Wieder einmal vor lachenden Gesichtern spielen

Einbeck. »Danke, dass ich hier sein darf – auch wenn der Grund kein guter ist«, bedankte sich Tscharällo, der am Sonnabendvormittag das inzwischen schon zur guten Tradition gewordene Straßenkonzert auf dem Hallenplan gab. Seit fünf Wochen lädt die StadtpARTie dazu ein, um auf die Notlage von Musikern und Künstlern aufmerksam zu machen. Für sie gelte, so Christian Serfati in seiner Begrüßung, »Alarmstufe Rot«. Deshalb solle die Aktion dafür sorgen, kulturelle Vielfalt zu erhalten, denn freischaffende Künstler seien derzeit wegen der Absage von Veranstaltungen existenziell gefährdet. Sie seien auf Konzerte und Auftritte angewiesen, und die seien derzeit für sie kaum möglich. Umso wichtiger sei es, dass die StadtpARTie, gemeinsam mit zahlreichen Unterstützern, eine solche Auftrittsmöglichkeit bieten könne. »Einfach Musik machen«, das sei der Grund, warum er hier sei, so Rapper, Musiker, Poetry-Slammer Tscharällo aus Göttingen. Gesang zu Ukulele und Keyboard, mit dem er sich während des Corona-Lockdowns intensiv beschäftigt hat, und Spontanität sind seine Stärken, die stellte er eindrucksvoll unter Beweis: als er einem über den Hallenplan fahrenden Hochzeitspaar ein Liebeslied hinterher schickte, bei eigenen Stücken wie seiner ersten Single »Bilderbuchdenken« – »... durchschaubar wie die Berliner Mauer, verständlich wie Stochastik ...« – oder bei Rap-Covern wie »Schlafentzug«, weshalb er »wütend wie ein Pinguin« werden kann. Die entspannte Sonnabendmorgen-Situation auf dem Hallenplan konnte er mit ruhigen, sentimentalen Stücken aufgreifen, etwa mit »Anders schön«, einem Coversong des Rappers Fabian Römer. Mit einem Text des Autors und Kabarettisten Serdar Somuncu wies er pointiert auf die aktuelle Situation der Kulturbranche hin: »Corona tötet Kultur«, heißt es darin. Man hoffe auf ein baldiges Ende dieses Alptraums, der eine ganze Branche zugrunde gehen lasse. Manchem gehe dabei die Puste aus.

Die Lufthansa habe neun Milliarden Euro bekommen – und Kulturschaffende würden immer noch für lebensfremde Hallodris gehalten, die was Ordentliches hätten lernen sollen. Die Zeit nach Corona, warnte er, könne so aussehen: kein Kino, kein Theater, kei- ine Comedy, kein Zirkus, kein Kabarett. Allen, die denken würden, Künstler lebten wie Maden im Speck, sollte man diese Situation mal zumuten müssen. Künstler seien die Nutten der Anspruchslosigkeit. Dabei wollten doch alle lachen, lieben, weinen und leben. Man brauche eine schnelle Lösung – sonst sei Schluss mit lustig und auch mit Ernst.

Er freue sich, betonte Tscharällo, dass er wieder einmal vor Menschen spielen und in lachende Gesichter schauen könne. Für das Freestyle-Ende des Konzerts hatten die Mitglieder der StadtpARTie während des Auftritts Wörter beim Publikum gesammelt. Zwei Themen, »Tanzen« und »Festival«, kamen auf Zuruf, und aus diesen Bestandteilen schuf der Göttinger einen leichten Mix, der auch spontanen Szenenapplaus erhielt. Für mögliche ausfallende Worte entschuldigte er sich charmant: »Der Reim geht vor.« Das Publikum machte begeistert mit: »Ich sage «Ein”, ihr sagt «beck”«, das klappte auf Anhieb.

Dass die Zuschauerzahl diesmal nicht so hoch war wie an den vergangenen Sonnabenden, lag vermutlich an der großen Hitze. Viele erledigten Einkäufe schon in den kühlen Morgenstunden und verzichteten diesmal auf den Besuch auf dem Hallenplan, gern in Verbindung mit einem Kaffee oder einer Erfrischung. An das Dankeschön von Annett Steinberg von »StartpARTie« an den »Meister des Wortes« schloss sich die Ankündigung für das nächste Konzert: wieder am Sonnabend ab 11 Uhr, aber etwas ganz anderes – es wird rockig.ek