Schutzsuchende Menschen stabilisieren

Elternabend an der PGS: Diplom-Psychologin Belz spricht über »Flucht, Traum, Resilienz« | Anlaufstellen

Dassel. »Bei Flüchtlingen ist die Wahrscheinlichkeit erhöht, mit traumatischen Ereignissen konfrontiert zu werden und in deren Folge eine Posttraumatische Belastungsstörung auszubilden.« Das hob Maria Belz vom Asklepios Fachklinikum Göttingen hervor. Die Diplom- Psychologin war jetzt zu Gast an der Paul-Gerhardt- Schule, die sich dem Thema »Flucht« auf vielfältige Weise annimmt. Kriege, Konflikte, Naturkatastrophen oder wirtschaftliche Verhältnisse verursachen weltweit anhaltende Migrationsströme nach Europa. Erlebnisse während der Flucht, Trennung von der Familie, Haft oder Folter würden für die Betroffenen nicht selten ein hohes Risiko für die Entwicklung psychisch Traumafolgestörungen bergen.

Wissenschaftler gehen davon aus, dass 40 bis 60 Prozent der Flüchtlinge unter Störungen leiden. Ein Traum ist per Definition ein belastendes Ereignis oder eine Situation von außergewöhnlicher Bedrohung, die bei fast jedem Menschen eine Verstörung hervorrufen würde. Amerikanische Wissenschaftler verbinden dies mit einer Reaktion wie Furcht oder Hilflosigkeit. Unterschieden wird in verschiedene Traumata, wobei die von Menschen gemachten Traumata wie Vergewaltigung oder Krieg schädlicher seien, schließlich erschütterten sie das Vertrauen in andere Menschen, Ein Trauma könne einmalig sein, wiederholt, langandauernd und mit unvorhersehbarem Verlauf. Gerade Flüchtlinge seien wiederholt langandauernd betroffen. Nicht jedes Trauma aber führe zu einer Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS).

Flucht, Kampf und Erstarrung seien die Reaktionen auf ein Trauma. PTBS sei eine Art Gedächtnisstörung, fuhr Belz fort: Fragmentarische Erin - nerungen, die nicht in das autobiografische Gedächtnis eingebettet sind, schleichen sich ins Bewusstsein. Und das sei nicht steuerbar. Als Symptome nannte Belz unkontrolliertes Wiedererleben, die fehlende emotionale Distanz, psychologischen Stress und Angstreaktionen sowie Albträume. Es gebe Vermeidungstendenzen bei traumaverbundenen Erinnerungen, ein Gefühl der Distanziertheit und ein Gefühl der beschädigten Zukunft.

Ein- und Durchschlafstörungen, Gereiztheit, Wutausbrüche, Konzentrationsstörungen oder Schreckhaftigkeit – angesichts dessen sei nicht verwunderlich, wenn es zu Gewalt in Flüchtlingsheimen komme, in denen viele Menschen eng miteinander leben müssten, so Belz. Bei Dauerstress neige das Gehirn zu Dissoziation, also zur Trennung von Wahrnehmungs- und Gedächtnisinhalten. Das Wiedererleben der belastenden Situationen könne zu plötzlichen Veränderungen führen, zu Ängstlichkeit oder Wut. Bei Gesprächen über das Herkunftsland könne ein Rückzug erfolgen. Eine Zukunftsperspektive fehle. Übererregung hingegen führe zu Konzentrationsstörungen, Vergesslichkeit, Reizbarkeit. Bei mehr als 28 traumatischen Erlebnissen bilde jeder Mensch eine PTBS aus. Das zeige, dass der Mensch in der Lage sei, einiges zu verarbeiten. Gerade aber die nicht adäquate Verarbeitung des Erlebten führe zur PTBS. Wichtig sei in diesem Zusammenhang die Resilienz, die psychische Widerstandsfähigkeit. Zur Resilienz bei tragen Tempe - rament, Hobbies, die elterliche Beziehung, unterstützende Bindungen, religiöse Überzeugung und eine optimistische Grundhaltung. »Resilienz kann schützen vor traumatischen Erfahrungen.«

Die Stärkung der Resilienz bewahre vor erneuter Traumatisierung. Struktur und Rituale seien re - silienzfördernd, ebenso wie wertschätzende und unterstützende Bezugspersonen. Es gehe also darum, die hier Schutz suchenden Menschen zu stabilisieren. Unterstützung sei hilfreich – vor allem im Hinblick auf das Wissen, dass stärkende Bezugspersonen so wirksam seien wie Medikamente. Anlaufstellen für belastete Personen sind das Asklepios Fachklinikum in Göttingen, das Netzwerk für traumatisierte Flüchtlinge in Niedersachen, der Dachverband der transkulturellen Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik sowie die Medizinische Flüchtlingshilfe Göttingen. Monika Fahrenbach, stellvertretende Schulleiterin, bedankte sich bei der Referentin für den Vortrag. Als Pädagoge sei man mitverantwortlich, dass junge Menschen nicht zerbrechen, machte sie deutlich. Und nicht vergessen werden dürfe, dass jeder zum Flüchtling werden könne. Bis Freitag ist im »Paulinum« noch die Ausstellung »Aufgeben – Ankommen« zu sehen.

Zum April wird die PGS eine Sprachlernklasse eröffnen. Zudem hatte die Gruppe »Boat People Projekt« aus Göttingen im Rahmenprogramm der Ausstellung Songs aus ihrem Stück »Flutlicht« vorgetragen, Heinrich Sprink sorgte für Texte und Gedichte zur Thematik. Die Dasseler Kulturinitiative schreibt: »Es war ein wundervoller Abend im Paulinum der Paul-Gerhardt-Schule. Die Göttinger Musikgruppe Boat People Projekt spielte Musikstücke aus Syrien und Afghanistan, gesungen in Arabisch, Kurdisch oder Dari, dem afghanischen Persisch. Heinrich Sprink las in seiner betont akzentuierenden Art aus Literatur des Vorderen Orients, einschließlich des ‘West-Östlichen Divan‘ von Goethe.

Als Höhepunkt konnte man das Gedicht des syrischen Flüchtlings Sadek Issa aus Dassel bezeichnen, dass dieser in Arabisch vortrug und Heinrich Sprink im Anschluss in deutscher Übersetzung.«oh

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