Vorsorgen, solange man es sich selbst noch kann

Sehr guter Besuch: Aspekte gesetzlicher Betreuung Thema beim Tag des Betreuungsrechts im Amtsgericht

Sehr viele Interessierte waren ins Einbecker Amtsgericht gekommen, um sich beim Tag des Betreuungsrechts über unterschiedliche Aspekte rechtlicher Betreuung zu informieren.

Einbeck. Der Zuspruch war groß, die Informationen vielfältig: Das Amtsgericht Einbeck hat sich am erstmals vom Justizministerium angeregten Tag des Betreuungsrechts beteiligt. Gesetzliche Betreuer übernehmen die Geschäfte für jemanden, der seine Angelegenheiten wegen einer Krankheit, einer Behinderung oder seines Alters nicht mehr selbst regeln kann. Dazu ist eine gerichtliche Anordnung erforderlich. Um unterschiedliche Aspekte der Betreuung, um Berufsbetreuung, um eigene Vorsorge, aber auch um die Möglichkeiten, in diesem Bereich ein Ehrenamt zu unternehmen, ging es in Vorträgen und Diskussionen.

Betreuungsrichterin Martina Sievert hieß gemeinsam mit den Referenten eine große Zahl von Interessierten willkommen – ein Zuspruch, der größer war als erwartet, der aber zugleich zeigte, wie sehr das Thema beschäftigt. Allein 140 neue Betreuungen seien in diesem Jahr bereits vom Gericht angeordnet worden, berichtete sie.

Sachstandsermittlungen bei rechtlicher Betreuung, dafür ist der Landkreis Northeim zuständig. Birgitt Sandmüller von der Betreuungsstelle läuterte, dass sie und die weiteren Mitarbeiter – aufgeteilt nach Regionen im Landkreis – für das Amtsgericht tätig werden, wenn eine rechtliche Betreuung angeregt wird. Hier gibt es auch Informationen über Vorsorgevollmachten, die amtlich beglaubigt werden können; zwingend ist das allerdings nicht. Bei Grundbesitz können notarielle Beglaubigungen sinnvoll sein. Was sie und auch die weiteren Referenten betonten: Wichtig ist, dass man sich kümmert, wenn man noch selbst dazu in der Lage ist. Ab dem 18. Lebensjahr sollte jeder für sich selbst vorsorgen und jemanden bestimmen, der stellvertretend die Regelung persönlicher Angelegenheiten übernimmt, wenn man das selbst nicht mehr kann. Damit komme man dem Gesetzgeber und einer rechtlichen Betreuung zuvor. Familienangehörige und Freunde oder Bekannte kommen in Frage, wenn sie geeignet und bereit sind. Die Vorsorgevollmacht gilt bis auf Widerruf.

In einem Betreuungsverfahren, fuhr sie fort, müssten alle Beteiligten gehört werden. Manchmal sei keine Betreuung notwendig, sondern der Pflegestützpunkt könne weiterhelfen, und vieles lasse sich mit anderer Hilfe regeln. »Lieber Vorsorgevollmacht als rechtliche Betreuung«, machte sie deutlich. Die Beratungsstelle steht Berufs-, aber auch ehrenamtlichen Betreuern mit Rat und Tat zur Seite. Ansprechpartner sind zudem aber auch die Rechtspfleger bei den Amtsgerichten. Für die Einrichtung einer Betreuung sind Amtsrichter, Gutachter und Betreuungsstelle gemeinsam im Boot.
Wer ein erfüllendes Ehrenamt sucht, beispielsweise im Ruhestand, und sich dabei für Übernahme einer Betreuung entscheidet, kann Unterstützung vom Betreuungsverein bekommen, etwa vom Albert-Schweitzer-Familienwerk. Bernd Wollersen ging auf Patientenverfügung, Betreuungsverfügung und Vorsorgevollmacht ein. Vorsorge treffen, für den Fall, dass man selbst nicht mehr entscheiden kann, etwa durch Unfall oder Krankheit, wenn die Willensbildung eingeschränkt ist, damit sollte man sich rechtzeitig beschäftigte. Vorsorge ermöglicht Selbstbestimmung. Wer sich die Mühe mache und die zwei DIN-A4-Seiten ausfülle, habe viel gewonnen und könne sich im Notfall auf eine Person verlassen, die für ihn handele, betonte der Referent. Der Vollmachtgeber suche eine Person seines absoluten Vertrauens aus, die für ihn die Rechtsgeschäfte erledige. Die Vollmacht basiere auf Vertrauen, sie unterliege keiner Kontrolle, und sie werde gültig, wenn sie unterschrieben sei. Es sei möglich, die Aufgaben auf verschiedene Personen zu verteilen. Die Person muss volljährig sein, und sie sollte informiert und einverstanden sein. Eine Vollmacht gelte ab dem Tag der Ausstellung. Der Bevollmächtigte sollte das Original bekommen, Eine Kopie behält man selbst. Es gebe, auch diesen Nachteil ließ er nicht unerwähnt, keine Berichts- und Rechnungslegungspflicht, wie das bei einer Berufsbetreuung einmal jährlich beim Rechtspfleger beim Amtsgericht der Fall sei.

