Zum jüdischen Neujahrstag:

Ein gutes und süßes Jahr

Einbeck. Wenn uns jemand an diesem Donnerstag »ein gutes Jahr« oder sogar »ein gutes und süßes Jahr« wünschen würde, dann wären wir vermutlich ziemlich verblüfft. Aber dieser Tag ist in diesem Jahr nach dem Jüdischen Kalender das Neujahrsfest, hebräisch Rosch Haschana, der Tag, an dem das Jahr 5771 der jüdischen Zeitrechnung anfängt. Weil dem jüdischen Kalender eine andere Berechnung des Jahres zugrunde liegt als dem gregorianischen, wechselt das Datum des Neujahrstages von Jahr zu Jahr, aber er liegt immer im September oder Oktober.

Rosch Haschana ist ein ernster Feiertag, an dem an den Bund Gottes mit Israel erinnert wird. Er dient dazu, dass der Mensch Rechenschaft über sein Tun im vergangenen Jahr ablegt und sich die sittliche Verpflichtung ins Gedächtnis zurückruft, gut zu handeln und sich vom Bösen abzuwenden. In Gebeten um Verzeihung und mit Bitten für eine gute Zukunft wenden sich die Menschen in dieser Zeit der Rückbesinnung und Reue an Gott. Nach zehn Tagen findet diese innere Einkehr ihren feierlichen Abschluss in Jom Kippur, dem Großen Versöhnungstag.

Rosch Haschana ist der Tag des Posaunenschalls. Eine besondere Posaune, das Widderhorn Schofar, wird während des Gottesdienstes immer wieder geblasen. Der mächtige Ton des Schofar ruft die Gemeinde nicht nur zu innerer Einkehr auf, sondern bringt ihr auch wesentliche religiöse Ereignisse wieder in Erinnerung. Um nur einige zu nennen: die Schöpfung der Welt, die Offenbarung am Sinai, Abrahams Gehorsam, das Weltengericht, die Auferstehung der Toten.

Als Frau Dr. Heege und ich vor einigen Jahren in der Einbecker Partnerstadt Keene an einem Holocaust-Seminar teilnahmen, lud uns der Rabbiner spontan ein, mit ihm die dortige Synagoge zu besuchen. Er blies für uns den Schofar. Diesen durchdringenden Ton werden wir nicht vergessen.

Zum Abschluss noch etwas zu dem Neujahrswunsch für »ein gutes und süßes Jahr«. Es bleibt an diesem Tag nicht bei dem Wunsch allein, sondern mit dem traditionellen Genuss von Honigkuchen, Weintrauben, süßem Wein und in Honig getauchten Apfelscheiben kostet man schon ein wenig von der Hoffnung auf »ein gutes und süßes Jahr«.

Inga Hüttigoh