»Wie eine Art Ameisenlauf«

Reger Drogenhandel, aber angeklagte Mengen nicht nachzuweisen

Einbeck. Sieben Monate Haft auf Bewährung, dazu 150 Sozialstunden für den einen Angeklagten, eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen für den anderen, diese Strafen hat das Schöffengericht gegen zwei junge Einbecker verhängt. Ihnen wurden unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmittel beziehungsweise Beihilfe dazu vorgeworfen. Nicht nachgewiesen wurden die ursprünglich angeklagte Menge beziehungsweise die Häufigkeit des Verkaufs.

Telefonprotokolle ließen auf Drogenhandel schließen

Die Staatsanwaltschaft hatte den Handel von 1,5 Kilogramm Marihuana angeklagt, wobei der eine der Beschaffer und der andere der Bunkerhalter beziehungsweise Läufer gewesen sein soll. Bei einer Durchsuchung wurden sowohl sogenannte Tickerlisten als auch Notizen zu den Einnahmen gefunden, und Telefonprotokolle ließen auf Drogengeschäfte schließen.

Der jüngere Angeklagte, 25 Jahre alt, räumte ein, mit dem 28 Jahre alten Mitangeklagten und anderen Beteiligten »ein wenig geraucht« zu haben. Die jetzigen Anschuldigungen, sagte der Angeklagte, führe er auf die Aussagen einer Zeugin zurück, der er nicht genügend Stoff überlassen habe. Deshalb sei sie sauer gewesen; sie habe sich mit ihrer Aussage rächen wollen. »Sie hat übertrieben, damit sie mich rankriegt«, vermutete er. »Eineinhalb Kilo habe ich noch nie in meinem Leben gesehen.« Den Kauf für den Eigenbedarf und gelegentlichen Verkauf räumte er ein, allerdings in deutlich kleineren Mengen.

Erinnerungslücken einer Zeugin

Die 30-jährige Zeugin beschrieb die beiden Angeklagten so, dass sie »durch dick und dünn gehen« würden. An ihrer früheren Aussage, auf deren Basis das Northeimer Amtsgericht einen weiteren Beteiligten inzwischen verurteilt hat, habe sie inzwischen Zweifel, räumte sie ein. Genaues wisse sie nicht mehr, sie sei »komplett durcheinander«. Die damaligen detaillierten Angaben zu Menge, Übergabe oder Transport konnte oder wollte sie so nicht wiederholen. Angesichts der Erinnerungslücken wurde zum zweiten Verhandlungstag sogar das Paket herbeigeschafft, um das es im Northeimer Verfahren gegangen war, »aber ich kann mich nicht daran erinnern«, beharrte sie.

Der 25-Jährige sei als Konsument von Be­täubungsmitteln bekannt gewesen, sagten Polizeibeamte, die als Zeugen befragt wurden. Aufgrund von Hinweisen habe man eine kurzfristige Oberservierung vorgenommen, und es habe sich bestätigt, dass er etwa vier bis sechs Personen pro Tag beliefert habe: Das sei »wie eine Art Ameisenlauf« bei ihm gewesen, wobei der ältere Angeklagte die Botenwege machen musste.

Dass gehandelt wurde, ließen weitere Zeugen außer Zweifel, »man« habe gehört, dass man bei dem 25-Jährigen etwas bekommen könne, zumal in guter Qualität. Die Kontaktaufnahme funktionierte über Whatsapp.

Während der 28-Jährige bislang ein unbeschriebenes Blatt war, fanden sich beim 25-Jährigen seit 2011 einige Strafeinträge: Betrug, Beleidigungen, Sachbeschädigungen und Hausfriedensbruch; Handel und Besitz von Betäubungsmitteln allerdings bisher nicht.

Die Staatsanwaltschaft sah nur drei der sechs angeklagten Taten als bestätigt an. So gebe es Unklarheit über die Menge des Rauschgifts. 1,5 Kilogramm könne man ausschließen. Von der verbleibenden Menge ziehe man den Eigenbedarf des Angeklagten ab. Eine Freiheitsstrafe von acht Monaten, verhängt auf Bewährung, dürfte eine hinreichende Warnung sein, diese Geschäfte künftig zu unterlassen. Der 28-Jährige habe nicht auf eigene Rechnung gehandelt, beide hätten aber dauerhaft zusammengearbeitet, so dass man eine Beihilfe sehe.

Die Verteidigung des 25-Jährigen war der Meinung, die Anklage habe sich so nicht bestätigt. Es sei nur von geringen Mengen die Rede. Vielmehr müsse man bei den ursprünglichen Anschuldigungen von einem Racheakt ausgehen. Zudem sei der Angeklagte geständig gewesen, und er habe sich seit 2016 nichts zuschulden kommen lassen. Eine Geldstrafe wäre ausreichend, der einzuziehende Gewinn liege höchstens bei 130 Euro. Auch die Verteidigung des 28-Jährigen sah die Anklage als nicht bestätigt an, es sei allenfalls von sehr geringen Mengen unter die Rede – Freispruch sei hier die Option.

Freiheitsstrafe zur Bewährung

Das Schöffengericht verhängte für den 25-Jährigen wegen Handels und Besitzes von Betäubungsmitteln in drei Fällen eine Freiheitsstrafe von sieben Monaten, ausgesetzt zur Bewährung. Außerdem wird sein mit 585 Euro angesetzter Gewinn aus den Geschäften eingezogen, er trägt die Kosten des Verfahrens und hat 150 Stunden gemeinnütziger Arbeit zu leisten. Der Mitangeklagte wurde zu 100 Tagessätzen zu je 15 Euro verurteilte.

Aussagen teilweise »grenzwertig«

Die Aussagen der Zeugen seien zum Teil widersprüchlich gewesen, das Aussageverhalten »gelinde gesagt grenzwertig«, so Richterin Sievert. Viele Angaben seien nur nach Hörensagen gemacht worden. Es sei allerdings von drei Fällen auszugehen. Auf Zeugen, Tickerliste sowie Chatprotokolle greife man da zurück. Der ältere Angeklagte habe ein »bisschen weiterverkauft«, 100 Tagessätze zu 15 Euro seien angemessen.ek