Rat der Stadt Dassel

Keine Mehrheit für Gewerbesteuersenkung

Aber: Projektgruppe soll sich nochmals mit Thema befassen und Maßnahmen zur Wirtschaftsförderung erarbeiten

Dassel. Ein Hin und Her gab es bei der Entscheidung, ob der Gewerbesteuerhebesatz von 375 auf 320 Punkte gesenkt werden soll. Der Finanzausschuss war dagegen, der Verwaltungsausschuss mehrheitlich dafür. Rein rechnerisch hätte sich, so wie der Rat bei der jüngsten Sitzung besetzt war (zehn SPD, sechs CDU, drei UBW und ein Bürgerforum), ein Abstimmungsverhalten von 10:10 ergeben. Doch nach langwierigem Austausch der sich wiederholenden Argumente votierte der Rat mit zehn Stimmen gegen die Senkung der Gewerbesteuer, zwei Ratsmitglieder waren dafür, zwei enthielten sich. Der Bürgermeister sagte zu, wie von Günther Kelter, CDU, angeregt, eine Projektgruppe zu bilden, die sich mit dem Thema nochmals befasst und gegebenenfalls weitere Maßnahmen erarbeitet.

In der Ratssitzung warb Bürgermeister Gerhard Melching vehement für die Idee der Gewerbesteuersenkung, die maßgeblich für die zukünftige Entwicklung der Stadt sei. Denn weniger Einwohner bedeute weniger Einnahmen, was wiederum Fusionen von Sportvereinen oder Feuerwehren mit sich bringe, die Schließung von städtischen Einnahmen und erhöhte Grundsteuer. Mit der Gewerbesteuersenkung bestehe die Chance, diese Entwicklung abzuwenden. In Zahlen: Aus dem Finanzausgleich erhält die Stadt Dassel im Haushaltsjahr 2017 netto rund 100.000 Euro mehr, weil die Einwohnerzahl 10.255 auf Basis der Dezemberzahlen 2015 angewandt wird, eigentlich die Einwohnerzahl aber niedriger ist: In 15 Jahren hat Dassel fast 2.000 Einwohner verloren.

Mangelnde Infrastruktur gebe es in Dassel nicht. Im Dienstleistungsbereich seien neue Betriebe und damit Arbeitsplätze entstanden. »Das reicht aber nicht.« Nach dem neuesten Arbeitsmarktbericht von Januar 2017 hat die Geschäftsstelle Einbeck mit einer Arbeitslosenquote von 7,2 Prozent den schlechtesten Wert der Arbeitsagentur im Bezirk Göttingen. »Wir müssen neue Wege gehen«, kämpfte der Bürgermeister für seine Idee.

»Ja, aber« zu sagen heiße übersetzt: Dassel sei nicht mehr zu helfen, diese Entwicklung sei nicht aufzuhalten. »Das sei falsch« – der Bürgermeister bekräftigte, dass er an die Zukunft der Stadt Dassel glaube. »Und das sollten sie auch«, sagte er in Richtung Ratsmitglieder. Seit Anfang November, so Melching weiter, liege der Vorschlag auf dem Tisch – passiert sei aber nichts. Für konkrete Vorschläge sei er offen. Er warb dafür, ein Signal an Firmen auszusenden: Unternehmen sind in Dassel willkommen, denn hier wird auf hohe Steuern verzichtet. Die Stadt Dassel sei bereit, ausgetretene Pfade zu verlassen, hier herrsche Aufbruch. Das sollte am besten mit einer breiten Zustimmung im Rat unterstrichen werden. Die Senkung der Gewerbesteuerhebesätze komme direkt bei den Firmen an. Er vertraute darauf, dass sie die Mittel zur Investition nutzen und den heimischen Standort ausbauen.

