Als »100 Kilo Roggen 26 Billionen Mark« kosteten

Was Dasseler Denksteine erzählen – zusammengetragen von Annelise Bartels und Manfred Schnepel

Hunger- und Hoch­wassersteine, Ehrenmale und Kreuzsteine: In ­Dassel gibt es viele Denksteine. Über 20 stellen Annelise Bartels und Manfred Schnepel jetzt in Band 14 ihrer »Zeit­spuren aus Dassel« vor, auf 60 Seiten in hervor­ragend lesbarem Schriftgrad.

Dassel. Steinerne Historie ins Bewusstsein rücken, ermuntern, sich damit einmal zu befassen beim Vorübergehen, das ist das Anliegen des Duos. Parallel zur Arbeit an den weiteren »Zeitspuren«-Heften, befassten sie sich über Jahre immer wieder mit den einzelnen Denksteinen, wälzten Pfarrchroniken, Staatsarchivakten, schlugen bei Letzner, Harland und Dassels einstigem Stadtarchivar Hans Mirus nach und notierten Zeitzeugenaussagen. Natürlich sei das zusammengetragene Material nicht vollständig, so die zwei. Weitere Hinweise nehmen sie gern entgegen, zum Beispiel zum »Niedersachsenross« und der Jahreszahl 1731 auf der Steinsäule im alten Stadtpark. Vielleicht weiß auch jemand Näheres zum Verbleib eines seit Ratskeller-Bauarbeiten 1997 nicht mehr vorhandenen Schlusssteins mit Dasseler Geweih und dem Buchstaben »D« in der Mitte?

Acht Seiten befassen sich mit jenem Stein, der der Mutter des letzten Grafen von Dassel gewidmet ist, Irmingard, die 1325 von einem Baum stürzte und starb. Ausführlich wird von den Bemühungen Hans Mirus’ berichtet – ebenso beim Schäferstein, einem sogenannten Sühnestein -, dieses älteste Wahrzeichen Dassels zu bewahren und zu erforschen. Die mythologischen Zeichen werden erläutert sowie die Legenden, die Leseunkundige sich zu der bildhaften Gestaltung erzählten.

Roggensteine neben dem Kriegerdenkmal geben Auskunft zu Hunger- und Krisenzeiten mit überteueren Roggenpreisen wie 1557, dann im Dreißigjährigen Krieg 1625 und schließlich zur Inflation 1923: »im November 1923 kosteten 100 kg Roggen 26 Billionen Mark«. Eine weitere steinerne Erinnerung an eine »Krise«, nämlich an ein Hochwasser am 4. Februar 1909, steht an der Landstraße zwischen Dassel und Sievershausen.

Der runde Denkstein am Gradanger, wo zwischen 1808 und 1844 ein Friedhof war, ist kein Tisch, sondern ein Grabstein. Dessen Inschrift ergründete Manfred Schnepel einst mit Schülern: Eine Wilhelmine Hasenbalg wurde hier 1852 beerdigt. Ein Vorfahr ihres Mannes gründete die Papiermühle an der Ilme und stiftete den Altar für die St.Laurentiuskirche.

Etwas ganz Besonderes verbirgt sich an einem Privathaus in der Ritterstraße, die früher Düstere Straße hieß: eine Grabplatte an einer Fachwerkwand, versehen mit Ornamenten wie Totenkopf und Lebens-Sanduhr für eine Anna Maria Catharina Schlanstein, die von 1691 bis 1751 lebte und Tochter eines Amtsvogts auf der Poppenburg war. Das Grundstück, so wurde recherchiert, ging auf die Herren von Oldershausen zurück, die es als »Afterlehen« an einen Pastor Heinrich Kreit gaben, der sein Lehen vererben durfte. 1797 wurde hier erstmals in Dassel ein Creydt als Eigentümer erwähnt – ein Nachfahre jenes Pastors.

Gedenksteine, mit denen herausragende Menschen gewürdigt wurden, finden sich natürlich auch auf den 75 Fotos und Abbildungen: Pastor Julius Wedekinds Denkstein nahe »seiner« Straße, getrennt vom Kreuz auf dem Friedhof, gehört dazu, ebenso der Heinrich-Kanthagen-Stein für den Vorsitzenden des Sollingvereins, der Wilhelm-Busch-Stein in Lüthorst und selbstverständlich die Erinnerungstafel für den Ehrenbürger Mackensens, Generalfeldmarschall August von Mackensen, der tatsächlich am 19. Mai 1930 das Dorf seiner Vorfahren besuchte. Ebenfalls erzählt wird die Geschichte, die sich mit dem Stein für den letzten Landstallmeister von Trakehnen, Dr. Ernst Ehlert, in Hunnesrück, verbindet. Den Namen einer Frau findet man am Aurelienborn: Aurelia war die Ehefrau des Papierfabrikanten Carl Hahne, die oft zu dieser Quelle am Burgberg kam.
Auch den Scheibenkreuzsteinen am Gradanger sowie in Eilensen und Amelsen widmen sich die beiden Autoren sowie einem Kreuz auf dem »Rothenberg am Mackenser Bürgerwege«: Ein solches gab es bereits um 1770, ein Ersatz folgte 1775. Ein katholischer Pfarrer, der von Hunnesrück nach Dassel zog, ließ das Kreuz 1848 an diesen Platz bringen. Drei Mackenser Maurer reparierten es 1901. Durch das Engagement von Hans Mirus und dem Sollingverein wurde das beschädigte Kreuz 1970 erneuert – Bemühungen über 200 Jahre.

Man sieht nur, was man weiß: So nimmt man mit diesem interessant nachzulesenden Hintergrundwissen die Denksteine ganz anders wahr. Band 14 ist, wie die anderen »Zeitspuren«-Hefte, erhältlich in der Dasseler Bücherstube Sprink.des

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Dassel grillt mit guter Stimmung an