Zirkus mit Leidenschaft und Herzblut
Zirkusdirektor Sascha Melnjak führt das mittelständische Unternehmen durch die Krise
Volksen. Mit viel »Liebe, Leidenschaft und Herzblut« ist Sascha Melnjak Zirkusdirektor. Selbst die Herausforderungen, die die Corona-Pandemie für seinen Charles-Knie-Zirkus mit sich bringt, nimmt er an – mit viel Optimismus und einem Lächeln.
Der Zirkus Charles Knie ist in den vergangenen Jahren zu einem der beliebtesten Groß-Zirkusse Europas aufgestiegen. Jährlich werden eigentlich ungefähr 50 Städte in Deutschland bereist. Mit fast 100 Mitarbeitern, vielen Tieren und Fahrzeugen ist der Zirkus in normalen Zeiten unterwegs. Die letzte Zirkus-Vorstellung konnten die Artisten am 6. Januar 2020 beim Heilbronner Weihnachtscircus abliefern – seitdem fehlt der Applaus. Am 13. März des vergangenen Jahres wollte Charles Knie mit der Premiere in Northeim in die neue Tournee starten, aber auch das war schon nicht möglich. Künstler und Artisten reisten in ihre Heimatländer. Zunächst dachte Melnjak, dass der Spuk bald vorbei sei, aber dem war nicht so.
Melnjak legte die Hände nicht in den Schoß, entwickelte neue Konzepte. Im vergangenen Sommer organisierte er das Circus-Land samt Sommer-Varieté. »Jeder Tag war gut besucht«, freut sich der Stuttgarter. Davor wurden bereits die Kosten des mittelständischen Unternehmens reduziert, Fahrzeuge wurde abgemeldet, Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt. »Kurzarbeit kannte ich gar nicht.«
Winter-Wunderland und Winter-Varieté waren kurz vor dem Start, als wieder alles abgesagt werden musste. »Das war schon sehr bitter.« Viel Arbeit haben Melnjak und seine wenigen Mitarbeiter in die winterliche Veranstaltungsreihe gesteckt. Allein für die Beleuchtung des Zirkusgeländes wurden mehr als eine Million kleine LEDs angeschafft, die in grauer Winterzeit für eine atemberaubende Lichterstimmung auf dem Firmensitz sorgten. Auch wenn eigentlich Zirkus Melnjaks Metier ist, die neuen Veranstaltungsideen kamen gut an bei den Besuchern. Sein Vorteil sei, dass er nicht aus einer Zirkusfamilie stamme und so einen anderen Blick – auch auf die Zahlen – habe, so der gelernte Groß- und Außenhandelskaufmann. Er macht »Zirkus, wie ihn die Menschen gut finden.« Mit viel Leidenschaft und Herzblut habe er die Winter-Aktionen vorbereitet und sei leider das zweite Mal auf die Nase gefallen.
Auch in diesem Jahr ist keine Tournee möglich, »das ist alles zu ungewiss«. In normalen Zeiten bereist der Zirkus von März bis November rund 50 Städte. Eine verkürzte Gastspielreise lohne sich wirtschaftlich nicht, sagt Melnjak und untermauert das mit Zahlen: Jeden Tag benötige man 1.00 bis 1.200 Besucher, um auf der sicheren Seite zu sein. Wenn im großen Zirkuszelt nur jeder zweite oder dritte Platz besetzt werden kann, dann rechne sich das nicht. Allein die Stromkosten liegen bei 800 Euro am Tag. Das wirtschaftliche Risiko ist zu hoch, und so zieht das Unternehmen in diesem Jahr nicht durch die Lande. Zum Glück fühlen sich alle, die noch da sind, sehr wohl im Winterquartier in Volksen. Grenzenlos optimistisch gewinnt Melnjak der Zwangspause sogar Gutes ab – man habe etwas entschleunigen können.
Erst, wenn man wieder zur Normalität zurückgekehrt sei und ohne Einschränkungen reisen könne, werde es die nächste Tournee geben. Der Zirkusdirektor hofft auf das kommende Jahr. Die Gastspielorte stehen bereits fest, Start ist am 11. März 2022 mit der Premiere in Einbeck. Gestartet seien bereits die Vorbereitungen für den Heilbronner Wintercircus. »Der Zuspruch ist bombig«, freut sich Melnjak.
Überleben konnte das Unternehmen auch dank der Überbrückungshilfen vom Staat »Das hat schon sehr geholfen.« Melnjak sagt, dass er froh sei, in Deutschland zu leben.
Zwölf Mitarbeiter arbeiten derzeit noch auf dem Gelände und versorgen die rund 60 Tiere wie Pferde, exotische Rinder, Dromedare, Lamas, Kängurus und Zebras. Zurzeit sind die Mitarbeiter damit beschäftigt, die Holzhütten, ausgeliehen vom Heilbronner Wintercircus, wegzuräumen. Für Blütenpracht sollen im Sommer die Pflanzen sorgen, die in Vorbereitung der neuen Sommersaison jetzt angeschafft wurden.
Seinen Optimismus behält der Zirkusdirektor, dem bereits seit dem sechsten Lebensjahr bewusst ist, dass er genau diesen Beruf leben will. Innerhalb von vier Wochen könne man den Sommer-Freizeitpark öffnen und das Sommer-Varieté auf die Beine stellen - diesmal auch wetterunabhängiger in einer überdachten Halle. Melnjak verspricht schon jetzt Überraschungen wie tanzende Wasserfontänen. Er hofft auf schöne Wochen im Sommer – mit vielen Besuchern in Volksen.sts