Unternehmen können von Auftragstaktik profitieren

Vortrag in der Loge: Militärischer Führungsstil auch für Management nützlich | Zielvorgaben anstelle von Befehlen

Einbeck. Auftragstaktik, über dieses Thema hat Moritz von Soden jetzt im Rahmen eines öffentlichen Vortrags bei der Einbecker Freimaurerloge »Georg zu den drei Säulen« berichtet. Das militärische Prinzip, entwickelt zur preußischen Armeeführung, lässt sich als erfolgreiches Managementinstrument nutzen.

Der Meister vom Stuhl der Einbecker Loge, Dr. Volker Bullwinkel, erläuterte, dass die von Feldmarschall Graf Helmut Karl Bernhard von Moltke Anfang des 18. Jahrhunderts mitentwickelte Auftragstaktik damals wie heute ein Instrument zur Steuerung von komplexen Prozessen sei, ein modernes Konzept zur Mitarbeiterführung.

Wie das funktioniert, machte Moritz von Soden aus Delligsen, geschäftsführender Gesellschafter eines Familienunternehmens, deutlich. Bei der Entwicklung von Unternehmensstrategien sei häufig die Umsetzung von Maßnahmen ein Problem. »Man muss die Lücke zwischen Plan und Ergebnis schließen«, führte er aus. In der industriellen Revolution sei der Takt für die Arbeiter durch die Fabriken vorgegeben worden. Später seien die Arbeitsschritte zerstückelt worden, Fabriken arbeiteten wie große Maschinen, der einzelne Beschäftigte war ein Zahnrädchen und fühlte sich auch so. Manager planen, Arbeiter führen aus, so lautete das Prinzip. Heute herrschen neue Abhängigkeiten und schnellere Marktdynamik. Das Wissen der Menschheit verdoppele sich alle 13 Monate, so der Referent. Produkte und Dienstleistungen seien ein komplexes Thema. So habe die weltgrößte Taxifirma Uber keine eigenen Autos, Netflix als größter Filmanbieter keine eigenen Kinos. Diese Entwicklung lasse sich nicht zurückdrehen. Ein sich ändernder Markt verlange andere Methoden. Als Beispiele nannte er die Entwicklungsschritte von Konservendosen, Blockeis und Kühlschrank oder Schallplatte, Tauschbörse Napster und Streamingdienst Spotify. Maschinen könnten bei derart schnellen Veränderungen nicht mithalten.

Erfolgreiche Organisationen würden agieren wie Organismen: sich wandeln und anpassen. Eine Unternehmensführung, die sich an der Taktik der preußischen Armee orientiere, werde Annahmen treffen und begrenzte Ressourcen effektiv einsetzen. Kritisch sei der Faktor Zeit – sie sei immer verloren; Land und Ressourcen könne man dagegen ersetzen. Die äußeren Faktoren eines Einsatzes würden sich ständig ändern, und daraus sei die Auftragstaktik entwickelt worden. Das Geschäftswesen des 20. Jahrhunderts lasse sich mit dem Kriegswesen des 19. Jahrhunderts vergleichen. »Die Lage dominiert den Plan, Menschen dominieren Prozesse«, so könne man es zuspitzen.

Preußen sei durch eine Krise zur Auftragstaktik gekommen: durch die Schlacht von Jena und Auerstedt, als Napoleon das preußische Heer »rasiert« habe. Die französische Armee habe anders gekämpft, in aufgelöster Ordnung. Preußen sei daraufhin in Bedeutungslosigkeit und Schockstarre verfallen, Napoleon wurde zum Trauma. 1807 wurde eine Reorganisation des Militärs beschlossen, künftig wurde unter veränderten Anforderungen gekämpft. Väter dieser Reform waren von August Neidhardt von Gneisenau, Gerhard von Scharnhorst, Gebhard Leberecht von Blücher, Carl von Clausewitz und Hermann von Boyen. Von den Franzosen haben sie gelernt, dass es für ein Heer wichtig ist, gut zu kommunizieren und in hohem Tempo zu agieren, geleitet von einem charismatischen Führer. Die von Graf von Moltke entwickelte Auftragstaktik hat Erfolg konzeptionalisiert. Wenn der Kriegsplan den ersten Zusammenstoß mit dem Feind nicht überlebt, kommt es darauf an, Chaos zu kontrollieren beziehungsweise damit leben zu lernen. Dann braucht es keinen langwierigen Aktionsplan, sondern eine zentrale Idee. Es gilt, eine Balance zwischen Einheitlichkeit und Autonomie zu schaffen, ein »Sowohl als auch«. Eine Kombination aus beidem ermöglicht das Führen durch Auftrag.

»Da stellt sich dann die Spice-Girls-Frage«, führte der Referent aus: »Tell me what you want, what you really really want«, zitierte er einen Hit der erfolgreichen Mädchengruppe aus den 90ern: »Sag mir, was du willst, was du wirklich, wirklich willst – was soll ich machen?« Erst müsse Einheitlichkeit erzielt werden, dann sei Autonomie möglich. Selbstständig denkender Gehorsam und Autonomie in den Handlungen führten zur Einheitlichkeit im Auftrag. Kernelement sei dabei, den Auftrag zu verstehen. Erforderlich seien selbstständiges Denken und Entschlussfreudigkeit. Handeln im Sinn der Führung enthalte auch eine gelebte Fehlerkultur, durch die sich Entschlossenheit fördern lasse.

Unternehmen könnten von dieser Auftragstaktik lernen und profitieren. Es gehe um Entscheidungen darüber, was wirklich wichtig sei: das Ziel. Die Strategie sei »flüssig«. Wenn man Ziele kommuniziere, müsse man das sinnstiftend tun. Mitarbeitern müsse man sowohl Freiraum als auch Unterstützung geben: »Und dann hat man auch keine Roboter.«ek