»Vielleicht die größte Umwälzung für Schulen seit langem«

Thema Inklusion wird bei Bildungskonferenz in Einbecker BBS beleuchtet / Südniedersachsen könnte eine Modellregion werden

Schule ist derzeit im Umbruch, viel Neues strömt auf Schüler, Lehrer und Eltern ein. Darüber darf die UN-Konvention über Menschenrechte von Menschen mit Behinderungen nicht in Ver­gessenheit geraten. 2006 verabschiedet und seit 2009 nationales Recht in Deutschland, wird ihre Umsetzung die Schullandschaft grundlegend verändern. Dabei hat sich bisher kaum jemand darauf eingestellt, wie die damit geforderte Inklusion umgesetzt werden soll. Das Thema wird aufgegriffen bei der achten Bil­dungs­konferenz der Bildungsregion in Göttingen am Freitag, 3. Dezember, im BBS-Forum in Einbeck.

Einbeck. »Inklusion wird die Schule verändern«, ist Schulleiter Günter Dietzek sicher. »Das rüttelt am Selbstverständnis der Schulen – und es werden Schwierigkeiten auf uns zu­kommen«, stellt er fest. Die bisher in der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtete Konvention um­fasst alle Lebensbereiche. Sie soll Menschen mit Behinderungen volle gesellschaftliche Teilhabe und Diskriminierungsfreiheit garantieren.

Alle an Schule beteiligten Partner müssten neu nachdenken, wenn Beschulung »in Normalität« gefordert werde. Das werde gravierende Veränderungen bringen, nicht erst in der Schule, sondern schon davor: in der Krippe ebenso wie im Kindergarten. Und auch die Ausbildung muss sich verändern. Betroffen sind zudem Lehrer, Erzieher oder Heilerziehungspfleger: Sie alle stehen vor neuen Fragestellungen, sind Günter Dietzek und Dörte Kirst-Bode, Abteilungsleiterin Hauswirtschaft, Pflege, Sozialpädagogik an den BBS, überzeugt. Ge­meinsam mit der Fachschule Heilerziehungspflege der BBS, dem Beirat für Menschen mit Behinderungen beim Landkreis Northeim so­wie weiteren Partnern will die Bildungsregion Göttingen die Herausforderungen diskutieren, die auf Schüler, Erzieher, Lehrer, Eltern und Kommunen auf dem Weg in die inklusive Bildungslandschaft zukommen.

Sie freuen sich deshalb, dass unter Federführung des Regionalverbandes Südniedersachsen dazu eine Bildungskonferenz in Einbeck stattfindet. »Schule von morgen – Auf dem Weg in die die inklusive Bildungslandschaft Südniedersachsen« heißt es am Freitag, 3. De­zember. Die bisherige exzellente Zusammen­arbeit in der Bildungsregion Göttingen und im speziellen mit Rüdiger Reyhn, Ge­schäftsführer des Regionalverbandes, und mit seinem Team werde damit fortgeführt.

Mit Praktikern und Fachleuten werde man unterschiedliche Fragestellungen beleuchten, kündigte Reyhn an. »Die Inklusion ist eine große gesellschaftliche Herausforderung und für Schulen möglicherweise die gravierendste Umwälzung der Nachkriegszeit«, vermutet er. »Aber keiner ist bisher darauf vorbereitet: die Schulen ebensowenig wie die Lehrer, die Kommunalpolitiker und das Land.«

Was noch zu tun ist, zeigen Zahlen: In Niedersachsen werden derzeit fünf Prozent der behinderten Kinder integrativ beschult. In Skandinavien sind es 80 bis 90 Prozent. Soll ein Kind mit Behinderung eine Regelschule be­suchen, müssen die Eltern bisher einen Antrag auf Integration stellen. Künftig wird es anders laufen: Dann wird das Kind angemeldet, eine Genehmigung ist nicht mehr notwendig. Wie die prak­tische Umsetzung erfolgen kann, darüber soll bei der Bildungskonferenz gesprochen werden. Die Integration von Förderschullehrern ins bestehende Schulsystem wird dafür notwendig sein, deren Fachwissen wird künftig in den Regelschulen gefragt sein, aber das allein reicht vermutlich nicht aus. »Wir können uns vorstellen, dass wir eine Modellregion für Niedersachsen werden, die sich offensiv dem Thema stellt. Es wäre schön, wenn das Be­kenntnis dazu am Ende der Konferenz stehen würde, das wäre mein Wunschziel für die Veranstaltung«, so Reyhn. »Die Konferenz hat hohe Relevanz, so­wohl vom Inhalt her als auch von den geladenen Experten«, verspricht er. So referiert Professor Dr. Ulf Preuss-Lausitz von der TU Berlin über inklusionsförderndes Handeln und die richtigen Schritte auf dem Weg zur gemein­samen Erziehung für alle. Dr. Edith Brugger-Paggi von der Freien Universität Bozen und Dr. Susanne Abram, Schuldienst Bozen, erläutern, wie inklusive Schule und Kindergarten in Südtirol Realität sind. Auch Landespolitiker werden Gelegenheit haben, Positionen darzustellen.

»Das verspricht ein spannender Nachmittag zu werden«, sind die Planer überzeugt. Mit 350 Anmeldungen sei das Interesse sehr groß, ebenso wie der offensichtliche Bedarf, damit ist das Angebot aber auch ausgebucht.ek