Vermeintlicher Betäubungsmittelverkauf an Minderjährige

Verwirrende und widersprüchliche Zeugenaussagen | Freispruch für Angeklagten

Angeklagt wurde am Amtsgericht Einbeck ein 24-Jähriger, im Frühjahr 2019 auf dem Spielplatz in Kreiensen mehrere Gramm Marihuana an eine 16-Jährige aus Ammen-sen verkauft zu haben. Die junge Frau, die auch als Hauptzeugin vernommen wurde, verwickelte sich bei den Verhandlungen in Widersprüche, gab erst nach Rückfragen ergänzende Informationen preis und belastete sich mit Aussagen selber. Die erste Verhandlung im September wurde ausgesetzt, bei der jetzigen Wiederaufnahme gab es einen Freispruch für den Angeklagten.

Einbeck. Die Zeugin konsumierte auch Amphetamine und konnte sich an viele Begebenheiten nicht mehr oder nur noch in Fragmenten erinnern. Zahlreiche Betäubungsmittel hätten sie wirr im Kopf gemacht; angeklagt war sie ebenfalls schon wegen strafbaren Besitzes. Ersten Konsum räumte sie schon mit 15 Jahren ein.

Konsum ja, Verkauf nicht

Vorgeworfen wurde dem 24-Jährigen aus Bad Gandersheim, im Mai 2019 an die Minderjährige zwölf Gramm Marihuana für 120 Euro veräußert zu haben, er widersprach dem. Konsumiert habe er, verkauft und abgegeben aber nicht. Bei unregelmäßigen Treffen in Kreiensen am Spielplatz waren immer mehrere Personen in unterschiedlicher Zusammenstellung beisammen. Sie stammten aus Kreiensen und der Umgebung. Die damals 16-jährige Zeugin kam oft mit einer Freundin dazu. Sie schlief auch öfter beim Angeklagten; ein Paar waren sie nicht. Ein gutes Verhältnis existierte. Seit Mitte 2019 existierte kein Kontakt mehr, sie wollte von dem Zeug wegkommen und »reinen ­Tisch« machen. Inzwischen absolviert sie eine Ausbildung.

Warum sie ihn angezeigt habe, wisse er nicht, sagte der Angeklagte. Streit gab es nicht. Auf Nachfrage des Staatsanwaltes teilte er mit, dass jeder konsumiert habe – sein eigenes Zeug. Dies könnten auch andere Beteiligte bestätigen.

Immer wieder andere Namen als Erwerbsquellen

Anfang Mai 2019 – nach Besuch in Kreiensen – geriet die Zeugin mit zwei weiteren Personen in eine Polizeikontrolle. Bei ihr wurden 11,5 Gramm Marihuana gefunden. Erst kurz vor ihrer eigenen Verhandlung im Herbst 2019 gab sie bei der Polizei an, dass sie die BTM vom Angeklagten erworben hätte. Durch Angaben seines Namens wollte sie eventuell ihr Strafmaß mildern, vermutete der Verteidiger, jedoch gab sie bei verschiedenen Befragungen immer wieder andere Namen als Erwerbsquellen an. Sie betonte, dass der Angeklagte wusste, dass sie damals noch minderjährig war. Dies verneinte der 24-Jährige. Er hatte sie damals auf 18 oder 19 geschätzt und könne sich wegen der freundschaftlichen Verbundenheit keinen Reim auf die Anklage machen.
Anschließend befragten Richterin, Staatsanwalt und Verteidiger die Zeugin. Zu den verwirrenden und widersprüchlichen Aussagen, die auch nicht zu den vergangenen bei der ­Polizei und zu denen ihrer Verhandlung im Herbst 2019 passten, gab es viel Erörterungsbedarf.

Im September 2019 zur Polizei

Die Zeugin erklärte, damals oft in Kreiensen gewesen zu sein und bei dem Angeklagten geschlafen zu haben. Mit anderen Konsumenten traf man sich mehrmals in der Woche. Vor ihrer Gerichtsverhandlung im Herbst 2019, die später eingestellt wurde, begann sie eine Therapie und brach den Kontakt ab. Sie wollte sich distanzieren, nicht mehr konsumieren und reinen »Tisch machen«. Darum ging sie auch im September 2019 zur Polizei und beschuldigte den Angeklagten, ihr am 1. Mai 15 Gramm Marihuana für 150 Euro verkauft zu haben. Dreieinhalb Gramm konsumierte sie angeblich noch am selben Tag, so dass sie bei der Polizeikontrolle noch 11,5 Gramm hatte. Bei der dama­ligen Befragung sagte sie nichts über die Herkunft. Später meinte sie, die Drogen auf dem Friedhof in Alfeld erworben zu haben.

