Eine Stätte der Mahnung, der Erinnerung und der Trauer

Volksbund-Ausstellung im Alten Rathaus / »Von Stalingrad nach Rossoschka« / Noch immer Zubettungen auf großem Gräberfeld

Wer es einrichten kann, sollte die Ausstellung heute oder morgen Vormittag noch besuchen. Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge zeigt »Von Stalingrad nach Rossoschka« im Alten Rathaus. Hier werden zum einen die Schrecken der Schlacht um Stalingrad mit ihren zehntausenden Toten deutlich, zum anderen zeigen Bilder und Texte die Arbeit des Volksbundes an der Kriegsgräberstätte Rossoschka. Dort haben deutsche und sowjetische Opfer ihre letzte Ruhestätte gefunden.

Einbeck. Einbecks Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek als Vorsitzende des Ortsverbandes des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge erinnerte daran, dass die Entscheidungsschlacht für den Zweiten Weltkrieg im Spätherbst 1942 vor Stalingrad begonnen habe. Bis Februar gab es rund 60.000 tote deutsche Soldaten. Von den 110.000 Kriegsgefangenen überlebten nur etwa 5.000. Mehr als 70 Jahre später sei beim damaligen Stalingrad, dem heutigen Wolgograd, beziehungsweise beim Dorf Rossoschka die größte deutsche Kriegsgräberstätte entstanden. Sie sei Inhalt dieser Wanderausstellung.

Der Volksbund habe es sich zur Aufgabe gemacht, Kriegsgräber zu erfassen, zu erhalten und zu pflegen, er fördere darüberhinaus die Begegnung von Menschen an diesen Ruhestätten. In Rossoschka, 1999 eingeweiht, hätten inzwischen mehr als 56.000 deutsche Soldaten ihre letzte Ruhe gefunden. Der benachbarte Friedhof für sowjetische Gefallene habe rund 3.000 Gräber. Die Ausstellung mache deutlich, welch unfassbares Leid Krieg bedeute, und sie mahne die Nachwelt über Völkerverständigung zum Frieden. So sei Rossoschka mehr als ein Friedhof, sondern eine Stätte, die Bedeutung für die Zukunft habe, ein Mahnmal, das zeige, dass Krieg Wahnsinn sei. Elfie Haupt und Michael Gandt dankte sie für ihren Einsatz für die Ausstellung, die ein wertvoller Wissensschatz sei.

Landrat Michael Wickmann, Kreisvorsitzender des Volksbundes, sagte, Stalingrad sei zum typischen Sinnbild für Hunger, Kälte, Verzweiflung und Leid geworden, zu einem Wendepunkt im Zweiten Weltkrieg. Es habe sich entschieden, ob Nationalsozialismus die Welt prägen sollte, und in diesem Sinne müsse Rossoschka bleiben als Mahnung und als Bitte, an einer friedlichen Gesinnung zu arbeiten. Dass deutsche und sowjetische Opfer eng nebeneinander zur letzten Ruhe gebettet würden, sei ein Zeichen. Der Volksbund bemühe sich bei mehr als 90 Jahren, Kriegstoten die letzte Ruhe und Hinterbliebenen einen Ort der Trauer zu geben. Wickmann dankte allen Ehrenamtlichen und gerade auch Jugendlichen für die Arbeit des Volksbundes an den Kriegsgräberstätten. Die Sehnsucht nach Frieden sei groß, und man müsse dafür arbeiten, mahnte er. Schon den Anfängen von Unfrieden und Krieg müsse man entgegen treten und Zeichen gegen Unfreiheit und für Toleranz setzen. Wer die Zukunft gestalten wolle, müsse die Vergangenheit begriffen haben.

Volksbund-Bezirksgeschäftsführer Michael Gandt berichtete, Rossoschka, ein 2.000-Einwohner-Dorf, lag rund 30 Kilometer nordwestlich von Stalingrad, in der Mitte des damaligen Kessels. Nach der Schlacht war der Ort komplett verwüstet. Erst ab den 50er Jahren wurde er zögernd wieder aufgebaut. Seit 1992 suchten Umbetter des Volksbundes nach Gräbern deutscher Soldaten. An mehr als 100 Orten seien inzwischen Gebeine geborgen worden; von tausenden gebe es keine Hinweise auf ihren Verbleib. Der Bau von Rossoschka nach dem Entwurf eines Kasseler Architekten sei von den sowjetischen Behörden nur erlaubt worden, weil auch eine Kriegsgräberstätte für sowjetische Opfer angelegt wurde. Die rund sechs Hektar große Anlage hat die russische Steppe mit ihren Einflüssen von Kälte, Hitze, Weite und Stille als Ausgangspunkt der Gestaltung; zugleich soll die Ungeheuerlichkeit der Ereignisse gezeigt werden. Zentral ist ein Gedenkplatz; die 470 Meter lange Ringmauer um das Gelände trägt die Namen der Gefallenen. Auf großen Würfeln sind fast 120.000 Namen von Gefallenen festgehalten, weitere 14.500 Namen von nicht zu bergenden Soldaten sind ebenfalls festgehalten. Viele zehntausend Gräber seien nicht mehr zu finden, so Gandt, sie seien beispielsweise überbaut. Das Namenbuch im Besucherpavillon umfast etwa 173.000 Namen. Noch immer würden aber Gräber gefunden, allein im vergangenen Jahr habe es 1.848 Zubettungen in Rossoschka gegeben. Insgesamt sind bis Dezember 2012 dort 56.947 deutsche Soldaten bestattet worden.

Ausgehend von ihrer persönlichen Geschichte um ihren Onkel Willi fühle sie sich moralisch verpflichtet, sich um die Belange des Volksbundes zu kümmern, hob Elfie Haupt hervor. Die Vogelbeckerin, die die Ausstellung vor Ort mit ihrem Mann Richard betreut, freut sich, dass die Tafeln bisher großen Anklang gefunden haben. Ein von Hans Schildberg gedrehter Film mit dem Titel »Späte Ruhe in der Steppe« zeigte die umsichtige Arbeit der Umbetter. ek