Nächste Hilfe: Bahnhofsmission

In Kreiensen arbeitet schon seit vielen Jahren ein eingespieltes Bahnhofsmissions-Team zusammen

Seit vielen Jahren arbeiten Elisabeth Briese, Robert Schirmer und Klaus-Dieter Klees ehrenamtlich für die Bahnhofsmission in Kreiensen.

Kreiensen. Ob Kekse, eine Tasse Kaffee, eine Erfrischung oder einfach nur ein nettes Gespräch oder ein Ratschlag... wer in Deutschland mit der Bahn unterwegs ist, trifft auf 120 Bahnsteigen auf freundliche und hilfsbereite Mitarbeiter der Bahnhofsmission.

So auch auf dem Bahnhof in Kreiensen, wo sich seit vielen Jahren Elisabeth Briese, Klaus-Dieter Klees, Gudrun Skulski und Robert Schirmer (als Sprecher der Mitarbeiter), unter Leitung des Pfarrers Matthias Kipp, ehrenamtlich um die Reisenden kümmern. Die Bahnhofsmission in Kreiensen wurde im Jahr 1934 eröffnet und bestand auch über den Zweiten Weltkrieg hinaus. Anfang der 2000er-Jahre hatte die Bahnhofsmission für einige Jahre geschlossen, weil engagierte Mitarbeiter fehlten.

Über 8.000 Kontakte in einem Jahr

Das änderte sich mit der Umstrukturierung der Diakoniekreisstelle in Bad Gandersheim und der damit einhergehenden Übernahme der Trägerschaft durch die Kirchengemeinde Kreiensen, sodass die Bahnhofsmission 2005 wiedereröffnet werden konnte. Über 8.000 Kontakte zu Menschen habe man in einem Jahr, erzählt Robert Schirmer in einem Gespräch mit unserer Zeitung. Habe man früher noch bei der Kinderlandverschickung, der Betreuung von Um- und Aussiedlern und nach der Grenzöffnung reisenden Rentnern aus der ehemaligen DDR geholfen, hätten sich die Zeiten und damit auch die Art der Hilfestellungen inzwischen geändert. Heute unterstütze man vor allem umsteigende REHA-Patienten, jüngere Menschen aus den umliegenden Selbsthilfe-Werkstätten, Menschen mit Migrationshintergrund und besonders häufig auch obdachlose Reisende.

Viele ältere Menschen seihen überfordert, wenn es an die Bedienung des Fahrkartenautomaten gehe, so Schirmer. Und seit vor rund zwei Jahren die Bahn-Aufsicht nicht mehr vor Ort sei, habe man auch überwiegend mit Fahrplan- und Umsteigeauskünften zu tun. Seit dem 1. Dezember hat nun auch leider die Bahnhofshalle nur noch zu den Öffnungszeiten der Agentur Rosenthal, die im Auftrag der deutschen Bahn die Fahrkarten verkauft, geöffnet. Der Grund dafür ist der zunehmende Vandalismus innerhalb des vergangenen Jahres, dem sich der Eigentümer des Gebäudes momentan nicht mehr gewachsen sieht (wir berichteten).

Das stellt die Mitarbeiter der Bahnhofsmission nun vor noch ganz andere Aufgaben. »Das kann doch nicht sein, dass die Menschen bei Wind und Wetter im Freien auf ihren nächsten Zug warten müssen«. Vor allem bei Verspätungen, und seien es auch nur ein paar Minuten, in denen ihnen der Anschlusszug weggefahren sei, stehen manchmal bis zu 60 Reisende auf dem Bahnhofsgelände, die dann wegen fehlender Aufenthaltsmöglichkeiten und fehlender Gastronomie die Bahnhofsmission aufsuchen.

Man sei auch ein willkommener Anlaufpunkt für Radfahrer, vor allem für Familien mit Kindern, da sich in Kreiensen der Radwanderweg R 1 und der Leineradweg kreuzen. Unter den Radwanderern seien auch viele Gäste aus Schottland, Österreich, den Niederlanden und Frankreich gewesen. An vielen schönen Gesprächen habe Schirmer und sein Team so schon teilhaben dürfen, auch wenn diese manchmal praktisch während des Umsteigens oft innerhalb nur weniger Minuten stattgefunden hätten. »Viele sind froh, wenn sie bei uns auf ein offenes Ohr treffen. Ältere Menschen erzählen besonders gern von ihren Kindern und Enkeln, aber auch Gespräche über allgemeine Themen wie der Glaube, das Leben oder Erkrankungen werden geführt«.

