Die Opfer von Kriminalität in den Blick nehmen

Weißer Ring und Stiftung Opferhilfe zum Tag der Kriminalitätsopfer | Schnelle Hilfe ermöglichen

Einbeck/Northeim. Am 22. März war der bundesweite Tag der Kriminalitätsopfer. Während in der polizeilichen Arbeit häufig die Täter im Fokus stehen, rücken Organisationen wie der Weiße Ring oder die Stiftung Opferhilfe Niedersachsen die Opfer von Straftaten in den Mittelpunkt. Der Weiße Ring hat diejenigen, die mit Opfern Kontakt haben, dazu aufgefordert, sich besser in deren Lage hinein zu versetzen und schnellere Hilfe zu gewähren.

Vor Ort wird diese Forderung allerdings schon gut umgesetzt: Sowohl der Weiße Ring als auch die Stiftung Opferhilfe mit Sitz in Göttingen arbeiten Hand in Hand miteinander und auch mit der Polizei: »Damit das Opfer nicht allein bleibt«, wie der Leiter der Polizeiinspektion Northeim-Osterode, Hans Walter Rusteberg, betont. Der Polizei seien allerdings Grenzen gesetzt, sich um Opfer zu kümmern, und so sei man dankbar für die Zusammenarbeit.

Man wisse, dass es hier gute Ansprechpartner gebe. Mit acht Mitarbeitern ist der Weiße Ring im Landkreis Northeim vertreten, berichtete Außenstellenleiterin Dagmar Presse-Traupe. »Damit sind wir gut aufgestellt.« Es gebe andererseits für die ehrenamtlich Tätigen aber auch viel zu tun. So gehen auf ihrem Telefon durchschnittlich vier bis fünf Anrufe pro Woche ein. Manchmal bleibt es bei einem Telefonanruf, anderes dauert länger.

»Wir bemühen uns, möglichst schnell zu reagieren - ein, zwei, drei Tage, länger sollten die Opfer nicht auf Unterstützung warten«, versichern Dagmar Prelle-Traupe und Weißer-Ring-Mitarbeiter Gerhard Noa. 2014 haben der Weiße Ring und die Polizeiinspektion als erste in Niedersachsen einen Kooperationsvertrag geschlossen, erinnert Polizeihauptkommissar Dirk Schubert vom Präventionsteam der Polizei Northeim.

Die Polizei stellt für die Opfer dabei Kontakt zum Weißen Ring her, wenn etwa jemand nach einem Einbruch oder einer Vergewaltigung traumatisiert ist. Erfahrungsgemäß fällt es den Opfern häufig schon schwer, diesen Schritt zu gehen - umso besser, wenn die Polizei den Kontakt auf kurzem Weg herstellen kann. Oft sitzt das Trauma dagegen so tief, dass die Opfer Zeit brauchen, sie melden sich dann erst Wochen später beim Weißen Ring.

Die Organisation sieht auch die Profis in der Pflicht, etwa die Krankenkassen, denn es gibt zu wenig Psychotherapeuten für Opfer. Die Krankenkassen, so die dringende Forderung, sollten bundesweit mehr Therapeuten zulassen, um Opfern schneller und effektiver zu helfen. Wartezeiten von einem halben oder sogar einem ganzen Jahr seien ein unhaltbarer Zustand, so Gerhard Noa und Dagmar Prelle-Traupe.

Stark zugenommen hat die Zahl der Hilfesuchenden nach sexuellem Missbrauch, und gerade für sie ist eine schnelle Therapie notwendig. Beratungsschecks stellt der Weiße Ring für die Erstberatung bei Anwalt oder Psychologen aus. Für den Weißen Ring und die Opferhilfe beginnt die Betreuung, wenn die Arbeit der Polizei beendet ist. »Wir hören erstmal zu«, so die Außenstellenleiterin.

Die Opfer wollten meist etwas loswerden. Die Mitarbeiter unterliegen der Schweigepflicht. »Das wichtigste ist der menschliche Beistand«, diese Erfahrung teilen alle Helfer. Manche Fälle werden über Jahre begleitet, unter anderem auch zur Gerichtsverhandlung.

Für die Opfer ist das alles meist neu, und hilfreich kann dabei unter Umständen schon eine gemeinsame Besichtigung des Gerichtssaals sein. Außerdem sehen sich Opfer immer wieder der Situation ausgesetzt, dass sie als unglaubwürdig dargestellt werden sollen - dann Hilfe ebenfalls ein starker erfahrener Partner. Ähnlich arbeitet auch die Opferhilfe. Deren psychosoziale Prozessbegleitung ist seit 2009 gesetzlich verankert.

Bei bestimmten Deliktgruppen können die Mitarbeiter auch beigeordnet werden, das heißt, sie sitzen während der Verhandlung neben dem Opfer - und bleiben auch dort. »Wir erklären und informieren«, erläutern Silke Lorenz und Carmen Zipser, die ihr Büro im Göttinger Gerichtsgebäude haben.

Als Übersetzertätigkeit oder Lotsenfunktion sehen sie ihre Tätigkeit, geht es doch darum, den Opfern in vielen neuen Situationen beizustehen oder auch Ansprechpartner zu vermitteln. Zu anderen Opferhilfen haben alle ein enges Netzwerk geknüpft, sie pflegen regelmäßige Kontakte, wobei der Weiße Ring, der 1076 gegründet wurde, der erste war, er sich auf die Opfer konzentrierte.

»Wir als Polizei könnten das gar nicht leisten«, so Dirk Schubert. Die Arbeit, die von den Organisationen geleistet werde, sei nicht zu ersetzen. Dabei seien auch ganz praktische Hilfen wichtig, etwa ein finanzieller Zuschuss, wenn jemand nach einem Einbruch den Schließzylinder austauschen möchte, um sich wieder sicherer zu fühlen. »Diese Hilfe können wir ohne großen Aufwand gewähren«, erläutert Gerhard Noah.

Er verweist auf die gute Zusammenarbeit, etwa bei der Prävention im Bereich Zivilcourage und Einbruchschutz. »Zeig Zivilcourage. Notruf 110« ist eine Kampagne betitelt, mit der der Weiße Ring dafür wirbt, Opfern zu helfen, allerdings: »Gefährde Dich nicht selbst. Kümmere Dich um das Opfer.« Finanziert wird die Arbeit des Weißen Rings aus Mitgliedsbeiträgen, aus Spenden oder auch aus Nachlässen. Die Opferhilfe bekommt Unterstützung etwa durch Geldbußen, die von Gerichten verhängt werden.ek