Unternehmerische Entscheidungen ohne Risiko
BBS-Schüler beim Industrie-Planspiel: Als »Fahrradhersteller« alles im Blick – und den Aktienkurs steigern
Einbeck. Planspiele, stellte der Leiter der Berufsbildenden Schulen Einbeck, Renatus Döring, fest, hätten eine lange Tradition. »Ich bin ein Fan davon«, bekannte er. Es dauere, bis sich ein Blick auf ein großes Ganzes ergebe, und da könne ein Planspiel helfen. Auch wenn man die Präsentation derzeit »nur« online vornehmen könne, sei das besser als nichts, wobei der Mittelstufen-Klasse diesmal leider der Abschluss im Ur-Bock-Keller des Brauhauses entgehe, schmunzelte er.
Produktionsprozesse im Fokus
Die Mittelstufe bringe aber auch schon mehr Wissen mit, hob Ulf Scupin, Abteilungsleiter Wirtschaft und Informatik der BBS, hervor. Das neue Planspiel, das man erstmals im Programm habe, rücke Produktionsprozesse in den Fokus. Der Vorteil solcher Spiele sei, dass man ohne Risiko die Wirklichkeit nachstellen könne, analog zu einem Flugsimulator
Betriebswirtschaftliche Entscheidungen
Angenommenes Unternehmen, in dem geplant und umgesetzt wurde, war die Settler Fahrrad AG, traditioneller Produzent eines »City- Bikes«, elf Millionen Euro Jahresumsatz, 56 Mitarbeiter, davon 29 in der Fertigung. Entscheidungen waren in den Bereichen Vertrieb/ Absatz, Einkauf/Lager, Forschung und Entwicklung, Personal, Produktion sowie Finanz- und Rechnungswesen zu fällen.
Zeitraum von fünf Jahren
Die Schüler sollten sich einen Zeitraum von fünf Jahren anschauen und unterschiedliche Szenarien beleuchten. Unter anderem ging es um den Auslandsmarkt sowie eine Innovation, die Einführung des E-Bikes im In- und Ausland. Zu bedenken waren unter anderem Wechselkurse, verschiedene Konjunkturverläufe, Umweltauflagen, Rating und Zinsniveau, Einkauf und Rabatte, die Qualifizierung der Mitarbeiter, eine mögliche Beteiligung von Großhändlern und die Zahlungsbedingungen - viele Entscheidungen, wenig Zeit. Der Startpreis des Rades war vorgegeben, ebenso Kosten und Stückzahl, der erste Jahresgewinn und schließlich der Aktienkurs von 157 Euro als Kriterium für die Erfolgsbeurteilung der vier Gruppen. Was »Biketastisch«, »Turtle Bikes«, »Stützrad « und »Green Drive« zeigten, war teilweise ähnlich, teilweise stark unterschiedlich.
Marktanteile steigern
Eine Gruppe hat den Preis ihres Produkts »aus dem Bauch heraus« im oberen Mittelfeld angeordnet, war auf Sicherheit bedacht. Marktanteile sollten gesteigert werden, es wurde mehr geworben, eine neue Anlage beschafft, und Mitarbeiter wurden eingestellt. Der aufgenommene Kredit entpuppte sich als zu gering, der Lagerbestand als zu hoch. Die Nicht-Einführung des E-Bikes im Ausland stellte sich als Fehler heraus, bevor schließlich volles Risiko gefahren wurde.
Umweltfragen und Kundenzufriedenheit
Erstmal auf Nummer sicher gehen, gucken, was die anderen machen, im Mittelfeld Position beziehen: Vorsichtig ging es bei der späteren Siegergruppe »Turtle Bikes« los. Die Expansion ins Ausland erfolgte auch für das E-Bike, was man unterschätzt hatte. Umsatz und Aktienkurs konnten gesteigert werden, und schließlich rückten Umweltfragen und die Kundenzufriedenheit in den Schwerpunkt. Mehr Training für Mitarbeiter, deren gesteigerte Zufriedenheit, die Produktion im Ausland, um Versandkosten zu sparen: Hier griffen viele Rädchen ineinander.
Höchstpreisstrategie
Mit der Höchstpreisstrategie ist eine weitere Gruppe gestartet, und die hat sie auch gehalten. Auf lange Sicht konnte schlecht geplant werden. Investitionen in Werbung und weitere Maschinen, die Steigerung bei E-Bikes ohne den erwarteten Erfolg und schließlich Wechselkursprobleme machten dem unternehmerischen Nachwuchs Sorgen. Insbesondere bei den E-Bikes, deren Produktion schließlich eingestellt wurde, hatte man sich mehr erhofft.
Marktbeobachtung
Auf Marktbeobachtung, auch im Ausland und ebenfalls bei den E-Bikes, setzte die vierte Gruppe. Lagerbestände wurden gesenkt, Werbemaßnahmen gesteigert, auch im Ausland bei dort steigendem Angebot. Ausbau von Forschung und Entwicklung, eine Preiserhöhung, mehr Maschinen, mehr Mitarbeiter, mehr Kredite - damit wurde Aufgebautes gestärkt, und Fehler sollten behoben werden.
Viel gelernt
Gelernt haben die Gruppen viele Dinge: mehr Risikobereitschaft, an die Maschinenlaufzeiten denken und die Komplexität von Geschäfts- und Wirtschaftsvorgängen berücksichtigen. »Die haben wir unterschätzt«, so eine selbstkritische Analyse. Kalkulation und Kommunikation seien enorm wichtig, ebenso der Blick auf alle maßgeblichen Faktoren. Man müsse Ausgaben verteilen und strukturiert arbeiten, dabei den Blick auf aktuelle Entwicklungen legen. Preisstaffeln zu berücksichtigen, gehörte ebenfalls zur Lernkurve, genau wie die Beobachtung von Preis, Umsatz und Auslastung sowie Kassenbestand. »Die beiden Tage haben sich gelohnt«, so eine positive Bilanz der Schüler. Die Auszubildenden hätten das gut präsentiert und ihre Arbeit auch selbst reflektiert, lobte Ulf Scupin. Sie hätten, und das sei ganz wichtig, erfahren, welche Konsequenzen ihre unternehmerischen Entscheidungen hätten.
»Durch die Bank gut gearbeitet«
Während der ersten vier Geschäftsperioden hatten alle ähnliche Ergebnisse und dabei den Markt im Griff. Wer Fehler machte, etwa auf dem Auslandsmarkt oder bei den E-Bikes, habe das sofort gespürt. Die Siegergruppe habe nur auf den Aktienkurs geschaut, ihn auf fast 500 Euro steigern können und damit auch einen herausragenden Erfolg erzielt: »Apple unter den Fahrradherstellern.« Aber alle hätten durch die Bank gut gearbeitet, gratulierte er gemeinsam mit Jessica Steckel, Teamleitung Industrie, die die Siegerurkunden an die fünf Schüler von »Turtle Bikes« überreichte.ek