Zweiräder, soweit das Auge reicht

PS.Depot Motorrad eröffnet in der Bismarckstraße | Mit 800 Motorrädern Gang durch 130 Jahre Geschichte

Motorräder, Motorräder, Motorräder – nach Marken geordnet, innerhalb der Marken nach Baujahren: Im Depot können sich Zweirad-Fans beeindrucken lassen.

Beeindruckend, erstaunlich, überwältigend: Wer das PS.Depot Motorrad betritt, sollte sich auf Unerwartetes einstellen. Mehr als 800 Motorräder auf drei Etagen – das müssen Auge und Verstand erst einmal aufnehmen. Und dann können die Besucher eintauchen in Mobilitäts-Historie auf zwei Rädern. Das Depot ist ab diesem Wochenende für Besucher geöffnet, der Zugang erfolgt in kleinen Gruppen vom Besucherzentrum Schusterstraße/Altendorfer Tor aus; die offizielle Eröffnung wird am kommenden Wochenende im Zusammenhang mit dem Bikertag stattfinden.

Einbeck. Auf 3.500 Quadratmetern sind 130 Jah­re Motorradgeschichte versammelt. Von den Anfängen könne man sich bis in die Neuzeit vorarbeiten, so Stephan Richter, Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Nach der Eröffnung des Kleinwagendepots Ende Juli und der Lanz-Wirtschaft Anfang August ist die Öffnung des PS.Depots Motorrad nun ein weiterer Schritt im coronabedingt gestreckten Eröffnungs-Marathon die­ses Sommers; der Schlussspurt und Höhepunkt wird die Eröffnung des PS.Depots Automobil am ersten September-Wochenende sein. Damit ist dann fast die gesamte Sammlung von Stifter Karl-Heinz Rehkopf zu sehen. Mit der Hauptausstellung und den Depots verfügt der PS.SPEICHER über die größte zugängliche Sammlung historischer Fahrzeuge in Europa.

Geschäftsführer Lothar Meyer-Mertel stellte fest, die Umsetzung der Planungen sei ein ganz schöner Ritt gewesen – nun könne man starten, bevor am kommenden Wochenende Motorrad-Weltmeister Toni Mang zur offiziellen Eröffnung komme. Neben den Ausstellungs­stücken gebe es im Haus noch rund 200 Fahrräder und Fahrräder mit Hilfsmotor; diese Sammlung werde aber nicht zu sehen sein, denn mit dem RadHaus im Stadtmuseum gebe es schon ein gutes Museum in Einbeck.

Er vergesse immer wieder, dass er sich eigentlich zurückziehen wollte, schmunzelte Stifter Karl-Heinz Rehkopf. »Sie werden Ihren Augen und Ohren nicht trauen«, versprach er den Journalisten, die das Haus bereits besuchen durften. »Lassen Sie sich überraschen!« Mit fast 84 Jahren, fuhr er fort, sei es Zeit für eine öffentliche Beichte: Als Zwölfjähriger durfte er bei seinem Onkel erstmals Lanz fahren und den Opel P4 des Vaters in die Dorfwerkstatt chauffieren. Mit 14 hatte er genügend gespart für ein Motorrad, eine Victoria, und die sei er, zwei Jahre früher als erlaubt, auch gefahren, was vermutlich verjährt sei. Auf einer 100-Kubik-Victoria hatte Rehkopf auch Platz genommen, er verriet einen Trick, wie man damit noch lässiger wirkte: so auf die Pedale treten, dass sie wie Fußrasten aussahen.

Der Kurator Motorrad, Andy Schwietzer, erläuterte, was die Besucher erwartet. Man habe bewusst einen Kontrapunkt zum PS.SPEICHER gesetzt. »Hier spielen Marken und technische und optische Trends eine Rolle.« Technikgeschichte werde hier, so Schwietzer, in vier Phasen gezeigt. Vor dem Ersten Weltkrieg ging es um die reine Funktion. In den 1920er Jahren lag der Schwerpunkt auf dem Wettbewerb der Konzepte. In den 30ern wurde an der Vervollkommnung gearbeitet, und nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Trends getrieben von Marketing, Technik und Design.

Der Besucher sieht das Ur-Motorrad, den ersten Boxer von Carl Benz von 1897, die Bearbeitung von Douglas 1925, eine Blaupause für die BMW von 1926, er erlebt, dass es niemals nur eine Lösung gab, sondern Vielfalt, bei der man auch voneinander abguckte. Die Fahrzeuge sind nach Marken sortiert, von Adler bis Zündapp, innerhalb der Marken nach Baujahren. Spezialisten, die auch mal nachvollziehen wollen, wie der Ventildeckel eines Modells über die Jahre seine Form veränderte, werden ebenso Freude haben wie alle, die selbst einmal gefahren sind und ihr altes »Schätzchen« wiederfinden, und wie alle Zweirad-Fans, die über die immense Bandbreite staunen wollen.

Das Kellergeschoss wird dominiert von internationalen Marken: Italienern, Japanern, aber auch den Harleys. Dabei wird ebenfalls nach Nationalitäten, nach Marken und nach Baujahren sortiert. Alle Stockwerke sind über einen Fahrstuhl barrierefrei zu erreichen.

Untergebracht ist das Motorraddepot in der ehemaligen denkmalgeschützten Tapeten­fabrik in der Bismarckstraße. Eine kleine Sonderausstellung, unterstützt von den Förderfreunden, beleuchtet die Geschichte des Unternehmens. Tessa Stahnke und Johann Seevers, beide FSJler Kultur bei der Kulturstiftung Kornhaus, haben sich damit beschäftigt. Mehr als 100 Jahre wurden in dem Gebäude Tapeten gedruckt. Dazu sind neben den Tapeten auch Formstecher-Walzen und -Werkzeug zu sehen. »Wir könnten morgen anfangen zu drucken«, damit verwies Karl-Heinz Rehkopf darauf, dass die beiden historischen Maschinen wieder laufen würden. Mehr als 1.000 originale Druckrollen und Muster­bücher sind zu sehen.

Das PS.Depot kann nur im Rahmen einer begleiteten Tour in vorgegebenen Zeitfenstern besucht werden. Die Gruppengröße ist – coronabedingt – zunächst begrenzt auf zehn Personen. Eine vorherige Reservierung wird empfohlen. Bei steigender Nachfrage können die Zeitfenster angepasst werden. Zeitfenster werden dienstags bis freitags von 11 bis 15 Uhr sowie sonnabends und sonntags von 10 bis 16 Uhr angeboten. Start ist jeweils im Besucherzentrum im PS.Depot Kleinwagen. Gefördert wird das Projekt durch Mittel aus dem Europ. Fonds für Regionale Landesentwicklung (EFRE) durch die Förderbank des Landes Niedersachsen.ek