»Unsere Bauern sind wahre Grüne«

Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast im Alten Rathaus zu Digitalisierung, Natur- und Tierschutz

Die CDU-Stadt-verbandsvorsitzende Beatrix Tappe-Rostalski hieß die Besucher zum Vortrags- und Gesprächsabend mit der Landwirtschaftsministerin im Alten Rathaus willkommen.

Weit gefasst war das Thema von Vortrag und Diskussion: »Modernisierung und Zukunftssicherung in der Landwirtschaft und damit einhergehend die Stellung der Landwirtschaft in der Gesellschaft«. Dazu hat die Niedersächsische Ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Barbara Otte-Kinast, bei ihrem Besuch in Einbeck gesprochen. Vor zahlreichen Interessierten, nicht nur aus Landwirtschaft und Politik, richtete sie den Blick auf das Bild, das die Öffentlichkeit von der Landwirtschaft hat – ein Bild, das häufig nicht mit den Realitäten auf den Höfen übereinstimmt. Mit diesem Spagat müsse man sich beschäftigen, so die CDU-Politikerin.

Einbeck. Die Vorsitzende des CDU-Stadtverbands, Beatrix Tappe-Rostalski, ging auf den Spagat ein, den die Landwirtschaft meistern müsse: zwischen fortschrittlicher Produktion in guter Qualität und ausreichender Menge und Nachhaltigkeit. Das seien komplexe Herausforderungen, und da freue sie sich auf die Sichtweise der Ministerin. Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek ging darauf ein, dass Einbeck mit seinem großen Stadtgebiet in weiten Bereichen landwirtschaftlich geprägt sei.

Das Verhältnis sei gut, und im Gegensatz zu anderen Regionen habe man keine Probleme mit dem Grundwasser. Man stehe in konstruktivem Austausch mit der Landwirtschaft. Für die Verbraucher werde die Möglichkeit des regionalen Einkaufs immer interessanter, hier warte die Landwirtschaft mit einem breiten Angebot auf.

Überwachungsvideos auf Schlachthöfen

Eineinhalb Jahre sei sie jetzt im Amt, und ein solches Ministerium sei eine »Nummer«, stellte Barbara Otte-Kinast fest. In den ersten Monaten ihrer Tätigkeit habe sie einen nassen Herbst, die Schweinepest, Sturmtief »Friederike«, Borkenkäferplage und Buchensterben sowie den Dürresommer erlebt. Insgesamt gebe es eine Themenfülle, bis hin zu den Problemen der Krabbenfischer, die sie so nicht erwartet habe. Zudem gab es nach der Amtszeit ihres Grünen-Vorgängers einiges an Gesprächsbedarf. Tausende Kilometer sei sie unterwegs gewesen, um sich den Herausforderungen zu stellen. Ein Thema war dabei, den Tierschutzplan von 2011 in die Betriebe zu bringen.

Videos, wie sie kürzlich von Schlachthöfen veröffentlicht wurden, halte man kaum aus. Für eine Partei mit dem C im Namen sei so etwas nicht hinzunehmen. Tiere seien Mitgeschöpfe, und sie gut zu behandeln, sei eine ethische Frage: »Ich kann nicht anders.« Die Landwirtschaft mache einen guten Job, die meisten Schlachthöfe auch. Sie kündigte ein rigoroses Vorgehen an, indem sie die schütze, die ihre Arbeit gut erledigten, und die anderen an die Kandarre nehme. Mit Überwachungsvideos auf den Schlachthöfen sei man auf einem guten Weg, ebenso mit unangemeldeten Kontrolle. Im Sinne des Tierschutzes müssten sich die Umstände ändern.

Digitalisierung sei Daseinsvorsorge

Digitalisierung sei ein Riesenthema in Niedersachsen. Auch wenn genügend Geld zur Verfügung stehe, habe sie doch die Sorge, ob man genügend Handwerker habe, um die Leitungen zu verbauen. Tiefbauer würden ebenso fehlen wie andere Fachkräfte, aber Digitalisierung sei Daseinsvorsorge. Da sei Deutschland peinlicherweise ein Entwicklungsland. »Wenn es uns jetzt nicht gelingt, wo das Geld da ist, haben wir etwas falsch gemacht.«
Im Bereich der gemeinsamen Agrarpolitik gehe es im Moment nur verhalten voran. Niedersachsen arbeite an einer Ackerbaustrategie mit den und für die Praktiker. Wissenschaft, Landvolk und viele weitere Beteiligte seien dabei. »Wir müssen vor der Welle schwimmen«, sagte sie. Sie habe keine Lust auf ein Volksbegehren wie in Bayern beziehungsweise darauf, getrieben zu werden und Gesetze ausführen zu müssen. »Wir müssen liefern, bevor uns jemand ein Gesetz unter die Nase hält.« Dabei tue die Landwirtschaft schon viel zum Thema, etwa mit 16.800 Hektar Blühstreifen. »Aber das merkt keiner.«