Eine weitere Angelegenheit, um die man sich rechtzeitig kümmern sollte, ist die Patientenverfügung. Hier empfiehlt es sich, etwa alle zwei Jahre, auch in Absprache mit dem Hausarzt, eine Aktualisierung vorzunehmen. Ein Hinweiskärtchen im Portmonee verweist darauf, dass Vorsorge getroffen wurde und sorgt im Notfall für Klarheit.

Über den sogenannten Werdenfelser Weg, bei dem es um Alternativen zur Fixierung geht, informierten Barbara Buschbohne und Mario Bursa. Die Berufsbetreuer beziehungsweise Verfahrenspfleger berichteten, wie sich Bettgitter oder Bauchgurt vermeiden lassen, denn beides sind freiheitsentziehende Maßnahmen - ein Gericht muss darüber entscheiden. Fixierung wird etwa angewendet, um vor Stürzen und deren möglichen Folgen zu schützen. Das kann schon das unterlegen eines Kissens bei einer halbseitig gelähmten Person sein. Wenn eine freie Willensbildung nicht mehr möglich ist, bei denen der Betroffenen zustimmen oder ablehnen kann, müssen Fixierungsmaßnahmen gerichtlich beantragt werden: Um beispielsweise ein Bettgitter hochzuziehen, ist ein amtsrichterlicher Beschluss notwendig. Eine Pflegekraft darf das aus eigenem Ermessen nicht. Das gleiche gilt für Bauch- und Schrittgurt bis hin zu Hand und Fußfesseln. Diese Maßnahmen sollten vermieden werden - eine schwierige Situation, denn man müsse Folgen und mögliche Haftung im Blick haben, hieß es. Es gebe allerdings, erläuterten die beiden Experten, gute Alternativen. Stürze könne man damit zwar nicht vermeiden, aber Verletzungen vorbeugen. Dazu gehören Sturzhosen, die im Oberschenkelhals-Bereich besonders schützen. Auch ein Sturzhelm oder Niederflurbetten oder Sturzmatten vor dem Bett können helfen. Im Rollstuhl ist eine Sitzhose nützlich, um jemanden am Herausrutschen zu hintern, ohne ihn »einzusperren«.

Vor einer Entscheidung werden die Verfahrenspfleger angehört, die sich ein Bild in der Einrichtung machen. Selbstbestimmung und Lebensqualität stehen dabei im Mittelpunkt, aber auch die möglichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Maßnahmen können maximal für ein Jahr angeordnet werden. Erforderlich ist auch ein Attest vom Hausarzt. Im Auge behalten muss man, dass Fixierungsmaßnahmen unbedenklich und auf ein Minimum beschränkt bleiben, und das muss auch dokumentiert werden. Auch eine Ruhigstellung durch Medikamente gilt als Fixierung.

Ohne richterlichen Beschluss, das machte Barbara Buschhorn deutlich, sei nichts möglich. Die Einrichtung stelle einen Antrag, worauf die Verfahrenspfleger aktiv werden. Alle Beteiligten bemühen sich dabei um schnelle Weiterleitung der Anträge und entsprechende Begutachtung, so dass im Idealfall alles innerhalb einer Woche geregelt sein sollte. Eine Ausnahme sei »Gefahr in Verzug«, dann könne man Maßnahmen ergreifen, aber auch sofort einen entsprechenden Antrag stellen.

Lisa-Nathalie Kutschmann vom Senioren- und Pflegestützpunkt des Landkreises Northeim erläuterte die Aufgaben der 2010 eingerichteten Anlaufstelle: Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung, Betreuungsverfügung – Fragen dazu können während der Sprechstunden im Kreishaus Northeim beantwortet werden. Sprechstunden gibt es mittwochs auch von 8.30 bis 12.30 Uhr im Neuen Rathaus in Einbeck, und das Team macht auf Anfrage auch Hausbesuche.ek