeit um 600 bis 500 vor der Zeitrechnung – zu datieren anhand gefundener Keramik. Dies sei eine bäuerliche Kultur gewesen, und anders, als der Name es vermuten lasse, gab es nur wenige Metalle. Gefunden wurden Keramik, gebrannter Lehm und Tierknochen. Auch hier gab es viele Fundstellen. Die Menschen hätten sich angesiedelt wegen des guten Klimas. Die Siedlung habe aus mehreren Einzelhöfen bestanden, es gab keine geschlossene dörfliche Bebauung. Hausgrundrisse habe man, anders als beispielsweise kürzlich in der Kolberger Straße, nicht nachweisen könne, wohl aber Abfallgruben mit Keramik und anderen Überbleibseln. Interessant seien große Getreidesilos. Darin wurde der Ernteüberschuss aufbewahrt. Etwa zwei bis fünf Kubikmeter hatten darin Platz, zum Teil waren sie sogar mannshoch. Das Getreide trocknete darin nicht aus, es blieb lange haltbar; öffnete man den Schacht allerdings, musste man den Inhalt komplett entnehmen. An den Getreideresten erkenne man, dass es den Menschen gut ging, Hunger mussten sie jedenfalls nicht leiden, so Wehmers Schlussfolgerung.
Lehmentnahmegruben wurden gefunden, die auch der Eisenzeit zuzuordnen sind; der Lehm wurde für den Verputz der aus Flechtwerk bestehenden Wände genutzt.

Die Fundstücke aus diesem Bereich wurden, erläuterte Wehmer, ganz akribisch untersucht, unter anderem gesiebt mit einer Maschenweite von einem Zentimeter. War es im vergangenen Jahr viel zu nass, hat in diesem Jahr die Trockenheit den Archäologen zu schaffen gemacht - alles war extrem trocken und schwer zu bearbeiten.

Kuriose Fundstücke sind zwei große Rinderschädel. Sie werden noch weiter untersucht mit Blick darauf, wie groß die Rinder waren und ob es sich um gezüchtete oder wilde Tiere handelte.

Die Kosten für die Ausgrabungen waren mit rund 160.000 Euro veranschlagt. So teuer werde es aber nicht, vermutete Wehmer, denn man sei schneller vorangekommen als gedacht.

Auf dem Gelände entsteht ein neues Baugebiet, Weinberg II. Wie Jürgen Höper vom Sachgebiet Stadtentwicklung und Wirtschaftsförderung erläuterte, habe es eine intensive Diskussion dazu gegeben, wo entsprechende Planungen weiterentwickelt werden sollten. Der Schwerpunkt liege auf dem Bereich Deinerlindenweg. Allerdings habe man sich zur Ausweisung am Weinberg entschlossen, um dringenden Bedarf zu erfüllen. Am 11. Dezember soll der Entwurf dazu im Fachausschuss vorgestellt werden. Danach sollen hier 16 Bauplätze für Einfamilienhäuser entstehen. »Im Prinzip folgen wir dabei dem bisherigen Baugebiet, die Aufteilung wird fortgesetzt«, so Höper. Die Planung könne vergleichsweise schnell und zielgerichtet umgesetzt werden. Die Grundstücke werden von der Niedersächsischen Landgesellschaft als Erschließungsträger vermarktet. Möglicherweise 2019, spätestens aber 2020 soll hier gebaut werden.ek