Die Politik habe in den Haushaltsberatungen kräftig Geld ausgeschüttet – rund 200.000 Euro, gab er zu bedenken. Zu überlegen gelte, ob diese Gelder den notwendigen Effekt hätten. Dennoch verfüge die Stadt Dassel derzeit über die finanziellen Möglichkeiten, die Senkung des Gewerbesteuerhebesatzes umzusetzen: »Wenn wir das erfolgreich machen wollen, dann jetzt.«

Für die SPD bekräftigte Achim Lampe, dass die SPD der Argumentation des Bürgermeisters folge. Er führte weitere Studien an, die belegten, dass eine Senkung der Steuern zu Ansiedelungen führe. »Wir wollen Arbeitsplätze schaffen«, so Lampe. Er beantragte allerdings die Senkung auf 330 Punkte, um damit möglichst noch Ratsmitglieder für die Senkung zu gewinnen. Dieser Antrag wurde allerdings zurückgezogen.
Hartmut Demann, CDU, wiederholte, dass die Senkung bei Einzelgesellschaften und Kommanditgesellschaften keinen Effekt habe. 80 Prozent der Dasseler Unternehmen hätten nichts davon. Dassel sei schon jetzt unter elf Kommunen im Landkreis die drittgünstigste. Bis vor kurzem sei Dassel eine Bedarfszuweisungsgemeinde gewesen, das dürfe man nicht vergessen. Er sprach sich eher dafür aus, die Kindergartenbeiträge zu senken. Und er beantragte namentliche Abstimmung. Auch Ludolf von Dassel, CDU, erinnerte an die finanziell engen Zeiten in Dassel. Auf 260.000 Euro Gewerbesteuer pro Jahr wollte er nicht verzichten.

Die drei Ratsherren der UBW sprachen sich auch gegen eine Senkung aus. Bernd Stünkel merkte an, dass die geplanten Investitionen zum Teil über Kredite finanziert werden müssen. Senke man die Gewerbesteuer, fehle Geld für Investitionen in Kindergärten und Schulstandorte sowie die medizinische Versorgung. Ähnlich sah es auch Detlef Muschalla für Bürgerforum/Grüne: Einnahmensenkung und gleichzeitig Ausgabenerhöhung bedeuteten Schulden für künftige Generationen. Gemeinsam hätte man sich mehr Zeit nehmen müssen, um den Vorschlag zu durchdenken und eventuell zu modifizieren.

Der Ton der Diskussion hatte an Schärfe gewonnen: Angesichts der kontroversen Diskussion plädierte Wolf Koch, SPD, dafür, Beschuldigungen wegzulassen und gemeinsam daran zu arbeiten, Arbeitsplätze zu schaffen. Das »relativ große Wagnis« der Gewerbesteuersenkung wollte auch Dr. Carsten Traupe, UBW, nicht mittragen. Günter Kelter, CDU, regte zu dem Thema ein Projektteam aus der Politik an, das mit externer Unterstützung Ideen entwickelt hätte. Uwe Fingerhut, SPD, kritisierte, dass Vorschläge von Einzelpersonen oder Gruppen torpediert würden, und »das helfe hier nicht weiter«. Er lud die CDU zu interfraktioneller Arbeit ein.

Abschließend stellte Muschalla den Antrag, das Thema zu vertagen und für den Haushalt 2018 im Rahmen einer Projektgruppe ein Modell zu erarbeiten. Aber: Mit der Frage nach der Höhe der Gewerbesteuer unweigerlich verbunden ist auch der Haushalt 2017. Wäre ein Gewerbesteuerhebesatz nicht festgesetzt worden, hätte auch der Haushalt nicht beschlossen werden können.

Also wurde namentlich über den Gewerbesteuerhebesatz abgestimmt. Dagegen stimmten Jobst Volger, Frauke Stein, Detlef Muschalla, Karl Hütte, Susanne Ebbighausen, Hartmut Demann, Bernd Stünkel, Günther Kelter, Ludolf von Dassel und Dr. Carsten Traupe; dafür waren Jost Speitling, Klaus Pagel, Uwe Fingerhut, Rolf Albrecht, Wolf Koch, Achim Lampe, Gerd Melching und Helmut Dörger; Cornelia Schmidt und Heike Hofmann enthielten sich. Mit zehn Nein-, acht Ja-Stimmen und zwei Enthaltungen wurde die Senkung abgelehnt. Der Bürgermeister sagte aber zu, den Vorschlag einer Projektgruppe aufzugreifen.sts

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