»Mist« gemacht mit Alkohol und Gruppendruck

Kreienser bekommt ein Jahr und acht Monate auf Bewährung für räuberische Erpressung und Sachbeschädigung

Im zweiten Anlauf hat das Amtsgericht Einbeck jetzt ein Urteil gefällt über Vorfälle am 11. Februar 2017 in Kreiensen. Ein heute 56-Jähriger wurde wegen räuberischer Erpressung und Sachbeschädigung zu einem Jahr und acht Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt, außerdem hat er 80 Stunden gemeinnütziger Arbeit abzuleisten, und er trägt die Kosten des Verfahrens.

Einbeck/Kreiensen. Das Schöffengericht hatte Mitte April bereits verhandelt, das Verfahren aber dann ans Landgericht abgegeben. Von dort wurde es nun erneut in die Zuständigkeit des Amtsgerichts zurückgeführt. Die Anklage warf dem Kreienser vor, dass er an jenem Abend mit zwei bisher Unbekannten um 20.50 Uhr in eine fremde Wohnung eingedrungen sei. Die Tür wurde mit einem Kuhfuß geöffnet; im Schlafzimmer überraschten sie den Bewohner mit »Moskau Inkasso« und der Forderung, bis zum nächsten Mittag 4.000 Euro zu beschaffen. Der Wohnungsinhaber sagte aus, er habe sich durch die Situation bedroht gefühlt. Geschlagen und leicht verletzt wurde er außerdem. Er hat nicht gezahlt, sondern die Polizei verständigt.

»Ich hab’ ja nichts gemacht«, darauf zog sich der Angeklagte in einer ersten Stellungnahme zurück. »Gar nicht nichts gemacht haben Sie vielleicht nicht«, versuchte Amtsgerichtsdirektor Thomas Döhrel den Angeklagten zum Reden zu bringen. Er wisse nur, ließ sich der Kreienser über seinen Verteidiger Hans-Ulrich Elsaesser ein, dass in einer Gruppe getrunken wurde. In der fremden Wohnung sei er gewesen, vor allem deshalb, weil er seinen Hund zurück haben wollte, den er dem Geschädigten verkauft habe und der dafür noch nicht gezahlt hatte. Das Gleiche galt für ein Fahrrad und Hilfe beim Umbau einer Praxis.

Die Staatsanwaltschaft brachte angesichts der Situation, dass Aussage gegen Aussage stehe, eine Verständigung ins Spiel. Eine geständige Einlassung des Angeklagten wäre von Vorteil, unterstrich auch der Richter. Vom Angeklagten wolle man ein vollumfängliches Geständnis hören. Er wolle nicht ausschließen, so der 56-Jährige, dass er mit dem Kuhfuß in die fremde Wohnung eingedrungen sei und auch den Hund mitgenommen habe.

Weiteres Thema war die Schuldunfähigkeit, wozu die Rechtsmedizinerin ein detailliertes Gutachten abgab. Eine in der Nacht erfolgte Blutprobe ergab einen Alkoholgehalt von 2,61 Promille. Da der Angeklagte einräumte, er habe ab mittags gezecht – mindestens zehn Bier, dazu Kräuterlikör –, könne er zur Tatzeit bis zu 3,83 Promille gehabt haben, so die Gutachterin. Einsichts- und Steuerungsfähigkeit seien damit eingeschränkt, jedoch nicht komplett, denn es sei eine Gewöhnung an Alkohol anzunehmen. Verminderte Schuldfähigkeit sei nicht auszuschießen. Die Erinnerungslücken seien »alkoholtypisch«.

Die Verfahrensverständigung sehe nach einem Geständnis einen vorbestimmten Strafrahmen vor, erläuterte die Staatsanwaltschaft. Die Aussagen hätten die Anklageschrift bestätigt: Es liege räuberische Erpressung vor. Da der Angeklagte allerdings erheblich alkoholisiert gewesen sei, »eigentlich völlig komatös«, könne man von Gewohnheit ausgehen. Er habe eine Drohkulisse aufbauen wollen. Für ihn spreche das Geständnis, gegen ihn allerdings 17 Voreinträge. Das sei eine »gewisse Justizkarriere«, wenngleich es seit 2009 keine neuen Einträge gegeben habe.

