Oldtimer-Fahrer sind eine gesellschaftliche Größe

Carsten Müller bei PS-Förderfreunden: Historische Mobilität überwindet Grenzen | Sympathieträger

Einbeck. Sie sind nicht nur schön anzuschauen und wecken Erinnerungen, sondern sie sind auch ein Wirtschaftsfaktor: historische Fahrzeuge, automobiles Kulturgut, Oldtimer. Wie sich die Politik damit beschäftigt, darüber hat jetzt Carsten Müller, CDU-Bundestagsabgeordneter aus Braunschweig, bei den Förderfreunden PS.SPEICHER referiert. Er ist Vorsitzender des Parlamentskreises Automobiles Kulturgut (PAK), und er hat in den vergangenen Jahren enge Verbindungen zu Einbeck geknüpft.

Unter anderem war Carsten Müller wesentlich daran beteiligt, dass die Nutzfahrzeugsammlung aus Sittensen nach Einbeck gekommen sei, erinnerte Förderfreunde-Vorstandsmitglied Dr. Günter Diener zur Begrüßung. PS-Stifter Karl-Heinz Rehkopf hatte das am Abschiedsabend vor dem Lkw-Korso von Sittensen nach Einbeck im September 2015 in ein schönes Märchen vom »tüchtigen Müller«, vom »traurigen Horst« und vom »ahnungslosen Karl-Heinz« verpackt, die der Sittensen-Herde gemeinsam ein neues Zuhause gegeben hätten. Man freue sich sehr, den Niedersachsen, Juristen, Förderfreund und Politiker nun als Referenten zu Gast zu haben.

In keiner anderen niedersächsischen Stadt sei er in den vergangenen Jahren so häufig gewesen wie in Einbeck, stellte Carsten Müller fest, er habe unglaublich große Freude daran. Er sei von historischen Fahrzeugen infiziert, habe aber leider keine handwerkliche Ausbildung; Reparaturwünsche könne er deshalb nur ohne Erfolgsgarantie erfüllen, scherzte er.

Historische Mobilität sei ein Thema, das viele Grenzen innerhalb der Gesellschaft aufhebe. Dass sich die Politik damit beschäftige, möge manchen erstaunen; es sei aber auch verständlich, das zu fördern. Immerhin habe eine große Umfrage ermittelt, dass sich 53 Prozent der Deutschen freuten, wenn sie ein klassisches Fahrzeug im Straßenverkehr sehen würden. »Bei Ihnen gehe ich mal von 100 Prozent aus«, wandte er sich an die zahlreichen Zuhörer. Nur wenige könnten dagegen mit dem »rostigen Hobby« nichts anfangen, fänden es fürchterlich. Er wisse, so Carsten Müller, dass sich die Oldtimer-Gemeinde beispielsweise in Umweltdiskussionen behaupten müsse. Sie könne aber auch einiges tun, um Problemen aus dem Weg zu gehen. So gehöre eine Ölfangmatte selbstverständlich unter ein geparktes Auto.

Der 2009 gegründete und etwa 80 Mitglieder starke Parlamentskreis, berichtete er, werde von fast allen Fraktionen getragen, lediglich die Grünen seien reserviert. Die Inhalte seien zum Teil staubtrocken, räumte er ein, beispielsweise die Fahrzeugzulassungsordnung. Da spreche man dann darüber, wie groß Nummernschilder sein dürften. In Verbindung mit Schriftarten sei das etwas, was viele besonders umtreibe: »Das haben wir rauf und runter.« Diskutiert werde auch über die Anerkennung der H-Kennzeichen für Oldtimer. Immerhin habe es der Arbeitskreis geschafft, dass die zuständigen Ministerien besser hinhörten. »Das H-Kennzeichen gibt es demnächst auch mit Saisonzuordnung«, überraschte er das fachkundige Publikum. Das sei, stellte er fest, ein ungewohntes Erscheinungsbild, und alle Buchstaben- und Zahlenkombinationen seien damit auch nicht möglich. Ebenfalls neu sei, dass das Sonn- und Feiertagsfahrverbot bald nicht mehr für Oldtimer-Lastkraftwagen gelte.

Die Oldtimer-Fahrer seien längst keine Randgruppe mehr, führte er aus. In Deutschland seien 1,8 Millionen über 30 Jahre alte Fahrzeuge zugelassen, allerdings zwei Drittel davon Zugmaschinen. 400.000 Fahrzeuge hätten ein H-Kennzeichen: 350.000 Pkw mit stark steigender Tendenz von etwa zehn Prozent pro Jahr, 40.000 Motorräder und schließlich einige Lastwagen.

