Polizei bleibt mit Kontrollen am Ball

Sinkende Unfallzahlen in der Polizeiinspektion | Geschwindigkeit und Handy am Steuer | Problem Unfallflucht

Auf die Kampagne »Rummss!!!« machen Polizeidirektor Hans Walter Rusteberg (links) und Polizeihauptkommissar Peter Schliep, Sachbearbeiter Verkehr, aufmerksam. Damit soll die hohe Zahl der Verkehrsunfallfluchten gesenkt werden, denn das ist kein Kavaliersdelikt, sondern eine Straftat.

Region. Sinkende Zahlen, gerade bei den Unfällen mit schwerem Personenschaden, das weist die Verkehrsunfallstatistik 2016 der Polizeiinspektion Northeim/Osterode aus. Die offiziellen Zahlen haben Polizeidirektor Hans Walter Rusteberg und der Sachbearbeiter Verkehr, Polizeihauptkommissar Peter Schliep, jetzt bekanntgegeben.

Auch wenn der anhaltende positive Trend erfreulich sei: Hinter jedem Unfall stehe großes menschliches Leid, erinnert Rusteberg. Viele Beteiligte hätten Einfluss auf die Verkehrssicherheit – die Polizei könne nur zu einem geringen Anteil mitwirken. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten bemühe sie sich aber, tätig zu werden, beispielsweise bei der Verkehrsüberwachung. Ein weitere Fokus der Arbeit liegt auf dem Bereich Unfallfluchten.

Auf den Straßen im Landkreis Northeim und im ehemaligen Landkreis Osterode, dem Zuständigkeit der Polizeiinspektion, ereigneten sich im vergangenen Jahr 4.791 Verkehrsunfälle; 2015 waren es noch 4.834. Bei den Unfällen mit schweren Personenschaden, bei denen mindestens eine Person getötet oder schwer verletzt wurde, ging die Zahl um 14 auf 106 zurück. »Ergänzen muss man an dieser ­Stelle, dass wir zusammen mit unseren Netzwerkpartnern wie Straßenbau- und Verkehrsbehörden und Verkehrswachten gegenüber dem ersten Jahr der Aufzeichnungen, 2005, eine Halbierung der Zahlen erreichen konnten«, so Polizeidirektor Rusteberg. Viele Faktoren hätten dabei mitgespielt: höhere Sicherheit der Fahrzeuge ebenso wie stärkere Überwachung seitens der Polizei.

Wesentlich deutlicher war der Rückgang der Zahlen bei den Verkehrstoten: 2015 kamen zehn Menschen bei Unfällen ums Leben, 2016 waren es fünf: drei in Northeim und zwei in Osterode. Alle drei Opfer im Kreis Northeim waren Seniorinnen im Alter über 80 Jahre, die als Fußgängerinnen von Fahrzeugen erfasst wurden. Bei den Unfällen im Kreis Osterode starben ein 74-jähriger Autofahrer nach einer Vorfahrtsverletzung und ein 49 Jahre alter Kutscher, der in den Graben rutschte. Die Anzahl der schwer Verletzten sank von 126 auf 114.

Genau hat sich die Polizei die Risikogruppen angeschaut: Senioren ab 65 und Fahranfänger, die 18- bis 25-Jährigen. Setzt man die Beteiligung an Unfällen sowie den Anteil an der Bevölkerung ins Verhältnis, liegt die Jugend deutlich höher: »Das ist eher unsere Risikogruppe als die Senioren.«

62 Teilnehmer wurden bei 48 sogenannten Baumfällen außerhalb geschlossener Ortschaften verletzt, 19 davon schwer, und ein Mensch kam ums Leben. Beide Landkreise, so die Polizei, seien Flächenlandkreise, viele Straßen seien von Bäumen gesäumt. Besonders unfallträchtige Strecken gebe es allerdings nicht.

Die Zahl der im Straßenverkehr verletzten Kinder bis 14 Jahre ist von 58 auf 70 angestiegen. Eine Steigerung gab es bei den Kindern, die als Radfahrer oder als Insassen von Fahrzeugen, meist Pkw, verletzt wurden. Regelmäßig führt die Polizei Kontrollen insbesondere vor Schulen und Kindergärten durch. Die meisten Eltern, so das Fazit, sichern ihr Kind ordnungsgemäß, wobei verbesserte Technik in den Kindersitzen dazu beiträgt, die jungen Passagiere bei Unfällen effektiv zu schützen. Ein Problem bleibt die »Anlieferung« der Kinder vor Schulen und Kindergärten unter Missachtung von Halteverboten. »Da haben wir eine Drive-in-Mentalität«, bedauert die Polizei.

