Waschbären auf dem Vormarsch

Hegering 3 der Jägerschaft Einbeck thematisiert das steigende Waschbär-Vorkommen

Bärige Bedingungen: Wälder, Teiche, hohle Bäume, offene Stallungen und Schuppen sind ideal für den Waschbär. Die EU hat ihn in Europa als unerwünscht erklärt, die eingedämmt werden soll.

Einbeck. Langfristig werden in Deutschland mehr als fünf Millionen Waschbären erwartet. Mit dem Vortrag »Ein Fall für die Falle« von Thomas Fuchs thematisierte der Hegering 3 der Jägerschaft Einbeck die daraus entstehenden Probleme für Artenschutz und Jagd. Der Waschbär ist auf dem Vormarsch. Laut Bundesamt für Naturschutz ist sein Besatz in Deutschland von zirka 25.000 im Jahr 1970 auf mittlerweile mindestens 1,3 Millionen angewachsen.

Weil immer mehr Waschbären aber immer größere Probleme für Amphibien, Kleinvögel, Spechte, Eulen, Greif- und Wasservögel, Fledermäuse, Echsen und Schlangen verursachen, fordern und fördern Naturschutzbehörden zunehmend eine stärkere Bejagung des putzigen Kleinbären.

Allein in den Jahren zwischen 1996 bis 2018 ist die bundesdeutsche Jagdstrecke von 3.349 auf 172.549 um das 51-fache gestiegen und die Europäische Union hat den gebietsfremden Einwanderer aus Nordamerika zwischenzeitlich als »unerwünscht« erklärt.

Dass sich der Waschbär auch in Südniedersachsen wohl fühlt, zeigt die Statistik des Landkreis Northeim. Vor fünf Jahren erlegten die hiesigen Jäger 1.316 Waschbären. 2017 waren es schon 1932. Für das zu Ende gehende Jagdjahr 2018 geht Kreisjägermeister Dietmar Grüning erneut von etwa 1.900 erlegten Exemplaren aus.

Anlässlich der Jahreshauptversammlung des Hegering 3 der Jägerschaft Einbeck erläuterte darum der Journalist und Revierpächter Thomas Fuchs in seinem Vortrag »Ein Fall für die Falle« wichtige Fakten zur weiteren Entwicklung der Bären. Gemäß langfristiger Analysen wächst ihre Population in Deutschland pro Jahr um etwa 26 Prozent.

Für die Neubürger gibt es hierzulande kaum nennenswerte Faktoren, die ihre Ausbreitung stoppen. Die jährlichen Verluste durch die Jagd liegen bei lediglich acht Prozent. Das bedeutet: Trotz Bejagung verdoppelt sich alle fünf bis sechs Jahre ihre Zahl. Experten wie der Diplom-Biologe Dr. Stefan Nehring vom Bundesamt für Naturschutz gehen davon aus, dass die bundesweite Jagdstrecke pro Jahr mindestens 600.000 Exemplare betragen müsste, damit die Waschbären effektiv reduziert würden.

Davon sind Deutschlands Jäger weit entfernt. Da Waschbären überwiegend nachtaktiv sind, reicht die Jagd vom Ansitz nicht aus. »Die Fangjagd ist deutlich effektiver«, sagt Thomas Fuchs. Nach Zahlen des Wildtier-Informationssystems der Länder Deutschlands (WILD), setzten 2016 nur 17 Prozent der ausgewerteten Jagdbezirke Fallen ein, trugen aber 40 Prozent der Jahresstrecke bei.

Prognosen des Bundesamtes für Naturschutz lassen erwarten, dass bis 2060 über fünf Millionen Waschbären in Deutschland leben werden und auf mehr als 70 Prozent der Bundesfläche stabile Besätze bilden könnten. Eine solche Entwicklung brächte erhebliche Probleme für den Artenschutz mit sich.

Waschbären fressen pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag etwa 45 Gramm Nahrung. Pro Bär entspricht dies etwa 225 Gramm am Tag und summiert sich auf mehr als 82 Kilogramm pro Jahr. Diverse Studien zeigen, dass sich der Waschbär die meiste Zeit hauptsächlich tierisch ernährt.

Im Herbst frisst er überwiegend Pflanzen, aber sonst Kriechtiere, Gelege und nimmt Bruthöhlen aus. In optimalen Habitaten verspeist ein Waschbär etwa zwölf Wirbeltiere pro Tag. Das entspricht 936 bis 1.092 Wirbeltieren pro Jahr. Für ein Gebiet wie den Müritz-Nationalpark bedeutet dies, dass die dort lebenden etwa 1.120 Waschbären pro Jahr rund 1.223.040 Amphibien fressen.

Dies entspricht laut Bundesamt für Naturschutz einem jährlichen Totalverlust von mehr als 500 Amphibien-Gewässern. Dazu gehören seltene Arten wie der Moorfrosch, die Gelbbauchunke oder die Ringelnatter. In der naturschutzfachlich sensiblen Zeit der Fortpflanzung und Aufzucht im Frühjahr fressen Waschbären überdies große Mengen Laich. Das senkt die Reproduktion bei den betroffenen Arten.

Die Menge des gefressenen Laichs ist bei Kotuntersuchungen nicht nachweisbar. So ist der Waschbär in Deutschland innerhalb weniger Jahrzehnte zu einem Hauptprädator für kleine Wirbeltiere aufgestiegen – mit akuten ökologischen Auswirkungen in den Gebieten, in denen er in hoher Dichte auftritt oder seine Beutetiere in einer kurzen Phase auf einem engen Raum konzentriert sind.

Die bisherige Maximal-Dichte in Deutschland beträgt in naturnahen Gebieten etwa sechs Exemplare pro Quadratkilometer. In urbanen Arealen können es durchaus schon mal bis zu 100 sein. Dies ist Kinderkram gegenüber Nordamerika, denn in ihrem natürlichen Vorkommensgebiet liegen beide Maximalwerte um das drei- bis vierfache höher: in naturnahen Gebieten leben dort zum Teil 18 bis 24 Waschbären pro Quadratkilometer und in Stadtgebieten zwischen 300 und 400.

Schon heute trägt der Waschbär dazu bei, dass Populationen lokal einbrechen – beispielsweise die der Europäischen Sumpfschildkröte. Sollten mehrere Millionen Waschbären Deutschland bevölkern, hätte dies für den Artenschutz unabsehbare Folgen und stellt die Bemühungen um den Erhalt vieler Arten vor enorme Herausforderungen.

»Wir werden weitere selten Arten verlieren, wenn wir mehr Prädatoren haben, als empfindliche Arten es verkraften«, sagt Thomas Fuchs. Verschiedene Naturschutzbehörden finanzieren deshalb schon länger die Jagd auf den Waschbären.

Die Naturschutzbehörde der Region Hannover bezuschusst seit 2015 die Jägerschaften Hannover Land, und aktuell in Neustadt/Rübenberge, Springe und Burgdorf mit bislang 80.000 Euro. Dies deckt zwar nicht ansatzweise die Kosten der Jäger für die zeitaufwändige Bejagung, ist aber ein wichtiger Ansatz für einen besseren Artenschutz und eine deutliche Anerkennung ihrer Leistung.oh