»Das Ehrenamt ist das Rückgrat unseres Sports«

Neujahrstreffen des NFV in Barsinghausen | DFB-Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus zu Gast

Moderator Gerd Delling, der Präsident des Niedersächsischen Fußballverbandes, Günter Distelrath, DFB-Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus und Lutz Michael Fröhlich vom DFB (von links) beim Neujahrstreffen im Barsinghausen.

Einbeck/Bartshausen. »Die Spieler werden nicht langsamer, weil ich als Frau der Schiedsrichter bin«: Bibiana Steinhaus und Lutz Michael Fröhlich talkten als Ehrengäste des siebten Krombacher Neujahrstreffen des Niedersächsischen Fußballverbandes (NFV) mit Moderator Gerhard Delling. »Ich habe es als Willkommensgeste empfunden.

Sie war nicht despektierlich, wird sich aber auch nicht wiederholen. Da waren wir uns einig.« Ohne Groll, sondern immer noch amüsiert blickte FIFA-Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus auf die Szene zurück, die in Fußball-Deutschland für Heiterkeit sorgte und ihr aufgrund ihres souveränen Auftretens jede Menge weiterer Sympathien einbrachte - hatte es doch Bayern-Star Franck Ribery im vergangenen Jahr im Pokalspiel gegen Chemnitz tatsächlich gewagt, der Unparteiischen die Schnürsenkel zu öffnen.

Beim Neujahrstreffen des NFV im Zechensaal des Besucherbergwerks Barsinghausen war es nicht allein diese Anekdote in einer kurzweiligen Talkrunde, die rund 180 Gäste in ihren Bann zog. Dem gut aufgelegten Moderator Gerhard Delling gelang es vielmehr, den Ehrengästen des NFV, Weltschiedsrichterin Bibiana Steinhaus und Lutz Michael Fröhlich, Leiter der Abteilung Schiedsrichter beim DFB und Projektleiter »Video-Assistent«, Wissenswertes rund um das Schiedsrichterwesen zu entlocken. »Wieviele Fahnen hat der Papa im Keller?«, wollte Delling eingangs von Bibiana Steinhaus wissen.

Hintergrund: Vater Steinhaus hisst bei jedem internationalen Einsatz seiner Tochter die Flaggen der beteiligten Länder im heimischen Garten. Die Zahl der Fahnen ist der niedersächsischen Top-Schiedsrichterin zwar nicht geläufig, aber sie weiß, dass die Fahnenkunde à la Steinhaus senior für die benachbarten Kinder immer dann eine Herausforderung darstellt, wenn zum Beispiel Länder wie Ecuador im Wind wehen.

Der Video-Assistent ist laut Delling das »Lieblingsthema der letzten Monate«. Bibiana Steinhaus bekannte sich als »Fan des Assistenten«. Ihre Begründung: »Ich möchte nicht der Schiedsrichter sein, der das Maradona-Handspiel übersehen hat.« Im Zweifelsfall sei der Assistent hilfreich, nehme dem Spielleiter letztlich aber die Entscheidung nicht ab. Ob der Assistent zur Institution werde, wollte Delling wissen.

Die Weichen seien, auch für die WM 2018, erst einmal auf »Assistent« gestellt, wusste Fröhlich. Geduld sei gefragt, es werde noch justiert, so der Projektleiter, der den momentanen Verlauf des Experiments als gut bezeichnete. »Der Assistent kann uns einen Mehrwert bringen. Krasse Fehlentscheidungen werden identifiziert, es sollte allerdings auch nicht zu viel seziert werden.« Bibiana Steinhaus hat als erste Frau in der Männer-Bundesliga »überwiegend positive Erfahrungen gemacht«, dabei aber die Strahlkraft des Fußballs unterschätzt.