Zum 1. Mai schlief sie beim Angeklagten, so ihre Aussage bei der ersten Verhandlung, oder traf sich mittags mit ihm am Spielplatz, wie sie beim zweiten Termin sagte. Dort kam der Angeklagte – einige Meter entfernt von der Zeugin – mit seinem Dealer zusammen und erwarb die BTM. Eine Weiterveräußerung soll es an die Ammenserin gegeben haben.

Erstmaliger Konsum mit 15 Jahren

Während sie zuerst betonte, Rauschgift nur von dem Angeklagten erworben zu haben, teilte sie bei früheren Vernehmungen bei der Polizei oder bei den Verhandlungen mit, mehrere Abnahmequellen zu besitzen. Dazu zählten Freunde und Bekannte aus der Region oder ein Schulfreund aus Grundschultagen, von dem sie nicht den Nachnamen wusste. Erstmalig konsumierte sie mit 15 Jahren. Meist erwarb sie BTM für zehn bis 15 Euro – teilweise mehrmals die Woche – oder rauchte mit, wenn sie kein Geld für eigenen »Stoff« hatte.

Hinweis zur Wahrheitspflicht

Was sie früher der Polizei und bei ihrer Verhandlung gesagt habe, das wisse sie nicht mehr so genau, damals habe sie sich oft die »Birne weggeblasen«. Die Richterin wies auf die Wahrheitspflicht als Hauptbelastungszeugin hin, der Staatsanwalt, dass auf Falschaussagen auch Freiheitsstrafen folgen können.
Verwirrend und widersprüchlich wurden die Aussagen im Verlauf der Verhandlungen immer mehr, auf Rückfragen gab sie weitere Aussagen preis – zu weiteren Verkäufern, zum langjährigen Konsum oder auch zur Verwendung von Amphetaminen. Ihrem schlechten Orientierungsinn widersprachen Fahrten durch die Region mit dem Roller, um BTM zu erwerben. Kontaktaufnahmen erfolgten über Soziale Medien. Schlechtes Zeitgefühl gab sie an, konnte sich an wichtige Punkte wie Aussagen bei der Polizei nicht mehr erinnern – an andere spezielle Dinge aber schon.
Weitere Zeugin ohne neue Erkenntnisse

Teilweise belastete die Zeugin sich selber, worauf die Richterin sie hinwies. Sie räumte regelmäßigen und intensiven Konsum – teilweise mehrfach die Woche – seit mehreren Jahren ein. Dazu zählten auch Amphetamine.

In der Folge wurde eine weitere Zeugin befragt, ihre Angaben führten zu keinen neuen Erkenntnissen. Die 19-Jährige nahm auch mehrfach an den Treffen auf dem Spielplatz teil – inzwischen hat sie eine Betreuerin. Sie war konfus, konnte sich nicht erinnern und war froh, dass sie wusste, »wie ich heiße und wo ich wohne«.

Verwirrende Zeugenaussagen: Antrag des Staatsanwalts auf Freispruch

Zweifel an den Anklagevorwürfen gab es durch die verwirrenden Aussagen der ersten Zeugin, der Staatsanwalt beantragte Freispruch für den Angeklagten. Die Weitergabe von BTM an Minderjährige sei ein massiver Tatbestand, betonte er, er konnte nicht bewiesen werden. Konsumiert wurde, das räumten Angeklagter und Zeuginnen ein, doch wie der Erwerb stattfand, das sei weiter fraglich.

Die Hauptzeugin habe nur lückenhafte Erinnerungen und bringe viele Punkte durcheinander. Gegensätzliche Aussagen hörte man von ihr zu Zeit, Ort, Vorgang, Abnahmemengen und Preisen. Auf Nachfrage räumte sie weitere Aspekte ein, widersprach sich oft innerhalb weniger Sätze.
Ihm kam es vor, dass die Zeugin immer wieder wahllos etwas erzähle, sagte der Vertei­diger. Fundierte Wissenserkenntnisse gab es von ihr nicht. Zitierte er aus Akten Aussagen von ihr bei der Polizei und bei Verhandlungen, widersprachen diese ihren jetzigen Äußerungen. Sie sei keine tragfähige Zeugin, betonte er, und beantragte ebenfalls Freispruch seines Mandanten.

Vorwurf nicht nachweisbar

Dem kam das Schöffengericht nach. Der Vorwurf, BTM an eine Minderjährige veräußert zu haben, war nicht nachweisbar. Die Hauptbelastungszeugin verstrickte sich immer wieder in Widersprüche. Ihre Aussagen waren verwirrend, gegensätzlich und lückenhaft statt erkenntnisreich. Aus diesem Grund sei der Angeklagte freizusprechen, betonte die Richterin.mru