Neben vielen positiven Begegnungen, habe man allerdings auch schon viele Schicksale miterlebt. Bis vor kurzem noch habe er regelmäßig Kontakt mit einem jungen Mann gehabt, der oft mit dem Zug von Hannover in Richtung Bad Harzburg unterwegs war. Fast jedes Mal sei der junge Mann in keiner guten seelischen Verfassung gewesen und habe auch an einem Tag zu ihm gesagt, dass das heute nicht mehr gut ginge mit ihm. Ein freundliches Gespräch, positiv einwirken und Mut machen, mehr könne man da natürlich meistens nicht erreichen, so Schirmer. Doch als der junge Mann bereits in seinem Zug war, habe dieser kurz vor der Abfahrt noch einmal die Tür geöffnet und zu Schirmer gesagt: »Ich verspreche Ihnen, dass heute und in den nächsten Tagen nichts mit mir passieren wird«. Auch wenn man sich dennoch weiterhin Sorgen mache, sei das doch einer der vielen schönen Momente in seiner Arbeit.

Hilfe für verwirrte und kranke Menschen gehört zum Alltag

Weniger schöne Dinge, die oftmals mit verwirrten oder psychisch kranken Menschen zu tun haben, gehören allerdings leider auch mit zum Alltag.
Wie vor etlichen Jahren, als eine junge Frau immer wieder versuchte, auf die Gleise und vor den abfahrenden Triebwagen zu springen. Den Mitarbeitern der Bahnhofsmission sei gar nichts anderes übriggeblieben, als die Frau in den Aufenthaltsraum einzuschließen. Zuvor mussten jedoch ihre Schnittwunden an den Armen verpflastert werden, die sie sich mit Glasscherben, die sie in einer Reisetasche mit sich führte, selbst beigebracht hatte. In diesem Fall musste die Polizei verständigt werden. Mit der Zeit bekäme man einen Blick für die Menschen. Während die Männer meist die eitleren Zeitgenossen seien, die sich nicht unbedingt immer gerne helfen lassen würden, seien die Frauen immer sehr offen und auch gerne für kleinere Späße zu haben. »Das ist Bahnhofsmission«, so Schirmer schmunzelnd.

Ob kleinere Hilfeleistungen, wie das Ausgeben von Pflastern, Fahrplanauskünfte und Kaffee, Reisehilfen für Seh- und Gehbehinderte, ältere Menschen oder die Vermittlung in Therapieeinrichtungen, an zuständige Ämter und Behörden sowie die Vermittlung einer Unterkunft, das engagierte Team in Kreiensen ist das Aushängeschild des historischen Bahnhofs. Die evangelischen und katholischen Bahnhofsmissionen fühlen sich der Botschaft des Evangeliums verpflichtet, jedoch ohne missionieren zu wollen, und verstehen sich als gelebte Kirche am Bahnhof. Sie bieten ihre Hilfe grundsätzlich jedem Menschen anonym und kostenlos an. Das Hilfsangebot ist niederschwellig, für die Nutzung sind weder persönliche Voraussetzungen noch bestimmte Problemlagen erforderlich. Die erste evangelische Bahnhofsmission wurde 1894 durch den Pfarrer Johannes Burckhardt in Berlin gegründet. Ursprünglich wurde sie eingerichtet, um Frauen Schutz und Hilfe zu bieten, die im Zuge der Industrialisierung in die Städte zogen und als Arbeiterinnen in Fabriken ihren Lebensunterhalt verdienen wollten.

Oftmals gerieten die Frauen dabei an unseriöse Vermittler. Schon einige Jahre später wurde das Angebot der Bahnhofsmission um das Angebot der allgemeinen Hilfen für Reisende erweitert. Im Jahr 1910 gründete sich die Konferenz für Kirchliche Bahnhofsmission in Deutschland (KKBM), wodurch die Zusammenarbeit zwischen evangelischer und katholischer Bahnhofsmissionen verstärkt wurde, und so die erste und wohl auch älteste ökumenische Struktur im Bereich der offenen sozialen Arbeit entstand.

Fast 2.000 ehrenamtliche Mitarbeiter sind bundesweit bei der Bahnhofsmission tätig und helfen und unterstützen Menschen, die sich A nach B bewegen wollen. Wer auch gerne Teil dieses engagierten Teams werden möchte, findet weitere Informationen unter www.bahnhofsmission.de.

Die Bahnhofsmission in Kreiensen ist montags bis freitags von 8 bis 17 Uhr und samstags von 8 bis 14 Uhr geöffnet.hn

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