»Schlaflos durch die Nacht«

Margriet de Moor gastierte im Rahmen des Literaturherbstes in Einbeck

Im Alten Rathaus präsentierte Margriet de Moor im Rahmen des Göttinger Literaturherbstes ihre Novelle »Schlaflose Nacht«. Vorgestellt wurde die niederländische Autorin von Stephan Lohr.

Einbeck. Eine Frau berichtet von ihrer Schlaflosigkeit: Seit einiger Zeit verzichtet sie darauf, sich im Bett hin und her zu wälzen, steht stattdessen auf und backt Kuchen. So beginnt die Novelle »Schlaflos«, die Margriet de Moor im Rahmen des 25. Göttinger Literaturherbstes im Alten Rathaus in Einbeck präsentierte.

Stephan Lohr, Leiter der Literaturredaktion bei NDR-Kultur und Programmberater beim Göttinger Literaturherbst, stellte die niederländische Autorin mit internationalem Renommee umfangreich vor. De Moor stammt aus einer Lehrerfamilie mit zehn Kindern, der Vater war auch als bildender Künstler aktiv. Sie studierte zunächst Klavier und Gesang, dann Kunstgeschichte sowie Archäologie. Tätigkeiten als Musikpädagogin folgten, bevor sie 1984 mit ihrem Mann einen Salon für Künstler eröffnete.

Der Wunsch kam auf, die Musik und die Bilder in ihrem Kopf mit »erzählender Stimme« zu verbreiten, sie begann mit dem Schreiben. Für ihre erste Erzählung mit zehn Seiten nahm sie sich eine Woche Zeit, dann war das Werk fertig. Für sie überraschend fand sie schnell auch einen Verleger, der es veröffentlichte.

Nach ihrem Erstlingsroman »Rückenansicht« 1988 folgten unter anderem »Erst grau, dann weiß, dann blau«, »Der Virtuose«, »Herzog von Ägypten«, »Kreuzsonate«, »Sturmflut«, »Der Maler und das Mädchen«, »Melodie d’Amour« (2014) sowie jetzt die Neuauflage von »Schlaflose Nacht«. Im Rahmen der Frankfurter Buchmasse mit den diesjährigen Themenschwerpunkten Niederlande und Flandern trat sie ebenfalls auf und war fasziniert von dem wuseligen Treiben sowie dem großen Interesse.

Deutschland habe wie ihr Heimat Niederlande eine große Affinität zur Literatur, sagte de Moor. Viele freuen sich schon auf den nächsten Roman von ihr, der gerade ins Deutsche übersetzt werde. Ideen für Nuancen, Inhalte, Entwicklungen oder Geschehnisse in ihren Büchern sammele sie im Alltagsgeschehen, bei Beobachtungen, aus geschaffenen Bildern, die bei Musik oder Malerei entstehen, aber auch aus ihrer Familie. Bei neun Geschwistern war immer etwas los, es ereigneten sich viele Dinge, schmunzelte die Autorin. Zudem hätte auch ihr Vater 12 Geschwister, ihre Mutter neun Schwestern und Brüder sowie ihre Tante 16 Kinder, Familienzusammenkünfte waren immer ereignisreich und spannend.

De Moor verstehe sich auf die subtile Beschreibung menschlicher Beziehungen samt zarter Erotik und detailgetreuer Erklärung des die Geschichte umspielenden Rahmens, erklärte Lohr. Nicht das psychologisierende Schreibe stehe im Vordergrund, de Moor wolle Situation feingliedrig wie mit einem Pinsel auftragen und hervorheben. Es entstehen unmittelbare, sinnliche Erlebnisse. Gezielt setze sie wie bei »Schlaflose Nacht« Akzente und umschreibe dann facettenreich und spannungssteigernd die Rahmenhandlung, bevor sie den Leitfaden wieder aufnehme und ihn sukzessive weiterspinne. Die filigrane Sprache mit dem musisch-künstlerisch geprägten Grundryhthmus zeichne sie aus, betonte Lohr. Die »Stimme des Buches«, der Inhalt, sei wie das Musiktempo »Andante«, langsam, aber kontinuierlich vorangehend.

In der modifizierten und neu übersetzten Novelle schreitet ein Frau »schlaflos durch die Nacht«. Statt sich im Bett herumzuwälzen, bereitet sie in der Küche bretonische Schinkenquiche, Apfelkuchen oder russischen Zupfkuchen vor. Als sie Teig mit großer Kraft knetet, spürt sie unter ihren Füßen den weichen Holzboden ihres alten Bauernhauses . Die Sinnlichkeit verbindet sie mit haptischer Anstrengung, die auf eine lange unbeantwortete Frage hinweist: Warum hat sich ihr Mann vor 13 Jahren nach nur vierzehn Monaten dauernden Ehe im Gewächshaus umgebracht? Eine Antwort findet sie nicht, stattdessen treibt sie die Ruhelosigkeit an.

Immer wieder versucht sie das Geschehene aufzuarbeiten, sie führt viele Gespräche mit ihrer Schwägerin. Diese schlägt auch vor, Ablenkung bei Liebhabern zu suchen. Trotz der folgenden Gesellschaft eines Mannes, der nach gemeinsamer angeregter Zeit tief und fest in ihrem Bett schläft, zieht es sie wieder in ihre Küche. Sie hat sich in ihrem Haus, das sie trotz des Todes des Ehemanns weiter bewohnt, der Stille genähert, sie gezähmt und für sich aufgenommen. Statt in die Arme des unbekannten Mannes in ihrem Bett zurückzukehren, erstellt sie allein in der Küche einen Butterkuchen mit Zimt.

Von der Präsentation der »Schlaflosen Nacht« und von Margriet de Moor war das Publikum im Alten Rathaus angetan. Viele interessierte Fragen wurden der Autorin gestellt, die auch den zahlreichen Autogrammwünschen gern nachkam.mru