Er halte, so der Staatsanwalt, eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten, ausgesetzt zur Bewährung, für angemessen. Das Verhalten des 56-Jährigen vor Gericht sehe er positiv. »Wir wollen Ihr Leben nicht kaputtmachen, indem wir Sie in den Knast schicken.« Eine Bewährungsfrist von vier Jahren sei angemessen, außerdem 100 Stunden gemeinnütziger Arbeit.
Sein Mandant sei bereit gewesen, die Taten einzuräumen, betonte der Verteidiger. »Das war Mist, das durfte so nicht passieren«, so habe er das kommentiert. Der Angeklagte habe nur wenig Geld, dennoch hätte er seine Forderung nicht auf diese Weise umsetzen dürfen. Er werde sich das zu Herzen nehmen, war er sicher, und der Kreienser bestätigt das: »Das wird nicht wieder vorkommen.«

Gemeinschaftliche Sachbeschädigung und räuberische Erpressung sah das Schöffengericht als erwiesen an. Das Urteil lautete auf ein Jahr und acht Monate Haft, ausgesetzt auf drei Jahre auf Bewährung. Außerdem sind 80 Stunden gemeinnütziger Arbeit zu leisten. Eine Verständigung in einem Strafprozess klinge schmutzig, führte Amtsgerichtsdirektor Thomas Döhrel aus. Der Rechtsstaat wolle sich damit aber nicht angreifbar machen, sondern man könne feststellen, dass maßgebliche Faktoren der Tat aufgeklärt wurden, die äußeren Umstände ebenso wie die Schuldfähigkeit. Man habe ein Geständnis des Angeklagten erhalten und befinde sich völlig auf dem Boden des Gesetzes – obwohl oder weil man eine Verständigung erzielt habe, im vom Gesetzgeber vorgesehenen Rahmen.

Bereits im Lauf des Tages habe sich der Angeklagte mit Leuten, die er gar nicht richtig kannte, darunter zwei gänzlich Unbekannte, »die Hucke vollgesoffen«. Dabei erzählte er von »Zoff« mit dem Zeugen, der Hund, Fahrrad und Arbeitsleistung nicht bezahlt habe. Wer auf die Idee mit dem Überfall gekommen sei, lasse sich nicht mehr feststellen. Der Angeklagte sei mitgegangen, und mit dem Kuhfuß habe man eine bedrohliche Szene aufgebaut.

Der Angeklagte habe schließlich den Hund mitgenommen. »Wir haben hier Selbstjustiz«, machte der Richter deutlich. Der Tatbeitrag des Angeklagten sei nicht geklärt, der Anführer sei er aber nicht gewesen. Er habe versucht, an der Aufklärung mitzuwirken, habe die Tat nicht in Abrede gestellt und sie als »Mist« bezeichnet. Das spreche für ihn.

Allerdings gebe es die 17 Vorbelastungen, wenngleich dabei nichts »schwerwiegend Kriminelles« sei. Ein Jahr und acht Monate Haft seien tat- und schuldangemessen. Seit 2009 sei der Mann zuvor nicht mehr straffällig geworden. Jetzt sei er zudem nicht allein gewesen, sondern habe unter dem Einfluss der Gruppe mitgemacht.

Deshalb könne man »ganz ausnahmsweise« nochmal eine Bewährung aussprechen. Ein Bewährungshelfer solle ihn dabei unterstützen. Eine Bewährungsfrist von drei Jahren sehe das Gericht als ausreichend an. 80 Stunden gemeinnütziger Arbeit würden zudem zum Unrechtsausgleich beitragen. Rechtsmittel gegen das Urteil sind möglich.ek

Kreiensen

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