Zwei Stunden online am Tag im Schnitt

Zahl der Exzessiv-Nutzer liegt bei zehn Prozent / Eltern sollen auf Signale achten

Viele Jugendliche sitzen jeden Tag mehrere Stunden vor dem Computer. Für sie ist das Internet nicht nur Informationsquelle, sondern auch Kommunikationsplattform Nummer Eins. Mehr als zwei Drittel aller Zwölf- bis 19-Jährigen haben einen eigenen Rechner, mehr als die Hälfte verfügt über einen eigenen Internetzugang und verbringt dort im Schnitt etwa 120 Minuten täglich. »Gleichzeitig mehren sich die Meldungen, dass manche Jugendliche, insbesondere Jungen, zu einer extremen Nutzung des Computers neigen. Sie verbringen ihre Zeit vor allem mit Spielen in virtuellen Welten«, warnt Barmer-GEK Landeschefin Dunja Kleis. Die Zahl der Computer spielenden Exzessiv-Nutzer unter Jugendlichen liegt laut Stiftung Medien- und Online-Sucht bei zehn Prozent. Das heißt, jeder zehnte junge Mensch verbringt fünf Stunden am Tag im Netz.

Einbeck. Bis heute gibt es keine wissenschaftlich gesicherte Definition davon, wo eine problematische beziehungsweise krankhafte (pathologische) Internetnutzungbeginnt. Ungeklärt ist auch, ob es eine echte Computer- oder Internetsucht gibt, vergleichbar mit der Abhängigkeit etwa von Alkohol, Drogen oder dem Glücksspiel. Fachleute sehen jedoch Ähnlichkeiten zwischen einer extremen Computernutzung und den bekannten Süchten.

Beschrieben wird ein fortschreitender Verlust der Fähigkeit, Häufigkeit und Dauer zu begrenzen. »Ob jemand zu viel online ist, bemisst sich aber nicht durch die bloße Stundenzahl im Internet. Problematisch wird es dann, wenn PC und Internet zur Flucht aus einem bedrückend empfundenen Alltag dienen und die Nutzer Maß und Kontrolle verlieren«, sagt Kleis.

Die Organisation »Hilfe zur Selbsthilfe bei Onlinesucht« (HSO) hat eine Liste von Verhaltensweisen zusammengestellt, die Eltern anzeigen können, ob ihr Kind Computer und Internet in problematischer Weise nutzt: Die Kinder nehmen nicht mehr an Freizeitaktivitäten teil, die nichts mit einem PC zu tun haben. Sie können sich nicht vom PC lösen und schieben auferlegte Aufgaben ständig auf. Sie möchten nicht mehr an gemeinsamen Mahlzeiten teilnehmen und essen lieber vor dem PC. Exzessives Onlinesein führt dazu, dass sich die Jugendlichen im wirklichen Leben isolieren. Es können sich Anzeichen einer Depression entwickeln. Die suchtförmige Internetnutzung kann auch die Folge depressiver Grundstörung sein.

Sohn oder Tochter sind ständig müde und lustlos. Sie fallen in den schulischen Leistungen plötzlich ab, sind häufig krank und meiden den Schulbesuch. Sie vernachlässigen deutlich die Körperhygiene. Sie haben keine Freunde oder Freundinnen mehr, die zu Besuch kommen, und üben keine anderen Hobbys mehr aus. Sie nehmen nur noch widerwillig an Aktivitäten der Familie teil, der Computer ist wichtiger. Sie reagieren zunehmend aggressiv, wenn sie am Computer gestört werden.

Der »Medienpädagogische Forschungsverband Südwest« hat in einer Studie festgestellt, dass nur ein Viertel der Eltern bei der Auswahl von Computerspielen beziehungsweise von besuchten Internetseiten – chats, blogs, communities – mitredet und entscheidet. Außerdem spricht nur ein Drittel der Eltern Zeitbeschränkungen für die PC- und Internetnutzung aus und achtet darauf, dass diese eingehalten werden. »Der erste Schritt für Eltern sollte deshalb darin bestehen, hinzuschauen und sich dafür zu interessieren, womit Sohn oder Tochter die vielen Stunden vor dem PC verbringt«, empfiehlt Kleis.sts