Alkohol und Drogen als Unfallursache sind zwar zurückgegangen, sie bleiben aber ein Thema, das viel Kontrolle seitens der Polizei erfordert. Der Höchstwert bei einer Alkoholkontrolle lag im vergangenen Jahr bei mehr als vier Promille. Bei jungen Fahrern beobachte man, dass innerhalb von Gruppen rechtzeitig jemand zum Fahrer erklärt werde – und der- oder diejenige trinke dann den Abend über nichts. Gab es in den Vorjahren dazu keine Vorkommnisse, zählte die Polizei 2016 fünf Unfälle unter dem Einfluss von Drogen. 126 Drogenfahrten, wurden gestoppt, bevor es zu einem Unfall kam, dieser Wert ist gesunken. Die Zahl der Alkoholunfälle ist im Vergleich zum Vorjahr bei gleichbleibenden Kontrollen von 64 auf 52 gesunken. Gefallen ist ebenfalls die Zahl der unter Alkoholeinfluss erwischten Fahrer: auf 201, das waren 22 weniger als im Vorjahr.

Erfolg hat die Arbeit von Polizei, Wildunfallkommission und Jägerschaft: Gab es 2015 noch 1.105 Kollisionen mit Wildtieren, waren es 2016 nur 957. Mit Blick auf die immer noch hohe Zahl, die fast ein Viertel der Gesamtzahl der Verkehrsunfälle ausmacht, hat sich die Polizei vorgenommen, weitere Präventionsmaßnahmen zu entwickeln. Erfolg hat unter anderem die Markierung der Leitpfosten mit blauen Re­flektoren, was insbesondere bei Rehen wirksam ist. Wildschweine und Waschbären, so die Po­lizei, ließen sich davon allerdings nicht beeindrucken.

1.009 Unfallfluchten wurden aufgenommen, fast jeder fünfte registrierte Unfall ist inzwischen damit verbunden. Die Polizei steckt viel Energie in die Aufklärung, und in rund 42 Prozent der Fälle gelingt ihr das auch. Aber gerade bei Parkplatzremplern sei das schwierig, dafür brauche man Zeugen, hieß es. Unfallflucht, erläutert Polizeichef Rusteberg, sei nicht nur für den Geschädigten ärgerlich und teuer, sondern sei eine Straftat. Schnell kommt bei einem kleinen Rempler ein Schaden von mehreren tausend Euro zusammen. Wer einen Fremdschaden von mehr als 1.500 Euro verursacht und sich aus dem Staub macht, verliert seine Fahrerlaubnis. Die Versicherung wird den Schaden zwar regulieren, der Täter muss aber mit Regressforderungen rechnen – alles unnötige ­Folgen, findet die Polizei: »Eigentlich sind alle materiellen
Schäden über die Versicherung abgedeckt.«

Auch beim Niedersächsischen Innenministerium und bei der Landesverkehrswacht reagiert man auf die steigende Zahl von Unfallflüchtigen. »Rummss!!!« heißt die Kampagne, die dazu anhalten will, fair zu bleiben und den Notruf 110 zu wählen, wenn es denn einmal zu einer Beule oder einer Schmarre kommt. »Man haut nicht ab«, betont die Polizei – und sie hofft, dass der Appell Früchte trägt.

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser, und so haben die Beamten im vergangenen Jahr 17.665 Verkehrsüberwachungen durchgeführt, vor allem außerhalb geschlossener Ortschaften. Ein Blick in die Statistik zeigt, dass ein Zusammenhang zwischen Verkehrsüberwachung und der Zahl der schweren Unfälle besteht: Sie nehmen ab. »Wir bleiben konsequent dabei«, kündigt Peter Schliep deshalb an. Kontrolliert wurde auch mit Blick auf die Gurtpflicht. 2.518 Verfahren wurden eingeleitet, gut 300 mehr als im Vorjahr. »Der Gurt bleibt die einfachste Art, sich im Auto zu sichern.« Gerade im Stadtverkehr schnallten sich aber viele Fahrer nicht an. Kaum jemand wisse aber, dass ein auslösender Airbag für einen nicht angeschnallten Fahrer lebensgefährlich sei.

Handy am Steuer – das ist weit verbreitet und wird zum wachsenden Problem. 60 Euro Strafe und einen Punkt in Flensburg gibt es für Autofahrer, die erwischt werden; Radfahrer zahlen ein Verwarngeld von 25 Euro. Von 509 im Jahr 2013 auf jetzt 1.017 Fälle hat sich die Zahl der Verstöße innerhalb von drei Jahren verdoppelt. »Man geht davon aus, dass es in Deutschland im Jahr zu 1,3 Milliarden Verstößen kommt«, berichtet Polizeihauptkommissar Dieter Armbrecht, Beauftragter für Verkehrsprävention. Die geplante Anhebung der Strafe auf 100 Euro, verbunden mit zwei Punkten, erscheine da lachhaft: »Es gibt kein ­Unrechts- und Gefahrenbewusstsein.« Bei schweren Unfällen beschlagnahmt die Polizei inzwischen die Telefone der Beteiligten und lässt sie auswerten. Auch Fußgänger, die wegen Handynutzung in Unfälle verwickelt sind, ­können in Regress genommen werden beziehungsweise müssen mit einer Mitschuld rechnen. Ob Sicherheitsgurt oder Handy: »Das geht nur übers Portmonee, nicht über Einsicht. Es ist uns nicht egal, wenn (junge) Menschen im Straßenverkehr ihr Leben lassen müssen«, betonen die Beamten.

Durch die dezentrale Struktur im Landkreis Northeim sei die Polizei gut aufgestellt, schnell vor Ort und gut vernetzt.ek

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