Dasseler Stadtgeschichte in unterhaltsamer Form

Förderverein »Museum Grafschaft Dassel« begeistert mit historischen Gewändern und Geschichten

Dassel. Dassels Geschichte in eine lebendig-ansprechende Form zu gießen und unterhaltsam zu präsentieren – das ist dem Förderverein »Museum Grafschaft Dassel« im Vorfeld des Festes zu 700 Jahren Stadtrechte gelungen. Im Ratskellersaal schlüpften Anne Greb, Günter Greb, Wolfgang Henniges, Mira Kappen, Ludger Kappen, Petra Kersten, Rainer Kersten, Annelore Sölter, Bärbel Spann und Rolf-Dieter Spann in Personen aus Dassels Geschichte. Die entsprechenden historischen Gewänder hatten sie – zum Teil per Hand – selbst ange­fertigt, mit Unterstützung von Schneidermeisterin Anni Henke und Erika Wallner. Die Akteure nahmen das Publikum mit auf eine amüsant-geschichts­trächtige Zeitreise – und dafür ernteten sie viel Applaus.

Die lebendige Darstellung geschichtlicher Ereignisse lehnt sich an das Konzept »Living History« an. Die Dasseler Zeitspanne reichte vom Mittelalter bis in die Neuzeit, verknüpft wurden die Szenen durch den Erfinder Regdul Neppak (Ludger Kappen), der gerade zur Sommerfrische in Dassel weilt und mit seiner Zeitmaschine von Epoche zu Epoche springt. Neppak berichtet von den Gründerjahren, als die neue Molkerei entstand, die Wasserleitung gelegt wurde, ein Sägewerk und eine Stuhlfabrik entstand. In Dassel »sind die Leute so nett und gewaltig aufgeschlossen für alles Neue«, bekräftigt er. Augenzwinkern muss er aber zu bedenken geben, dass heute das bedeutendste Haus Dassels wohl das 1974 gebaute Rathaus ist.

Gräfin Mechthild von Schaumburg (Annelore Sölter) trifft 1167 in Dassel auf der Grafenburg ein, um ihre Schwägerin, Gräfin von Dassel, Gattin Ludolfs I., zu besuchen. Sie berichtet, dass ihr Schwager Ludolf I und sein Bruder Rainald keinesfalls bei einem Kriegszug gefallen, sondern vom Sumpffieber dahingerafft wurden. Sie will den kleinen Raugrafen Adolf mit auf die Schaumburg nehmen.

Der Bogenschütze Bertramnus (Günter Greb) erinnert an Scharmützel in der Zeit um 1257. Auf den Kreuzzug 1219 hat der Graf ihn nicht mitgenommen, ihm oblag es, die gräflichen Besitzungen bei Dassel und die Grafschaft Nienover zu beschützen. Seit dem verheerenden Brand 1244 erholt sich ­Nienover nur langsam. Beim festlichen Mahl saßen die gräflichen Hoheiten zusammen: »Unser Adolf von Dassel, seine Gattin Adelheid, eine von Wassel, und Freund Adolf von Schaumburg mit seiner Gattin, eine von Assel. Das war ein Geprassel und Gequassel.« Das geneigte Dasseler Publikum bemerkte: Auch der Wortwitz fehlte nicht bei der Aufführung.

Pfarrer Borchardus (Wolfgang Henniges) von St. Laurentii nimmt die Feierlichkeiten zur Verleihung der Stadtrechte in den Blick. Am Tage des Kirchenpatrons im August 1315 wird gefeiert, allerdings ohne den Bischof, lediglich der Domprobst war gekommen. Es war heiß, und es gab ein Missgeschick: Die Glocke läutete nicht. Viele Leute waren gekommen, um die fremdartigen Waren auf dem Markt zu bewundern und das leckere Backwerk, die Dasseler Pausbacken, zu probieren. Das Hochamt in der frisch renovierten Kirche war feierlich, aber kurz. Der Domprobst wollte möglichst viel Zeit haben, die Gegebenheiten am Stadtrand zu inspizieren. Denn die Grafschaft lag weit abgetrennt vom Hochstift. Unter den Gästen war auch der letzte Graf von Dassel, Simon. Pfarrer Borchardus beschreibt ihn als kleines unauffälliges Männchen, dem wenig an der Stadt, aber viel an den Geld bringenden Eisenhütten lag.

