Handwerk wird Herausforderungen meistern

Gildentag in der Northeimer Stadthalle: Vertrauen in die Zukunft und in die Währung

Gut besucht war in diesem Jahr die Festkundgebung des Handwerks.

Mehr als 400 Gäste aus Handwerk, Verwaltung, Finanzwesen und Politik wollten beim Gildentag in der Northeimer Stadthalle hören, was das Handwerk zu sagen hat und auch verdiente Gesellen, Meister und Mitarbeiter würdigen. Für ein »update« im gesellschaftspolitischen Bereich plädierte Kreishandwerksmeister Ulrich Schonlau. Das Gemeinwesen, analysierte er, sei abhanden gekommen, und dabei »sitzen doch alle im gleichen Boot«.

Northeim. Den Fokus auf Vertrauen richtete auch der Festredner Burkhard Balz, Mitglied des Vorstandes der Deutschen Bundesbank. Und als stellvertretender Landrat dankte Christian Grascha den 1.415 Betrieben im Landkreis, die zum Zusammenhalt beitragen. Dass große Umbrüche anstehen, unterstrich Götz Girmann, stellvertretender Kreishandwerksmeister. Das Handwerk müsse Selbstbewusstein entwickeln, damit sich Vertrauen in die Zukunft ergebe und so die Herausforderungen gemeistert werden können.

Das geistliche Wort übernahm Dechant Andreas Pape von der katholischen Kirchengemeinde Mariä Heimsuchung. Er nahm Josef, den Handwerker, in den Blick. Handwerker, formulierte er, trügen mit ihrer Arbeit dazu bei, dass die Welt noch lange bestehen bleibe. Sie führten ihre Mitarbeiter angemessen und müssten mit den Kunden in den Dialog treten. Zudem sollten sie offen sein und durch den kollegialen Austausch und das Gespräch die eigenen Gedanken ergänzen.

Da der Gildentag am 75. Befreiungstag des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau stattfand, erinnerte Christian Grascha als stellvertretender Landrat daran, dass Antisemitismus »in unserem Land nichts zu suchen hat – egal woher und von wem«. Grascha überbrachte Grüße von Landrätin und Kreistag. Er dankte dem Handwerk für die Steuereinnahmen. Denn: »Erwirtschaften geht vor Verteilen«. Zudem dankte er für das ehrenamtliche Engagement der Handwerker, beispielsweise in Vollversammlung oder Prüfungskommission.

Als Aufgaben nannte er die Stärkung der dualen Ausbildung und die Notwendigkeit, junge Menschen für Berufsausbildungen zu begeistern. »Das Handwerk bietet hervorragende Möglichkeiten.« Der Landkreis als Schulträger investiere in die Schulen, unterstrich er. Aber er stellte auch fest, dass Bürokratieabbau notwendig sei – und verwies augenzwinkernd auf die allseits diskutierte Bon-Pflicht.

Die Bedeutung des Handwerks als wichtigen Wirtschaftsfaktor stellte der Northeimer Bürgermeister Simon Hartmann heraus. Einer Studie zufolge seien immer noch die etablierten Berufe gefragt. Handwerkliche Berufe kämen bei Jugendlichen kaum vor. »Ein Roboter aber wird keine Heizung bauen«, stellte er heraus. Es sei also wichtig, junge Menschen in Zeiten der Digitalisierung an neue Berufe heranzuführen, aber auch Interesse am Handwerk zu wecken.
Notwendig seien im öffentlichen Bereich Investitionen, dafür sollten Bund und Land Haushaltsüberschüsse bereit stellen, forderte Hartmann. Die Kommunen, sagte er, »stehen dem Handwerk zur Seite«.

Kreishandwerksmeister Ulrich Schonlau plädierte für einen Neuanfang, denn um die Menschlichkeit sei es mittlerweile schlecht gestellt. Weder rechter, noch linker Extremismus sei gut. Nötig sei ein Neuanfang, beim Bürokratieabbau oder der verbesserten Infrastruktur. Es sollte nicht jeder sein eigenes Süppchen kochen, mahnte er.

Unter die Prämisse »Vertrauen – Grundlage für Wirtschaft und Währung« stellte der Festredner Burkhard Balz seine Ausführungen. Balz, seit 2018 Mitglied des Vorstandes der Deutschen Bundesbank, ist für die Bereiche Zahlungsverkehr und Abwicklungssysteme, ökonomische Bildung und internationaler Zentralbankdialog zuständig. Der Jurist und gelernte Bankkaufmann gehörte von 2009 bis 2018 dem Europäischen Parlament an.

Der »überzeugte Niedersachse« unterstrich: »Vertrauen ist der Kitt, der alles zusammenhält«. Das gelte auch für Handwerksbetriebe, denn nur wenn die Kunden ihnen vertrauten, könnten die Handwerker erfolgreich arbeiten. Vertrauen sei auch die Grundvoraussetzung für die tägliche Arbeit der Bundesbank. Geld habe drei Funktionen: als Tauschmittel, als Recheneinheit und als Mittel zur Wertaufbewahrung. Geld sei ein Versprechen in die Zukunft. Das System müsse funktionieren.

Geld brauche Vertrauen, denn ohne Vertrauen darin könne die Wirtschaft nicht funktionieren. Der Euro, fuhr Balz fort, habe sich Vertrauen gut erarbeitet, und die Zentralbank beobachte neue Entwicklungen – wie Währungen von sozialen Medien – sorgfältig. »Sie können dem Euro vertrauen«, formulierte der Festredner.

Die Jubilare und Sieger im Leistungswettbewerb zeichnete Thorsten Ußkurat, Vizepräsident der Handwerkskammer Hildesheim-Südniedersachsen, aus. Er bekräftigte, dass sich das Handwerk weiter für das kostenlose Azubi-Ticket einsetzen werde, und auch an der »Finanzierung der überbetrieblichen Unterweisung« bleibe man dran. Denn: »Gute Ausbildung gibt es nicht zum Nulltarif.«

Der Ehrenamtspreis 2019 ging an Hartmut Hartje aus Höckelheim. Der Bäckermeister hat sich vielfältig ehrenamtlich engagiert.

Zum Abschluss fand der stellvertretende Kreishandwerksmeister Götz Girmann klare Worte. Seiner Meinung nach befindet sich die Gesellschaft in einer Vertrauenskrise. Wie könne man einem you-tube-influencer mehr glauben als einer Tageszeitung? Das Handwerk genieße noch Vertrauen, die gesamte Wirtschaft stehe und falle mit ihm. Der handwerklichen Ausbildung müsse man den Stellenwert geben, der ihr gebühre. Denn das Handwerk sei die »Wirtschaftsmacht von nebenan« – die Unternehmen seien standorttreu, förderten die Vereine und nähmen die anstehenden Herausforderungen an.

Für den musikalischen Rahmen sorgten Heike, JoJo und (neu am Schlagzeug) Marco. Beim rustikalen Imbiss blieb Zeit für den Austausch. Der steht auch im Mittelpunkt am Handwerkerball am 29. Februar in der Northeimer Stadthalle.sts

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