Unter strengem Schutz

Pflanzenporträt: Weißes Waldvögelein | Orchidee braucht Pilze als Partner

Nicht nur für 2017 gilt: Das Weiße Waldvögelein anschauen, fotografieren, stehen lassen.

Dassel. Das Weiße Waldvögelein (Cephalanthera damasonium) wurde von den Arbeitskreisen Heimische Orchideen (AHO) der Bundesländer zur Orchidee des Jahres 2017 gewählt. Im Gegensatz zu manchen anderen der rund 60 einheimischen Orchideenarten ist das Weiße oder Bleiche Waldvögelein keineswegs selten oder gar vom Aussterben bedroht.

Es ist in Deutschland weit verbreitet bis zum Nordrand der Mittelgebirge und wächst auf lockeren, kalkhaltigen Böden an halbschattigen Standorten in warmen Wäldern auf Kalkgrund, vor allem in alten Buchenwäldern. Hier kann sich über Jahre eine Lebensgemeinschaft entwickeln, die den Orchideen das Überleben sichert.

Dazu brauchen sie Pilze als Partner. Während der Pilz von den Fotosyntheseprodukten der Pflanzen profitiert, schützt er mit seinem Pilzgeflecht (Mycel) die Pflanzenwurzeln und versorgt diese mit Wasser und Nährsalzen - vor allem Phosphor- und Stickstoffverbindungen - und Spurenelementen. Eine derart innige Lebensgemeinschaft zum beiderseitigen Nutzen nennt man allgemein Symbiose, in diesem speziellen Fall »Mykorrhiza«, was wörtlich übersetzt »Baumwurzel« bedeutet.

Als Dritter im Bunde mischen Baumwurzeln mit, die ihrerseits eine Symbiose mit den Mykorrhiza-Pilzen des Weißen Waldvögeleins eingehen. Man geht davon aus, dass die Orchideen einen Großteil ihrer Kohlenstoffverbindungen von den Bäumen beziehen, wenngleich sie durch ihre vier bis zehn Zentimeter langen und fast halb so breiten grünen Blätter Fotosynthese betreiben und sich somit selbst mit Nährstoffen versorgen können.

Sobald das komplexe Gefüge aus Waldboden, Pilzen und Pflanzenwurzeln gestört wird, ist die Existenz des Weißen Waldvögeleins akut gefährdet. Die in den Arbeitskreisen organisierten Orchideenfreunde rücken diese Problematik in den Fokus und fordern eine rücksichtsvolle Waldwirtschaft, denn eine radikale Nutzung des Waldes würde unweigerlich zum Ausrotten ganzer Bestände führen. Zur Blütezeit von Mai bis Juni sind bis zu zwölf in einer Ähre angeordneten, rund zwei Zentimeter lange creme- bis elfenbeinfarbene, seltener gelbliche Blüten zu bewundern.

Sie warten mit einer Besonderheit auf, denn der »Blütenstiel« ist der gedrehte Fruchtknoten. Die Blüten sind geschlossen oder nur wenig geöffnet. Weil sich die Staubbeutel bereits in der geschlossenen Blüte öffnen, kommt es meistens zur Selbstbestäubung. Bei Temperaturen über 25°C öffnen sich die Blüten. Mit reichlich Phantasie lassen sich in den ausgebreiteten Blütenblättern Vogelflügel erkennen.

Im Herbst geht die Pflanze ein und überwintert mit ihrem unterirdischen Wurzelstock. Lange sichtbar bleiben die braunen Fruchtstände. Bei trockenem Wetter öffnen sich die Kapseln und entlassen Unmengen an staubfeinen Samen, die durch den Wind verbreitet werden. Die Attraktivität der bis zu 60 Zentimeter großen Pflanzen birgt ein weiteres Gefährdungspotenzial: es weckt Begehrlichkeiten bei Hobbygärtnern.

Mit dem Ausgraben ist jedoch keinem gedient: weder den Pflanzen noch dem vermeintlichen Pflanzenfreund, denn die Orchideen würden ohne ihre Pilzpartner mit Sicherheit in der Gartenerde eingehen. Er würde sich zudem strafbar machen, denn obwohl das Weiße Waldvögelein stellenweise in individuenreichen Beständen vorkommt, steht die Art wie alle einheimischen Orchideen unter strengem Schutz.im

Dassel

Dassel grillt mit guter Stimmung an