Digitale Medien gezielt nutzen

Medienkonsum beginnt schon vor der Schule | Medienkompetenz steigern

Einbeck. Die Qualität des Unterrichts werde nicht nur von Faktoren wie Personal oder Raumausstattung beeinflusst, der Einsatz von digitalen Medien kann sich ebenfalls positiv auswirken, erklärte Dr. Michael Kirch. Auf Einladung der Rudolf-von-Bennigsen-Stiftung und der Friedrich-Naumann-Stiftung gastierte er jetzt in Einbeck.

Dr. Marion Villmar-Doebeling stellte den Referenten vor. Er arbeitet am Lehrstuhl für Grundschulpädagogik und Didaktik an der Ludwig-Maximilians-Universität München tätig und forscht in den Bereichen Mediendidaktik in der Grundschule und Lehrerausbildung. Seit mehr als 20 Jahren beschäftigt er sich zudem mit dem digitalen Wandel in der Schule und der Optimierung von Unterricht.

Von einer Hospitationsreise nach Australien kehrte er beeindruckt zurück. Fasziniert war er vom selbstverständlichen Umgang von Lehrern und Schülern mit digitalen Medien, der Ausstattung der Schulen mit entsprechendem Equipment sowie dem fachkundigen Personal. Großer Wertschätzung wurde der Mediendidaktik entgegengebracht sowie den Chancen, die sich für jeden Schüler daraus ergeben.

Seit rund 20 Jahren erprobt der Münchner, wie sich neue Medien in den Schulalltag integrieren. Mit Uni-Klassen hat er ein Lernlabor geschaffen, in dem sich pädagogische Wissenschaft und ihre Anwendung direkt begegnen. Dort forscht er, wie eine sinnvolle Verwendung technischer Kommunikationsmittel aussehen kann.

Was den Einsatz von digitalen Medien in der Schule angeht, so sei Deutschland ein Entwicklungsland, erklärte Dr. Kirch, deutsche Schüler scheiden im internationalen Vergleich der Informationskompetenz unterdurchschnittlich ab.

In einer Zeit, in der die moderne Arbeitswelt zusammenbräche, wenn man die digitalen Medien abschaltete, merke man in deutschen Schulen kaum etwas. Es scheine, als würde die digitale Welt vor dem Schultor aufhören.

Allein der Einsatz von digitalen Medien verbessere jedoch nicht automatisch den Unterricht, aber es werde stetig vernachlässigt, den Kindern Medienkompetenz zu vermitteln.

Die Digitalisierung des Lebens beginne jedoch nicht erst in der Schule, sondern schon weit davor. Rund ein Viertel der Jungen und Mädchen zwischen zwei und fünf Jahren können schon rudimentär Smartphone oder Tablet bedienen. Sie beobachten ihre Eltern, ahmen sie nach und steigen schon früh in die digitale Welt ein. Mit steigendem Alter erhöhe sich die Konsumhäufigkgeit und die Bedienungskompetenz.

Dr. Kirch forderte, dass die Netz- und Informationsgesellschaft in der Schule Einzug halte. Digitale Medien sind im Alltag überall vertreten, nicht nur zum »sinnfreien Daddeln« sollten sie genutzt werden, sondern zum kompetenten Lernen und zum gezielten Informationsgewinn.

Falsche Anreize, finanzielle Argumente, Ablenkungspotenziale und die Hinterfragung des didaktischen Mehrwerts werden oft als Gegenargumente des Gebrauchs angegeben, mit frühem Einsatz könne man jedoch Informationsgewinne und Kompetenzen in vielen Bereichen sammeln, so Dr. Kirch. Ignorieren oder verteufeln sollte man die digitalen Medien nicht, sondern in alle Fächer integrieren. Flächenländer wie Australien, Amerika und Kanada demonstrieren schon – wenn der Weg zur Schule zum Beispiel weit und beschwerlich sei -, dass das außerschulische Lernen mit Computer und Tablet erfolgreich sein kann. Der digitale Einsatz sei ein ergänzender Faktor, der zur Erweiterung und Verbesserung des Wissens beitrage. Die Bildung von Medien-, Informations- und Anwendungskompetenz gehe damit einher.

Die sukzessive Mehrnutzung stelle eine große Herausforderung dar an Organisation, Finanzierung, Raumausstattung, Personal und Unterrichtsentwicklung, so Dr. Kirch, es lohne sich aber. Binnendifferenzierungen mit verschiedenen Herausforderungen, angepasst an die individuellen Bedürfnisse von Schülern einer Klasse - seien ebenfalls möglich wie kollegiale Hospitationen per Videomitschnitt und anschließendem Feedback. Das visuelle Lernen samt Erweiterung der Medienkompetenz werde ebenfalls gefördert und helfe, durch die »Weiten des WWW« gezielt auf die benötigten Informationen zu stoßen. Die Förderung der allgemeinen Kompetenz samt des kritischen und kreativen Denkens, der Kommunikationsfähigkeit mit anderen, der Flexibilität sowie des sozialen Verhaltens und des Verantwortungsbewussten seien ebenfalls möglich.

Dr. Kirch appellierte, das der Zugang zu allen Medien in der Schule von jeder Person zu jeder Zeit möglich sein müsse - wie die Federmappe und Ranzen über viele Jahrzehnte gehören die elektronischen Geräte jetzt zur normalen Ausstattung jedes Schülers. Wichtig sei jedoch, sie nicht als Ablenkungsgegenstand zu nutzen, sondern mit ihnen gezielt zu arbeiten, dann sei man in der Informations- und Netzgesellschaft angekommen. Bis dahin stehe aber ein weiter Weg bevor, der Anstrengungen, Verbesserungen und Kompetenzerweiterungen in vielen Bereichen bedarf.

Dr. Marion Villmar-Doebling und Christian Grascha bedankten sich bei Dr. Kirch für den interessanten Vortrag, der viele interessante Anregungen zum »Klassenzimmer der Zukunft« bot.mru