Eine Oldtimerschwemme gebe es nicht, fuhr er fort. Der Zuwachs beziehe sich vor allem auf Fahrzeuge der Jahre 1965 bis 1975, auch Importe aus den USA, Frankreich und Großbritannien. Die Jahresfahrleistung sei bei den meisten Fahrern relativ gering, sie liege bei 2.000 Kilometern pro Jahr und werde noch auf 1.300 Kilometer sinken. Auch wenn es häufig zusätzliche Verkehre seien, die so gefahren würden: Immissionen sollten nicht zum Problem werden.

Viel spreche für die wirtschaftliche Bedeutung der Oldies: Man könne von einem Volumen von 16 Milliarden Euro für Old- und Youngtimer ausgehen, allein vier Milliarden Euro für H-Kennzeichen-Fahrzeuge, der Rest für Youngtimer. Sie sorgten dafür, dass es bei diesem Hobby keine Nachwuchsprobleme gebe. So sei ein Golf II ein gutes Einsteigerfahrzeug, das man sich auch leisten könne. 20.000 bis 24.000 Arbeitsplätze seien ebenfalls damit verbunden, und das sollten Handwerk und Mittelstand im Auge behalten.

Es gebe Bemühungen, automobiles Kulturgut als immaterielles Kulturerbe bei der Unesco anerkennen zu lassen. »Wir wollen historische Fahrzeuge weiter auf den Straßen sehen«, umriss er das Ziel dieser Bemühungen. Der erste Anlauf sei nicht erfolgreich gewesen, »aber wir bleiben am Ball.«

Oldtimer sollte man nicht zwangsläufig nur alten, reichen Männern zuordnen, wenngleich es schon ein Männerthema sei. Aber es gebe auch weibliche Gallionsfiguren, beispielsweise Heidi Hetzer, die soeben von einer Weltumrundung im Oldtimer zurückgekehrt sei. 4,4 Millionen Haushalte bezeichnen sich als »oldtimeraffin«, das bedeute sechs Millionen Interessierte. Ein Blick auf den zunehmend gefüllten Veranstaltungs- und Terminkalender bestätige das. Problematisch finde er es, wenn das Hobby nur unter Anlagegesichtspunkten betrachtet werde. Allerdings sei der durchschnittliche Wert pro Fahrzeug von früher 10.000 bis 15.000 Euro auf jetzt 12.000 bis 18.000 Euro gestiegen. Das seien Beträge, die für viele erschwinglich seien.

Der Arbeitskreis setzte sich für den Erhalt von H-Kennzeichen ein. Bei der Maut werde es keine Sonderbelastungen geben. Nachdenken müsse man darüber, wie es um die Zustandsnoten 1 bis 5 bestellt sei. Daran sollte man eventuell etwas verändern. Anfang der 90er Jahre gab es den Trend, Oldtimer »besser als neu« zu restaurieren. Heute dagegen setze man mehr auf authentische Fahrzeuge. Wenn etwas 35 Jahre alt sei, aber gepflegt und gebraucht, dürfe man das auch sehen.

Die meisten Eigentümer zeigten ihr Schätze gern, versicherte er. »Spritverbrauch ist nicht alles, auch ein Schlachtschiff kann mit einer guten Ökobilanz fahren«, verwies er auf seine Anreise im Plymouth: Der Wagen sei einfach zu reparieren, und er sei schon seit Jahrzehnten im Einsatz, so dass keine Ressourcen durch einen Fahrzeugneubau verbraucht worden seien. Einen Oldtimer zu fahren, sei auch ein Stück Lebensfreude.

PS.Förderfreunde: Viele Vorträge in diesem Jahr

Vier Vorträge waren es im vergan­genen Jahr, 2017 laden die Förderfreunde PS.SPEICHER zu sieben Veranstaltungen mit interessanten Referenten ein. Nach dem Auftakt mit Carsten Müller kommt am 18. Mai Doris Wiedemann. Die Motorradfahrerin berichtet über eine Winterreise durch Alaska. Am 30. Ju­ni ist Mark C. Schneider in Einbeck. »VW, eine deutsche Geschichte« lautet das Thema des Wissenschaftsjournalisten.

Im Rahmen des PS.SPEICHER-Geburtstags kommt am 21. Juli noch einmal Rainer Braun. Er beschäftigt sich mit den wilden Racing-Typen.

Professor Carl Hahn wird am 11. August über seinen Vater sprechen: »DKW-Hahn: ein Manager und Unternehmer der deutschen Kraftfahrzeugindustrie« ist sein Vortrag betitelt. In die 1970er geht es am 15. September, dann wird Eyke Isensees Film »Schluchtenflitzer« zu sehen sein – in einer der Hauptrollen eine Kreidler Florett. Zum Jahresabschluss ist im November Eckard Schimpf eingeladen, der auf Jägermeister-Rennsport und -Sponsoring eingehen wird. Beginn ist jeweils um 19 Uhr.

Für Förderfreunde ist der Eintritt frei, ansonsten wird ein Kostenbeitrag erhoben. Nach den Vorträgen ist Gelegenheit zum Gedankenaustausch bei Getränken und Snacks.ek