In die Welt der Leinentücher-Macherin nimmt Muhme Grete (Anne Greb) die Zuhörer mit. Im Jahr 1448 beschreibt sie die »Waffe der Frauen« – ein Schlüsselbund, das man den Kerlen durchs Gesicht ziehen kann, wenn sie zudringlich werden. In Gretes Werkstatt wird aus der Leinenpflanze Flachs gemacht, der Flachs versponnen, der Faden gehaspelt, die Kette am Webstuhl aufgezogen und das Schiffchen zwischen den Fäden durchgeschossen, bis das feine Leinen fertig ist. Mit Blick auf die Kirche stellt sie fest, dass der 1447 geweihte Bau mit einem Gewölbe noch schöner gewesen wäre. Das Sakramentshäuschen im Chorgemäuer stammt wohl noch aus der 1392 abgebrannten Kirche. Es handelt sich vermutlich um eine Stiftung der Grafen von Dassel.
Im Jahr 1643 bangt die Frau des Pastors Hermann Marheinke (Bärbel Spann) um die Zukunft des lutherischen Bekenntnisses in der Dasseler Gemeinde. Sie erwähnt, dass 1577 auf der Südseite des
Mittelschiffes ein großes Gemälde den Sieg der lutherischen Lehre über den aus den Fugen geratenen Katholizismus verherrlicht. Noch hält Dassel fest an der herzoglichen Kirchenordnung, denn die wel­fischen Herzöge haben viele gute Fortschritte gebracht.

Ein arroganter Zeitgenosse ist der Amtsschreiber Johann Heinrich Schlanstein des Amtes Hunnesrück (Rolf-Dieter Spann). Als eingefleischter Katholik kann im er Jahr 1705 er das »ungebildete Protestantengesindel« nicht ausstehen. Die Dasseler bauten, 1652 das Gut Juliusburg, 1664,65 das Diakonatshaus und 1674 wurde das Rathaus vergrößert. Er beaufsichtigt 1690 den Bau der Eisenhütte, die schönen Ofenplatten finden großen Absatz.
1753, kurz vor Ausbruch des Siebenjährigen Krieges, geht es den Dasselern gut. Sie feiern Feste, erinnert sich Madame Hasenbalg (Petra Kersten). Die Frau des wohlhabenden Papiermachers hat Mode im Sinn, Seide und Spitzen. Oft genug musste Schwarz getragen werden – beispielsweise bei der Beerdigung von Catharina Schlanstein, der Witwe des Großvogts von Hunnesrück. Die Papiermühle an der Ilme, seit 1666 in Familienbesitz, wirft guten Gewinn ab. Madame Hasenbalgs Schwiegervater hat sich ein Denkmal gesetzt mit dem Kanzelträger in der Laurentius-Kirche. Später hat die Familie auch noch den Radleuchter gestiftet und die Erneuerung der Turmbedachung bezuschusst.

Als Scherer und Chirurgus lebt Christian Friedrich Thurnau (Rainer Kersten) 1802 in Dassel. Einen richtigen Arzt hat Dassel bisher noch nicht angezogen. Er verschreibt Tinktürchen nach Samuel Hahnemann. Als 1761 die Schlacht zwischen den Hannoverschen Truppen und den Franzosen tobt, geht es im Lazarett in der Erichsburg zu wie im Schlachthaus.

An den Brand von 1817 erinnert die ehrbare Bürgerin Minna Grube (Mira Kappen), deren Haus verschont blieb. Sie leistet tatkräftige Hilfe. Bereits 1811 sind bei zwei Bränden 42 Häuser und etliche Scheunen den Flammen zum Opfer gefallen. Bürgermeister Elias Merkel hat den Bürgern sehr geholfen und den Schlendrian aus der Stadtverwaltung getrieben. Das gefällt den Preußen, die 1802 die Stadt besetzen. In dieser Zeit wird auch die Obere Straße mit einem richtigen Pflaster versehen. Als 1807 die Franzosen kommen, ist der französisch sprechende Bürgermeister wieder sehr nützlich. Leider kann Merkel aber nicht verhindern, dass die Handwerksgilden verboten werden. Viele junge Dasseler musten gegen Russland zu Felde ziehen, 80 kommen nicht wieder. Nachdem 1813 Napoleons Macht gebrochen ist, kommt Dassel zum Königreich Hannover. Die Ämter Hunnesrück und Erichsburg werden vereinigt, die Wirtschaft erholt sich.

Zu erleben sind die Darsteller auch beim kommenden Stadtfest am 27. und 28. Juni. In ihren Kostümen werden sie Führungen im »Museum Grafschaft Dassel« Führungen anbieten – ein Besuch lohnt sich.sts

Dassel

Dassel grillt mit guter Stimmung an