Anti-Terror-Einsatz schockiert Northeim

26-jähriger Deutscher bastelte an Bombe / Konvertiten keine Seltenheit bei Salafisten

Bombenbau hinter Fachwerkfassade: Der festgenommene Mann wohnte in einem der Häuser in der idyllischen Innenstadt. Foto: DPA

Northeim. Northeims Bürgermeister Hans-Erich Tannhäuser zeigte sich gestern »schockiert und sehr betroffen«. Gerade hatte er erfahren, dass hinter einer der idyllischen Fachwerkfassaden ein 26-jähriger Salafist an einer Bombe gebastelt hatte, mit der er Soldaten oder Polizisten töten wollte.

Für Tannhäuser sei es unfassbar, dass in einer Stadt mit 30.000 Einwohnern so ein Verbrechen geplant wurde. »Die Hintergründe müssen jetzt genau ermittelt werden«, fordert er.

Es ist nicht klar, ob überhaupt irgendjemand im Ort wusste, dass in der Nachbarschaft ein Radikaler wohnt. Doch als die Polizei am Dienstag in die Wohnung eindrang, fand sie Sprengstoffe, Fernzünder und einen Mann, der einräumte, damit Menschen töten zu wollen.

Schnell drang durch, dass es sich bei dem islamistischen Terrorverdächtigen um einen Deutschen handelt, ohne Migrationshintergrund.

Das mag vielen untypisch erscheinen, ein Einzelfall ist es nicht. »Seit den frühen Tagen von Al-Kaida erleben wir, dass die Szene zu 20 bis 30 Prozent aus Konvertiten besteht – bis in die höchsten Führungsebenen hinein«, sagt Michael Kiefer, Islamwissenschaftler an der Universität Osnabrück. Auch die Salafistenszene aus Dinslaken (Nordrhein-Westfalen) bestand zu einem großen Teil aus Konvertiten. »Wir haben immer davor gewarnt, nur den Muslimen das Problem der Radikalisierung zuzuschieben«, so Kiefer. Auch dass es keinen offensichtlich erkennbaren Kontakt des Northeimers zu örtlichen Extremisten gab, ist nicht ungewöhnlich.

Schon vor Jahren warnte das Bundeskriminalamt, die Radikalisierung junger Menschen gehe immer schneller und erfolge immer häufiger über das Internet. Ein besonders erschreckendes Beispiel dafür war ein Zwölfjähriger aus Ludwigshafen, der im Dezember zwei Anschläge auf einen Weihnachtsmarkt geplant hatte. Eine Verbindung zu örtlichen Salafisten konnte nicht festgestellt werden – der Junge hatte seine Anweisungen laut Medienberichten über das Internet erhalten.

Durch solche Fälle erscheine es manchmal so, als gebe es »BlitzRadikalisierungen«, meint Kiefer. Das sei aber falsch: »Eine Radikalisierung dauert zwei bis drei Jahre.« In dieser Zeit sei die Umgebung des Betroffenen besonders gefragt: »Man muss eine wachsame Sorge entwickeln«, so Kiefer.

In Northeim war gestern eine Mischung aus Angst und Gleichgültigkeit zu spüren.

Der Justizbeamte vor dem City Center sprach von einem gewissen Unbehagen, das ihn neuerdings ereile, wenn er sich in seiner Dienstkleidung zeige. Der festgenommene Salafist habe es immerhin auf Staatsvertreter wie ihn abgesehen gehabt. Das sei schon erschreckend.

Razzien gegen Terrorverdächtige

Durch die Festnahme islamistischer Terrorverdächtiger wurden womöglich schon mehrere Anschläge verhindert. Einige Fälle aus diesem Jahr:

Februar 2017: In Köln beginnt ein Prozess gegen einen Flüchtling aus Syrien, der einen Sprengstoffanschlag geplant haben soll.

Februar 2017: In Göttingen werden zwei Männer aus der salafistischen Szene unter Terrorverdacht festgenommen.

Februar 2017: Bei einer Razzia in Frankfurt wird ein 36jähriger Tunesier festgenommen, der für den IS einen Anschlag geplant haben soll.

Januar 2017: In Berlin beginnt ein Prozess gegen einen 20jährigen Syrer, der angeblich für den IS potenzielle Anschlagsziele ausgekundschaftet hat.

Von Heiko Randmann und Maximilian Zech.oh

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