Zirkus Charles Knie steht vor schweren Zeiten

Tourneestart kurz vor der Premiere in Northeim abgesagt | Erstmal zurück ins Winterquartier

Einen sensationellen Auftritt zeigte Diorios Team mit der Motorradkugel, dem Splitting Globe, beim letztjährigen Charles-Knie-Gastspiel in Einbeck. Darüber hätten die Besucher auch diesmal wieder staunen können. Nach der Absage des Saisonstarts sind die Artisten jetzt erst einmal im Winterquartier in Volksen – voraussichtlich ab 16. Mai soll die Tournee dann in Alfeld beginnen. »Es ist alle ganz furchtbar und ein großer Schock für uns.« Sascha Melnjak, Direktor des Zirkus Charles Knie, ringt um Worte. 

Volksen. Mitte März sollte die diesjährige Tournee auf dem Northeimer Mühlenanger starten. Dort war bereits das große Zelt aufgebaut worden, eine Zeltstadt drumherum. Vor der Premiere hat noch eine gelungene Generalprobe stattgefunden, aktuell gültige Auflagen wurden erfüllt, unter anderem die Verringerung der Besucherzahl auf unter 1.000 Gäste pro Vorstellung – und Freitagvormittag kam die behördliche Anordnung: Die Situation habe sich rapide verschlimmert, es gab neue Auflagen, und der Tourneestart musste wegen der Coronavirus-Krise und der damit verbundenen Infektionsgefahren abgesagt werden.

»Das bedeutet, dass unsere Einnahmen derzeit bei Null liegen«, stellt Sascha Melnjak im Gespräch mit der Einbecker Morgenpost fest. »Das ist im Moment richtig schlimm für uns.« Statt in Northeim zu spielen und anschließend die Gastspiele in Hannover und weiteren Orten in Norddeutschland fortzusetzen, hat der Zirkus in Northeim abgebaut und ist ins Winterquartier nach Volksen gezogen. Viele der mehr als 80 Mitarbeiter konnten »gerade noch so« nach Hause, darüber ist der Direktor sehr froh. Es gab beispielsweise noch Flüge nach Rumänien und in die Ukraine. Etwa 20 Artisten und andere Mitarbeiter sowie das neue Ballett aus Südamerika mit sieben Tänzerinnen und Tänzern sowie zwei Trainern sind noch vor Ort. In diesem Fall werde man mit den Botschaften Kontakt aufnehmen, kündigt der Zirkuschef an. Für andere, etwa die Motorradartisten, die ihren Wohnsitz teilweise in Italien hätten, sei die Situation derzeit aussichtslos. Und auch Alexander Lacey mit seiner Raubtiergruppe sei noch vor Ort, ebenso das Stammpersonal.

Für alle, stellt er fest, sei die Lage derzeit »ganz, ganz, ganz schwierig«, und dabei blickt er insbesondere auf die finanzielle Seite: Nach dem Ende der letzten Saison wurde von Januar bis März ganz viel investiert. Die Einnahmen aus den ersten Spielorten wurden dringend gebraucht. Wie es jetzt weitergeht? Darauf hat er noch keine Antwort. Vielleicht kann Kurzarbeit angemeldet werden. Irgendwie müsse es eine Lösung geben, denn wenn das über Monate so weitergehe, das sei nicht auszuhalten.

Abgesagt sind die nächsten Gastspiele bis in den Mai hinein. Am 16. Mai soll es in Alfeld weitergehen. Darauf hofft Sascha Melnjak. Aber über allem, räumt er ein, steht ein großes Fragezeichen: Läuft die Saison überhaupt noch? Dazu hat er sich auch mit seinen Kollegen aus dem Münchner Zirkus Krone ausgetauscht. Und wenn das Leben wieder »normal« verläuft, gehen dann alle sofort wieder in den Zirkus? Welche Auswirkungen wird es auf längere Sicht geben? Da ist der Zirkuschef noch skeptisch, ob es dann unbedingt gleich wieder losgeht, auch wenn alle den Zirkus noch so sehr lieben würden.
Diese Situation sei einfach fatal, er hätte nie gedacht, dass so etwas mal eintreten würde, stellt er fest. »Man baut als Unternehmen darauf, dass das Geld reinkommt, wenn man damit rechnet.«

Als eine Notmaßnahme kündigt er an, dass alle Fahrzeuge des Zirkus’ vorübergehend abgemeldet werden. Mit dieser Notbremse könne man einige tausend Euro sparen – ganz wichtig in Zeiten, in denen man auf jede Ausgabe genau gucken müsse, um den Fortbestand des Betriebes zu sichern. Auch der Kraftfutterlieferant habe ein Entgegenkommen angekündigt.

Gut, und damit wendet er sich an die Besucher, die bereits Karten hatten, wäre es zudem, wenn man das Geld für die bereits erworbenen Tickets nicht zurückzahlen müsste, sondern wenn das Publikum sich für Gutscheine entscheiden würde. Sie sind drei Jahre gültig. »Das haben viele schon gemacht, und das hilft uns sehr. Dafür sind wir sehr dankbar«, betont er.

Er habe das, und das fällt ihm schwer, in seinem Berufsleben noch nie gebettelt, aber eine Bitte geht auch an Landwirte, die Heu und Stroh günstig abgeben könnten: Über entsprechende Angebote würde sich der Zirkus sehr freuen, denn auch da gibt es für die Versorgung der Tiere dringenden Bedarf.

Das gegenwärtige Schicksal treffe natürlich viele Bürger und auch Unternehmen, weiß Sascha Melnjak. Er hofft, dass die Krise schnell überwunden werden kann und dass es doch noch einen guten Tourneeverlauf 2020 für den Zirkus gibt.ek