Acht Sonnenuhren sind erhalten

Sonnenuhr an der Neustädter Kirche eine der ältesten Deutschlands | Nicht mehr exakt ausgerichtet

Sechs Einbecker Sonnenuhren (oben): Münsterkirche St. Alexandri; unten: Marktkirche, St. Bartholomäus-Kapelle, Neustädter Kirche.

Einbeck. Heutzutage genügt ein Blick auf die Armbanduhr oder das Smartphone, um sich die Zeit anzeigen zu lassen. Im Mittelalter war das natürlich nicht möglich. Damals musste man die Glockenschläge der Kirche zählen – oder den Blick auf eine Sonnenuhr werfen. Von den Einbecker Sonnenuhren sind heute noch acht erhalten. Drei finden sich an der Münsterkirche St. Alexandri, jeweils zwei an der Marktkirche und der Kapelle St. Bartholomäus und eine an der Neustädter Kirche.

Sonnenuhren sind die ältesten Zeitmesser - sie zeigten den Menschen im alten Ägypten schon vor 7000 Jahren die Zeit an. In Europa gab es sie seit dem siebten Jahrhundert. Im Mittelalter wurde die Zeit in Stunden und Minuten eingeteilt und während der sonnenlosen Zeit behalf man sich mit Stundenkerzen, an denen Markierungen jeweils den Abstand von einer Stunde darstellten. Eine andere Möglichkeit der Zeitmessung waren Wasser-, Öl- und Feueruhren. Vor 700 Jahren stellten Uhrmacher die ersten mechanischen Uhren her. Allerdings waren diese noch sehr teuer.

Nur Herzöge, Fürsten und reiche Kaufleute konnten sich eine solche Uhr leisten. Im 14. Jahrhundert kamen Sanduhren auf, die nach einem komplizierten Verfahren hergestellt wurden: »Man nehme Mehl von schwarzem Marmor, das neunmal gründlich in Wein gekocht, neunmal abgeschäumt und neunmal an der Sonne getrocknet wird«. Im 15. Jahrhundert kamen die Sonnenuhren wieder in Mode. Der Stab oder »Gnomon« war parallel zur Erdachse ausgerichtet und der Neigungswinkel gegen die Ebene des Horizontes war mit der geographischen Breite des Aufstellungsortes identisch.

Damit eine Sonnenuhr das ganze Jahr über gleich bleibend die Zeit anzeigen konnte, wurde der Polstab parallel zur Erdachse angebracht. Der Schatten des Stabes überstrich auf diese Weise einen immer gleich großen Zeitabschnitt. Natürlich gab es auch in Einbeck Sonnenuhren. Viele hundert Jahre zeigten sie den Einbecker Bürgern die Zeit an. Von den acht noch existierenden Einbecker Sonnenuhren sind vier intakt. Am genauesten funktioniert die Sonnenuhr am südöstlichen Strebepfeiler der Marktkirche, schräg gegenüber vom Eingang des Alten Rathauses.

Dabei muss man bedenken, dass Sonnenuhren die so genannte »wahre Ortszeit« anzeigen. Seit der Einführung der mitteleuropäischen Zeit spielt die Ortszeit am jeweiligen Breitengrad nur noch eine untergeordnete Rolle. Dennoch kann man an Sonnenuhren, egal wo sie sich befinden, auch ohne ein modernes Navigationsgerät immer noch ungefähr ablesen wo man sich gerade befindet. Die älteste Einbecker Sonnenuhr ist die der Neustädter Kirche. Sie stammt aus dem Jahr 1467 und zählt zu den ältesten Sonnenuhren Deutschlands.

Nach dem Abriss der alten Kirche wurde sie an der Südseite des neuen Gotteshauses am Sülbecksweg angebracht. Allerdings ist sie heute nicht mehr exakt ausgerichtet, so dass sie die Zeit nur noch ungenau anzeigt. Die Sonnenuhren der Münsterkirche sind um 1500 angebracht worden. Die beiden Uhren an der Marktkirche stammen aus den Jahren 1603 und 1790. Zwei weitere Sonnenuhren finden sich an der Südseite der Bartholomäus-Kapelle an der alten Bundesstraße 3. Beide sind stark verwittert und ihnen fehlt schon seit langer Zeit der Polstab.

Eine dieser Sonnenuhren ist am Sockel eines Strebebalkens angebracht und kaum noch zu erkennen. Der ungewöhnliche Standort in knapp einem Meter Höhe lässt darauf schließen, dass sie möglicherweise zum Vorgängerbau der Kapelle gehörte und in das neue Gebäude eingebaut wurde. Gleich drei Sonnenuhren befinden sich an der Südseite der Münsterkirche St. Alexandri. Das größte Exemplar ist rechts vom Südportal zu sehen, eine weitere Uhr ist an der Südwand des Westwerkes angebracht. Die dritte Sonnenuhr ist heute kaum noch zu erkennen.

Sie befindet sich, genau wie die erste Uhr der Marktkirche, in mehreren Metern Höhe am südöstlichen Strebepfeiler. Der Polstab fehlt und man kann unterhalb der Rillen gerade noch einige auf den Putz aufgemalte Zahlen erkennen. Auch die Einbecker Sonnenuhren beruhen auf dem Prinzip, dass sich die Erde im Laufe des Tages einmal um sich selbst dreht. Aufgestellt wurde diese These des heliozentrischen Weltbildes um 1510 vom polnischen Astronom Nikolaus Kopernikus.

Galileo Galilei unterstützte diese These etwa 100 Jahre später, musste sie aber unter dem Druck der Kirche zurückziehen. Den berühmt gewordenen Satz »und sie bewegt sich doch« konnte er nur unter vorgehaltener Hand aussprechen, um sich nicht der Verfolgung durch die Inquisition auszusetzen. Offiziell blieb es also dabei, dass sich alle Planeten einschließlich der Sonne um die Erde drehten. Die Sonnenuhren (nicht nur) der Einbecker Kirchen zeigen aber, dass sich die Kirchen das Prinzip der Erddrehung dennoch zunutze gemacht haben.wk