»Ohne Bauern stirbt das Dorf« und »wenn’s einer kann, sind es unsere Landwirte«

Ernährung, so die gelernte Hauswirtschaftsleiterin, so sei ihr eine Herzensangelegenheit. Ernährung und Verbraucherschutz werde sie sich nicht von Grünen wegnehmen lassen. »Unsere Bauern sind wahre Grüne«, sagte sie unter Applaus. »Wenn’s einer kann, sind es unsere Landwirte.« Sie wünsche sich, mit allen ins Gespräch zu kommen, um Unwissenheit und Ängste zu überwinden. Ohne Landwirtschaft könne man die Türen zumachen. Jeder zehnte Arbeitsplatz hänge mit diesem Bereich zusammen. »Ohne Bauern stirbt das Dorf. « Man tue gut daran, sich um Landwirtsfamilien zu kümmern. »Wir brauchen die Menschen und die Dörfer in unserem Flächenland.«

Aufgabenfeld mit Kraft und Vielseitigkeit angehen

»Ich bin es gewohnt, auch Frust mitzunehmen«, ermunterte sie zur anschließenden Diskussion. Die Ministerin habe, erkannte der stellvertretende Landrat Dr. Bernd von Garmissen an, ein beeindruckend breites Aufgabenfeld, das sie mit Kraft, Kreativität und Vielseitigkeit angehe. Sie nehme sich der Dinge an, das habe sie etwa bei ihrem Besuch nach »Friederike« unter Beweis gestellt. Und sie wisse, dass der Strukturwandel Südniedersachsen besonders stark treffe.

Wachsende Bürokratie und Resignation, das waren Themen, die die Zuhörer ansprachen. Die Politik gehe mit Flächen teilweise um, als ob sie ihr gehörten. Landwirtschaft, stellte die Ministerin fest, arbeite an vielen Fronten, mache unglaublich viel, aber richtig sei es trotzdem nicht, so komme es jedenfalls an. Schön wäre mehr Sachlichkeit in der allgemeinen Diskussion.

Der Frust treffe oft nicht nur den Landwirt, sondern die ganze Familie. Man dürfe nicht den Kopf in den Sand stecken, auch wenn sie manchmal nicht wisse, was sie sagen soll, wenn maßlos übertrieben werde. Lebensmittel wieder mehr wertzuschätzen, ebenso die Arbeit auf den Betrieben, das wäre ein erster Schritt. Mehr Menschen auf weniger Fläche satt zu bekommen, möglichst bei extensiver Bewirtschaftung, das sei die Herausforderung der nächsten Jahre. Schon in der Schule sollte man über Landschaft so reden, wie sie sei, die Kinder von Technologie begeistern. Dafür müsse man sich manchmal Zeit nehmen, die man eigentlich nicht habe, aber das sei es wert.

»Dienstleisterin für die Bürger« sein

»Wo bleibt die Wertschätzung?«, fragte sie beim Thema Schreddern von männlichen Küken. In Niedersachsen sei diese Praktik seit 2011 verboten; sie dürften nur noch getötet werden, wenn sie anschließend verwertet, in der Regel verfüttert, würden. Sie bedauere es, dass es ­keinen Stichtag für die Abschaffung gebe: »Warum sind wir noch nicht weiter?« Die Mehrheit der Betriebe halte Tier-, Umwelt- und Klimaschutzauflagen ein. Sie würden ihren Job und die Sache ernst nehmen, denn das seien ihre Produktionsgrundlagen. Die Politik lasse sich von gut organisierten Minderheiten treiben, warnte sie.

Andererseits würden alle alles billig erwarten. Sie ermunterte dazu, beim Thema ehrlich zu bleiben und beispielsweise wie früher einen Sonntagsbraten zu genießen und sich in diesem Sinne von nahezu täglichem Fleischkonsum zu verabschieden.

»Sie möchten mir was sagen? Schreiben Sie mir eine Mail, einen Brief, rufen Sie an«, ermunterte sie. Sie wolle Dienstleisterin für die Bürger sein, wolle liefern, »aber dabei brauche ich Ihre Mitarbeit. Wenn Sie etwas loswerden wollen: immer her damit!«ek