Wie das Einbecker Bier nach München kam

Export seit 1351 | Braumeister Elias Pichler heuert im Hofbräuhaus an | Reinheitsgebot von 1516

Einbeck. In den Hansischen Geschichtsblättern findet sich die älteste Nachricht über das Einbecker Bier: 1351 bezahlte die Stadt Hamburg zwei Pfund Geldes für ein Fass Einbecker Bier. Laut den Hanse-Rezessen trat die Stadt Einbeck im Jahr 1368 beim Hansetag in Wismar der Hanse bei. »Das gute Einbeckische Bier selbst wetzet und treibet den Urin vom Menschen mit großem Nutz. Und ist sonderlich denen so wegen des Steins Weh und Schmerzen fühlen heil ist befindet.

Dan dieses die Urin viel hefftiger als von anderm Bier zum Ausgang eilet und getrieben wird« schrieb der Chronist Johannes Letzner 1596 in seiner Einbecker Chronik. Ein Zeitgenosse Letzners, der Arzt Heinrich Knaust oder Knust, beschrieb das Einbecker Bier als »ein gesundes Getränk, weil es eine Mittel-Natur hat und nicht so sehr, wie andere Biere thun, den Leib der Menschen erhitzet. Und wiewohl dies Bier auch gut Nutriment giebt, dennoch werden die Leute nicht so gar feiste davon, gleich wie sie von andern Bieren wol werden.

Das Bier dringet leicht durch und erregt den harn, von wegen seiner Substanz, die nicht so starck ist, und von wegen des Hopfen. So steiget das Bier auch einem nicht zu Kopfe, wie die anderen obgemeldeten Biere thun, und ist deshalb allen andern Bieren im Sommer vorzuziehen.« Das Rezept für das alte Einbecker Bier lautet: zwei Drittel Gerstenmalz, ein Drittel Weizenmalz. Das Bier war obergärig und stark gehopft und sehr malzhaltig.

Dadurch wurde das Bier lange haltbar und konnte exportiert werden. Chronist Harland vermerkt: »Man bediente sich bei dem Brauen sogenannter Kerbhölzer, wahrscheinlich um darnach genau zu messen, wie weit das Bier eingekocht und wann es gahr war«. Das ist allerdings zu bezweifeln. Wie schon das Sprichwort »etwas auf dem Kerbholz haben« sagt, diente es dazu, die Anzahl von Warenlieferungen, gezahlte Abgaben oder eben auch Schulden mit Einkerbungen zu messen. Gebraut wurde von Martini (Anfang November) bis spätestens 1. Mai. Die Zutaten wurden in der Region angebaut.

Daran erinnern noch heute einige Flurnamen in der Umgebung. Einbecker Bier war und ist von hervorragender Qualität. Nur damals war es eben auch teuer. Schon für 1445/46 ist eine wütende Beschwerde aus Braunschweig über den hohen Einbecker Bierpreis überliefert: »Dat Embeckes beerd at were to dure (teuer). Me scholde dat mynner setten, dat arme lude ok Embeckes beer drinken konden, unde me scholde dem armen so ghut beer tappen alse deme riken«. Zwischenzeitlich wurde im April 1516 in Ingolstadt das Reinheitsgebot erlassen. Darin wurde unter anderem angeordnet, dass in »Städten, Märkten und auf dem Lande zu keinem Bier mehr Stücke als allein Gersten, Hopfen und Wasser verwendet und gebraucht werden sollen«. Damit ist das Reinheitsgebot das älteste noch existierende Verbraucherschutzgesetz.

In Einbeck allerdings wurde schon Jahrhunderte vorher nach immer gleichbleibenden Qualitätsregeln gebraut. Der hohe Preis des Einbecker Bieres führte letztendlich dazu, dass der Bierexport zurückging. Der Brand von 1540 und die Konkurrenz des preiswerten Broyhan-Bieres (siehe Artikel von letzter Woche) taten ihr Übriges. Dennoch – das Einbecker Bier blieb weiter hoch im Kurs: Als Herzog Erich der Jüngere 1545 heiratete, bestellte er 35 Fässer. Doch beim »Otto Normalverbraucher « kam der vergleichsweise hohe Preis nicht gut an. Im Ratskeller von Hannover wurde 1567 Verlust geschrieben: »Dat Beer is lygende geblewen unde suer geworden«. Wie bereits berichtet, dachten gute Kunden wie die Herzöge von Bayern schon länger über eine Alternative nach – und machten Nägel mit Köpfen: »Es war gewissermaßen ein geschichtlich entscheidender Moment, als der kurfürstliche Hof [in Bayern], der bei dem mangelhaften Zustande des damaligen Brauwesens in München seinen Bierbedarf aus Norddeutschland und Sachsen bezog, sich entschloss, im Jahre 1614 einen Einbecker Braumeister kommen zu lassen, um selbst im eigenen Hofbräuhaus Bier nach Einbecker Art brauen zu lassen. Nach zweijährigem Arbeiten konnte der Versuch als gelungen betrachtet werden. Dieses nach Ainpöckischer Art gebraute Bier gilt heute mit großer Wahrscheinlichkeit als der Urtypus des Münchener Bockbieres und damit des Münchener Bieres überhaupt« (W. Feise).

Um 1614/16 war es soweit: Obwohl die Einbecker Braumeister bei ihrem Leben auf die Geheimhaltung des Einbecker Bier-Rezeptes schwören mussten, konnte einer von ihnen dem unmoralischen Angebot nicht widerstehen. Elias Pichler gelang erstmals die Herstellung von Bockbier in München. Fairerweise muss man sagen, dass es nicht restlos geklärt ist, ob besagter Elias Pichler wirklich ein Einbecker Braumeister war. In der Literatur gibt es mehrere Versionen vom Verrat des Braumeisters. Einige davon sind ganz offensichtlich erdichtet, andere seriös. In der Publikation »München und sein Maibock« heißt es, Elias Pichler sei »dem Namen nach zweifellos auch ein Altbayer«.

Das ist allerdings ein eher schwacher Beweis. Schließlich lebten in Einbeck schon immer Menschen unterschiedlichster Herkunft. Im Hofbräuhaus-Kochbuch allerdings steht »Elias Pichler, Nachfolger der ersten Hofbräu-Braumeisters Heimeran Pongraz und kurzerhand aus Einbeck abgeworben, präsentiert Anfang 1614 das erste in München gebraute Bier ‘nach ainpockhischer Art’«. Auch das »ABC des Bieres« schreibt, dass »das dortige Hofbräuhaus 1614 den Einbecker Braumeister Elias Pichler abwarb«. Dabei taten sich die Bayern sehr schwer mit der korrekten Aussprache unserer Stadt. Mal hieß es im bayrischen Dialekt »Einpöcksch«, mal hieß es »Oambock « oder auch »Ainpöckisch«. Passend zum 500. Jubiläum des Reinheitsgebotes wird beim heutigen Hoffest des Einbecker Brauhauses original »Ainpöckisch Bier« ausgeschenkt.wk