Die Hannoveranerin ist überzeugt, dass andere Länder dem Gleichstellungsbeispiel der Bundesliga nacheifern werden, denn »wenn die Leistung stimmt, spielt das Geschlecht keine Rolle. Leistung erzeugt Akzeptanz.« Ob es das Ziel des DFB gewesen sei, eine Frau in die erste Reihe zu stellen, interessierte Delling. »Es war Bibianas Ziel, und am Ende war die Zeit reif«, entgegnete Fröhlich. Steinhaus ist bewusst: »In Deutschland müssen sich viele Menschen erst einmal an eine Schiedsrichterin gewöhnen.«

Als ein »Riesengeschenk« bezeichnete es die 38-Jährige, in der Bundesliga dabei sein zu dürfen. Ihrem Dienstherrn, der Polizei Niedersachsen, ist sie dankbar, dass er es ihr durch Freistellungen ermöglicht, ihren Sport auszuüben. Steinhaus erinnerte daran, dass sie Leistungssport betreiben müsse, denn: »Die Spieler werden nicht langsamer, weil ich als Frau der Schiedsrichter bin.«

Auch für Schiedsrichter gebe es gute und weniger gute Tage. »Gab es mal eine Phase, in der Sie am Boden zerstört waren«, fragte Delling seine Gesprächspartner. Sowohl Steinhaus als auch Fröhlich haben Erfahrung gemacht. Steinhaus ist aber überzeugt: »Für jede Sportlerkarriere ist der Umgang mit Niederlagen entscheidend für die Entwicklung. Aus allen Situationen kann man etwas lernen.«

Fröhlich erinnerte sich an ein Spiel zwischen Bayer 04 Leverkusen und Werder Bremen, bei dem es für ihn als Unparteiischer überhaupt nicht rund gelaufen sei. Zu diesem Zeitpunkt beruflich überlastet, sei eine vierwöchige Schiedsrichter-Auszeit für ihn sehr hilfreich gewesen. »Hätten Sie jemals gedacht, als Schiedsrichter auch Talkshows bedienen zu müssen?«, lautete die abschließende Frage von Gerhard Delling.

»Ich finde es immer gut, zu kommunizieren«, so Fröhlich, und Steinhaus ergänzte, sie begreife es als »Riesenchance, teilnehmen zu dürfen. Es ist eine tolle Möglichkeit, für die Schiedsrichterei zu werben.« Für Günter Distelrath war es das erste Neujahrstreffen, das unter seiner Regie stattfand.

Der NFV-Präsident freute sich in seiner Begrüßungsansprache, dass es gelungen war, das prominente Trio für die traditionelle Talkrunde zu gewinnen. Zu Bibiana Steinhaus verriet der 64-Jährige den Gästen: »Für den heutigen Abend war sie von Anfang an meine Wunschkandidatin als Talkgast.« Ebenso sehr erfreut zeigte er sich, dass Lutz Michael Fröhlich und Gerhard Delling den Weg nach Barsinghausen eingeschlagen hatten.

Letzterer moderierte bereits zum fünften Mal das Krombacher Neujahrstreffen. Wie in der Vergangenheit verzichtete er auf sein Honorar, das erneut dafür verwendet werden soll, Kindern aus einem sozial benachteiligten Umfeld die Teilnahme an der Sparkassen-Fußballschule des NFV zu ermöglichen.

Neben einem kleinen Ausblick auf die bevorstehende Fußball-Weltmeisterschaft in Russland unterstrich Distelrath den hohen Stellenwert, den er dem Ehrenamt einräumt. »Es ist das Rückgrat, die Lebensader unseres Sports«, so der Präsident, der jedes Engagement vor allem als »ein Geschenk an Zeit« ansieht.

»Im niedersächsischen Fußball sind es über 50.000 ehrenamtlich tätige Frauen und Männer, die ihre Zeit anderen schenken und denen man dafür nicht oft genug Danke sagen kann!« Distelrath betrachtete die ehrenamtliche Struktur im deutschen Fußball als einmalig in der Welt. Es gelte, sie zu bewahren.oh

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