Mendelssohns »Lieder ohne Worte« in der Synagoge

Einbeck. Eine vielfältige Auswahl aus Felix Mendelssohns »Liedern ohne Worte« hat der Pianist Siegfried Großmann bei einem Benefizkonzert in der Alten Synagoge in Einbeck zugunsten des Fördervereins gespielt.

»Als Gesamtwerk werden die Lieder ohne Worte leider nicht wahrgenommen«, bedauert Großmann, »man kennt immer nur einzelne Stücke, vielleicht zehn ein bisschen besser, immer wieder gespielt werden nur zwei oder drei.« Auch um das ein wenig zu ändern, brachte der Pianist an dem Abend auf dem Flügel einige der unbekannten, der nicht typisch-romantischen Lieder zu Gehör. Siegfried Großmann hatte aus den insgesamt 48 nach und nach von Mendelssohn herausgegebenen »Liedern ohne Worte« für das Konzert in Einbeck 24 ausgewählt und spielte sie in vier Gruppen zu je sechs Stücken, um die Vielfalt zu zeigen.

»Keines der Lieder ist gleich.« Zwischendurch erläuterte er die Werke und ihre Entstehung verständlich. Zu hören waren unter anderem das »Jägerlied« genannte Molto Allegro e vivace, das »Venetianische Gondellied«, das »Spinnerlied« genannte Presto und natürlich das wohl bekannteste unter den »Liedern ohne Worte«: das »Frühlingslied« Allegretto grazioso, in England »Camberwell Green« genannt.

Wie ist Siegfried Großmann erstmals mit den »Liedern ohne Worte« in Berührung gekommen? Der heute 79-jährige evangelisch-freikirchliche Pastor im Ruhestand war 1955 zum Schüleraustausch in Manchester und dort gern eingeladen in den Gastfamilien, um Klavier zu spielen. »Mir wurden fast immer die Lieder ohne Worte von Mendelssohn vorgelegt«, erinnert sich Großmann.

Außer dem bekanntesten, dem in London komponierten »Frühlingslied«, kannte der 17-Jährige jedoch keines. Mendelssohn, der 1809 in Hamburg geborene protestantisch getaufte Komponist zwischen jüdischer und christlicher Tradition, galt kurz nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland noch als verpöhnt. In England sei Mendelssohn jedoch immer, wie auch Händel, durch seine langen Aufenthalte auf der Insel als ein englischer Komponist angesehen und dementsprechend gern gespielt worden, berichtete Großmann.

»Dort hat seine jüdische Herkunft keine Rolle gespielt.« Einige »Lieder ohne Worte« haben durchaus Ansätze an die zeitgenössische Synagogenmusik, die von Anfang an immer auch einen romantischen Schwerpunkt hatte. Siegfried Großmann lebt in Seesen, wo Anfang des 18. Jahrhunderts die erste Synagoge mit Orgel gebaut und damit das sich assimilierende, das liberale Judentum sozusagen erfunden worden ist.

Großmann: »In dieser Zeit hat Mendelssohn komponiert.« Als Mendelssohn einmal gefragt worden sei, erzählte Siegfried Großmann bei dem Konzert in Einbeck, ob man nicht zu den »Liedern ohne Worte« doch Worte hinzufügen sollte, habe dieser geantwortet: »Meine Lieder ohne Worte brauchen keine Worte.« Der lang andauernde Applaus der Zuhörer zeigte, dass Mendelssohn recht hatte. Die Veranstaltung wurde unterstützt von der »Tangobrücke« und der Jugendkirche »marie«.oh