Viel Herzblut und riesige Begeisterung

Prime Orchestra aus Kharkiv/Ukraine im Bendow-Theater: Vielseitiges Konzert, Stimmung und starke Solidarität

Mit mehr als 30 Musikern war das Prime Orchestra aus Kharkiv im Wilhelm-Bendow-Theater zu Gast mit einem eindrucksvollen, vielseitigen Konzert.

Einbeck. Die ukrainische Nationalhymne und ein ukrainisches Volkslied, lautstark und enthusiastisch mitgesungen, eine Taschenlampen-Choreographie zu Coldplay, ein Queen-Medley und Rap neben klassischen Klängen: Selten hat das Wilhelm-Bendow-Theater vermutlich eine solche Vielfalt und so riesige Begeisterung erlebt. Das Prime Orchestra aus Kharkiv, UNESCO City of Music in der Ukraine, war jetzt im Rahmen einer kleinen Konzertreise in Einbeck zu Gast. Die Einnahmen des Konzerts kamen komplett den Musikern zugute, die damit Hilfe für ihre Heimat ermöglichen.

»Guten Abend. Wir sind aus der Ukraine. Wir freuen uns sehr.« So stellte sich das Orchester über eine Dolmetscherin vor. Die Schirmherrschaft des Konzertabends hatte Landrätin Astrid Klinkert-Kittel übernommen, die Begrüßung nahm Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek vor. Das Orchester sei auf Einladung des Musiklandes Niedersachsen in vier Städten unterwegs, darunter in Einbeck, sagte sie. Das Konzert wurde vom Kulturring und vom Kulturverein »Kultur im Esel« organisiert und mitfinanziert, und finanzielle Unterstützung gebe es von der AKB Stiftung, der Sparkasse Einbeck, der Niedersächsischen Sparkassenstiftung und der Deutschen UNESCO-Kommission. »Liebe Gäste aus aller Welt«, so die Bürgermeisterin, »uns erwartet ein wirklich außergewöhnliches Highlight.«

Das Prime Orchestra sei kein klassisches Orchester, sondern es vereine Klassik, Rock, Sänger, einen Chor und sogar einen DJ. 600 Auftritte in vielen Ländern der Welt seien Beweis für die außergewöhnliche Qualität. Mit der »Rock Sympho Show World Hits«, einer Verbindung von Tradition und Innovation, von Rock, Pop und Klassik, von modernster Klang- und Lichttechnik werde ein Wirbelsturm der Emotionen ausgelöst. Und die Vielfalt der Emotionen gelte auch für den Krieg in der Ukraine. Er löse bei ihr Wut gegen den Aggressor aus, Fassungslosigkeit, Angst, Entsetzen und Trauer, aber auch Hochachtung und Bewunderung für die Ukrainer sowie Dankbarkeit für die vielen helfenen Hände und Freude und Glück über Begegnungen, erläuterte Dr. Michalek. Man dürfe diesen Krieg mitten in Europa nicht auf die Seite wischen, sondern müsse das ukrainische Volk bei seinem Widerstand unterstützen, genau wie alle gesellschaftlichen Gruppen, die dazu beitragen würden, diesen Krieg zu gewinnen. Die Musikerinnen und Musiker aus Kharkiv zählten dazu. Es sei wichtig, unter dem Dach der Kultur zusammen zu kommen, denn Musik sei eine universelle Sprache, die Herzen öffne über die Nationalitäten hinweg und Frieden zwischen den Menschen schaffen könne. Hier werde sie von der Schönheit und Kreativität der Stadt Kharkiv und ihrer Menschen erzählen. Über die Sprache der Musik bekomme man einen Blick in die ukrainische Seele.

Man kämpfe für die ukrainische Freiheit, machte das Orchester deutlich: an der kulturellen Front. Die Ukraine wolle Mitglied in der Familie der freien Völker Europas sein. Viele der gut 400 Konzertbesucher stammten aus der Ukraine, und sie erhoben sich spontan, als das Prime Orchestra unter der Leitung von Denis Doroshenko die ukrainische Nationalhymne anstimmte. Der Beifall lief nahtlos weiter: Als »Carol of the Bells« ist es international bekannt, als »Schtschedryk« ein ukrainisches Volkslied – eine dynamische Mischung aus Rock und Klassik zeigte die große Bandbreite des Orchesters. Nach wenigen Takten tobte der Saal bei »Smoke on the Water«, und die Musiker hatten richtig Spaß. Einmal gezupfte Geigen- und Cello-Saiten, dann wieder Rock mit »vollem Brett«: »Still Loving You« von den Scorpions hielt die Begeisterung auf hohem Niveau. Bei einer Handytaschenlampen-Choreographie zu »Paradise« von Coldplay war kaum jemand im Publikum, der nicht begeistert mitging: Das hatte das Bendow-Theater vermutlich so noch nicht erlebt.

Enormer Jubel nach jedem neuen Stück: Vor allem die ukrainischen Gäste ließen sich mitreißen von dem, was ihnen aus ihrer Heimat geboten wurde. Ein DJ sorgte gemeinsam mit den Musikern für Stimmung, und was Eminem und Rihanna bei »Love The Way You Lie« können, das schafften die hervorragenden Sänger des Orchesters ebenfalls. Mit einem Medley von Queen-Klassikern – »Bohemian Rhapsody«, »We are the Champions«, begleitet von einer gereckten Sieger-Faust, und »Radio Gaga« – endete der erste Teil des Konzerts.

Im Auge des Tigers, »Eye of the Tiger«, startete der zweite Teil des Abends, und auch dabei erwies sich Dirigent Denis Doroshenko als großartiger Showman. Das Crossover aus Rock, Pop und Klassik setzte sich fort in »How Deep is your Love« von den Bee Gees, interpretiert in fünfstimmigem A-cappella-Gesang. »Personal Jesus« von Depeche Mode wurde am Cello gerockt, bevor ein druckvolles Schlagzeug-Solo und schließlich Bon Jovis »Living on a Prayer« die Zuschauer mitrissen. Bei einem ukrainischen Volkslied zum Mitsingen hielt es schließlich niemanden mehr im Sitz: Blau-gelbe Flaggen wurden geschwenkt, es wurde zusammen gefeiert – ein willkommener Anlass, Patriotismus und Heimatverbundenheit zu zeigen und die Grauen des Krieges für einen kurzen Moment auszublenden. Die Solidarität des Einbecker Publikums mit den Anliegen der Ukrainer war groß, nicht nur ideell, sondern auch praktisch. Die Besucher stellten das durch den Kauf ihrer Eintrittskarten für den Benefizabend ebenso unter Beweis wie durch das Füllen einer Spendenbox im Theaterfoyer.ek