Einbeck im Jahr 1756: Später Aufschwung spürbar

Situation nach dem Dreißigjährigen Krieg verbessert | Mehr als 500 Handwerksmeister, 5.012 Einwohner

Einbeck. Nach dem Dreißigjährigen Krieg befand sich Einbeck, wie viele andere deutsche Städte auch, in einem desolaten Zustand. Zu Anfang des Krieges gab es 1.200 Gebäude in der Stadt, am Ende waren es nur noch die Hälfte. Von den verbliebenen 646 Häusern waren allerdings 200 unbewohnt oder wiesen Brandschäden auf. Erst 1710 begann ein Wiederaufschwung in der Stadt, und in der Mitte des 18. Jahrhunderts erfreute sich Einbeck wieder eines gewissen Wohlstandes.

Eine »pragmatische Beschreibung der Stadt Einbeck« befindet sich im hannoverschen Staatsarchiv. Die Beschreibung hat keine Jahresangabe und keinen Verfasser, aber aus Vergleichen mit anderen Veröffentlichungen aus dieser Zeit ergibt sich, dass sie 1756 vom damaligen Einbecker Bürgermeister Johann Friedrich Unger geschrieben wurde. Der Bericht zeichnet in 47 Abschnitten ein detailliertes Bild des Alltages und der Lebensumstände der Einbecker vor gut 250 Jahren: Ein Teil der Einbecker Lebensmittelversorgung wurde noch durch den Fischbestand im Krummen Wasser und der Ilme gesichert.

In der Ilme fischte man unter anderem Hechte, Karpfen, Weißfische und Barsche. Im Krummen Wasser wurden Schmerlinge und Krimpen gefangen. Doch der Fischbestand ging bereits zu dieser Zeit immer mehr zurück. Das »Wildpret« rund um Einbeck bestand aus Hirschen, Rehen, Wildschweinen, Hasen und Geflügel. Viehzucht wurde damals vornehmlich mit Hammelherden betrieben. Auf den Feldern wuchsen Weizen, Roggen, Gerste und »Haber«.

Seit 1740 bereicherte eine weitere Feldfrucht das kulinarische Angebot in Einbeck. Die zuvor fast unbekannte »Cartuffel« wurde angepflanzt und »für sehr vorteilhaft befunden«. Weil es in der Stadt nur wenige Quellen gab, bestand die hauptsächliche Wasserversorgung aus gegrabenen Brunnen und der Entnahme aus dem Krummen Wasser. Die Stadt war in drei Bezirke, die so genannten »Kaspel«, eingeteilt, deren Grenzen die heute nicht mehr sichtbaren Dreckgräben markierten. 1756 gab es in Einbeck insgesamt 1.685 Gebäude.

Davon waren 404 Brauhäuser und 350 Buden, also 754 Wohnhäuser mit und ohne Brauberechtigung. Die Stadt hatte 5.012 Einwohner. Das Verhältnis von Neugeborenen zu Sterbefällen verhielt sich 13:10 und »vier Ehen ergeben durch die Bank 15 Kinder«. Die Kindersterblichkeit war mit einem Drittel der unter vier Jahre alten Kinder noch sehr hoch. Auf der anderen Seite stieg die Lebenserwartung: Drei Prozent der Einwohner war älter als 80 Jahre und zehn Prozent im Alter von 70 bis 80 Jahren.

»Der größte Teil der hiesigen Einwohner ist sehr haushälterisch und arbeitsam, kommt auch in allen dem, was der Luxus und die Mode endlich allen Menschen zur Notwendigkeit machet, aufs späteste nach«. Nach einer von dem »Mathematicus Practicus« Wilhelm Koven durchgeführten Vermessung hatten die Ländereien der Stadt innerhalb der Landwehr eine Größe von fast 13.000 Morgen. Die »Stadt-Obrigkeit« bestand aus zwei Bürgermeistern, einem »Syndicus« und sechs Senatoren. Einbeck besaß zu dieser Zeit eine Bürgerwehr mit sechs »Compagnien«.

Ihre Aufgabe war es, im Fall eines Angriffs auf die Stadt Posten an Mauern und Toren zu beziehen, falls die Garnison abwesend wäre. Innerhalb der Stadt und des Bereiches der Landwehr hatte der Magistrat (die Stadtverwaltung) die »völlige Ober- und Unter-Gerichte«. Ausnahme der städtischen Gerichtsbarkeit war die »Freiheit des Stiftes St. Alexandri«. Der Stiftsbereich umfasste »ohngefähr 1/15 des ganzen Raumes« der Stadt.

Hier hatten die Stadtbüttel nichts mehr zu sagen. Es war wie in einem Wildwest-Film: Hatte ein Verfolgter die Grenze überschritten, war er fürs erste frei. Das Lehrpersonal der »großen Stadtschule« bestand neben dem Direktor aus sechs Lehrkräften und zusätzlich für jeden der drei Stadtbezirke aus je einer »Lehr-Wase, die die Aufgabe hatte, die Mädchen im Lesen und im Christentum« zu unterrichten.

Die Kinder des Einbecker Waisenhauses unterrichtete ein »Praeceptor« (Lehrmeister). Das Waisenhaus wurde von der damaligen königlichen Regierung unterhalten, wobei die Stadt Einbeck verschiedene Einrichtungen für die Versorgung der mittellosen Bevölkerung betrieb. Im Hospital St. Spiritus an der Geiststraße wurden »40-50 arme, elende und alte Personen« betreut. Im heute nicht mehr existierenden Armenhaus St. Bartholomäi befand sich etwa ein Dutzend Personen.

Unter der Leitung der Kaufgilde stand das »kleine Armenhaus, worin 6-8 dieser elenden größtenteils ihren Lebensunterhalt finden«. Dazu kam die Kollekte der Stadtkirchen und der Münsterkirche, die jährlich eine Höhe von bis zu 1.100 Talern ausmachte. Diese Summe bekamen ausschließlich die »Hausarmen, da öffentliche Bettler schlechterdings nicht geduldet werden«.

»An nützlichen Fabrikanten, als Zeugmachern, Posamentierern, Hutmachern, Tobakspinnern« waren 91 Handwerksmeister mit 83 Gesellen und 24 Lehrlingen in der Stadt angesiedelt. Dazu kamen »58 Leinweber und Drellmacher«. Die Kauf- und Kramergilde betrieb 25 Geschäfte. Ein großer Wirtschaftszweig war das Schusterhandwerk: Über 100 Schuster und Schuhflicker hatten ihren Sitz in Einbeck.

Dazu kamen 44 »Schlächter« und 51 Bäcker. Zusammen gerechnet gab es in Einbeck mehr als 500 Handwerksmeister. Die Stadt Einbeck erfreute sich 1756 wieder eines gewissen Wohlstandes, und die meisten Bürger hatten ihr Auskommen. Das sollte sich leider schon im gleichen Jahr mit dem Ausbruch des Siebenjährigen Krieges ändern. Einbeck wurde in der Folgezeit in die Kriegshandlungen verwickelt, von französischen Truppen besetzt und musste wie im Dreißigjährigen Krieg hohe Kontributionszahlungen entrichten. Fünf Jahre später mussten die Einbecker machtlos zusehen, wie von den Besatzern ein großer Teil der Stadtbefestigung in die Luft gesprengt wurde.wk