Ortsrat Dassel

Vertrauen fehlt: Ortsbürgermeisterin abberufen

Stellvertreter Muschalla tritt zurück | Max Schlüter neuer Ortsbürgermeister, Stellvertreterin Antje Freund

Ortsbürgermeisterin Petra Kersten hat es versucht, letztendlich gelang es ihr aber nicht, ihre Abberufung zu verhindern: Zu geschlossen waren die Reihen – quer durch alle Fraktionen – gegen sie. Das Drama um die Abberufung verfolgten so viele Zuhörer wie lange nicht bei Ortsratssitzungen gesehen worden sind. Annähernd 90 Personen hörten, wie ­Argumente ausgetauscht wurden, wie Petra Kersten abberufen wurde, wie der stellvertretende Ortsbürgermeister Detlef Muschalla, Bürgerforum, von seinem Amt zurück trat, wie Max Schlüter zum neuen Ortsbürgermeister und wie Antje Freund zur stellvertretenden Ortsbürgermeisterin gewählt wurde.

Dassel. Zunächst aber bestimmten Formalien den Schlagabtausch: War für die Sitzung eine ordnungsgemäße Ladung erfolgt? Ist das Gremium beschlussfähig? Ist – trotz bereits erfolgtem Eintritt in die Sitzung – noch eine Bürgerfragestunde zulässig? Da musste Bürgermeister Gerhard Melching viele Paragraphen des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes bemühen.

Der Bürgerfragestunde stimmte der komplette Ortsrat zu. Und Bürgermeister Gerhard Melching antwortete dem Fragesteller Rudolf Pfeiffer aus Dassel, der einen Antrag an den Ortsrat gestellt hatte: Eine Erweiterung der Tagesordnung sei nur bei dringlichen Fällen – beispielsweise wenn irreversibler materieller Schaden für die  Kommune befürchtet wird – zulässig oder wenn zwei-Drittel-Mehrheit der Ratsmitglieder der Erweiterung zustimmen. »Man kann nicht machen, was man will, es gibt kein Dasseler Landrecht«, stellte Melching fest.
»Ich klebe nicht an dem Posten«, sagte Ortsbürgermeisterin Kersten. Sie wollte die Gründe für den Vorstoß gegen sie erfahren. Für die neun Ortsratsmitglieder bezog Heike Hoffmann Stellung. Gleich anfangs hob sie heraus, dass mit Ortsbürgermeisterin Petra Kersten die Herausforderungen nicht gemeistert werden könnten. Grund dafür sei die mangelnde Kommunikation – bereits im März 2012 hat Hoffmann im Ortsrat den schleppenden Informationsfluss beklagt.

Der Schritt, die Abwahl von Kersten zu beantragen, sei schwer gefallen, räumte Hoffmann ein. »Immer wieder haben wir versucht, die Zusammenarbeit zu verbessern – es ist uns nicht gelungen.« Die Abwahl werde beantragt, weil die Neun überzeugt seien, dass sie mehr für Dassel erreichen können. Man wolle endlich »ohne Parteiengezänk« im Ortsrat zusammenarbeiten. Gerne hätten im Vorfeld alle gemeinsam mit der Ortsbürgermeisterin gesprochen, sie habe aber nur einige von ihnen eingeladen.

Neben der schwierigen Zusammenarbeit im Ortsrat führte Hoffmann die Zustände der Grünanlagen an: Immer wieder hätten sich Dasseler bei den Ratsmitgliedern beschwert – beispielsweise als der Kirchplatz nicht vor der goldenen Konfirmation gemäht und als die Außenanlage um den Sportplatz vor dem Sollinglauf nicht gepflegt worden sei. »Wenn Geburtstags- und Ehejubiläen versäumt werden oder die Jubilare erst verspätet Besuch erhalten, dann fällt das auf uns, den gesamten Ortsrat zurück«, stellte Hoffmann heraus. Wünschenswert wäre eine gemeinsame Absprache gewesen. »Ein Ortsratsmitglied hatte den Besuch eines Jubilares übernommen und fand ohne Absprache noch drei weitere Karten in seinem Briefkasten. Es hat einfach zu oft nicht funktioniert.« Und ein Dasseler Terminkalender sei auch erst wieder erstellt worden, nachdem Rolf Albrecht Ende 2012 das Projekt in die Hand genommen habe.

»Richtig hinter das Licht geführt haben wir uns gefühlt, als Petra Kersten mit ihrem Festausschuss einfach an den einstimmigen Beschlüssen des Ortsrates vorbei, ein ganz anderes Jubiläumsfest für das Jahr 2015 plant«, so Hoffmann weiter. Statt ein kleines, feines Fest zu feiern, wie beschlossen, werde weiter ein großes Zeltfest geplant. Eingebunden werde Hoffmann in die Vorbereitungen nicht mehr.

Der Termin für das im Ortsrat beschlossene Bürgerfrühstück sei eigenmächtig von der Ortsbürgermeisterin festgelegt worden. Sich anschließend zu beschweren, dass nur wenige Ortsratsmitglieder mitgemacht hätten, sei nicht fair.

Fest steht: »Wir neun Ortsratsmitglieder haben kein Vertrauen mehr zur Ortsbürgermeisterin.« Die Neun wollen den Wechsel und sind motiviert, als Team ohne Ansehen von Parteien und Wählergruppen einen Neustart in Dassel zu machen. Als Team wolle man eine »gute Leistung über Parteigrenzen hinweg« erbringen.
Dieser Argumentationskette konnte der stellvertretende Ortsbürgermeister Detlef Muschalla, Bürgerforum, nicht folgen. Beim Bürgerfrühstück seien die Vorwürfe seiner Meinung nach entkräftet worden: Die Grünanlagenpflege habe gelitten, weil nur 50 Prozent der bisherigen Stunden zur Verfügung gestanden hätten, beim Besuch von Jubilaren sah er durch die Arbeit von Kersten eine Mitwirkungsmöglichkeit des Ortsrates, und wenn eine Gruppe sich finde, die ein Fest plane, ohne die Stadtkasse zu belasten, sei dagegen auch nichts einzuwenden. Aber er räumte ein: »Wir hätten von Anfang an miteinander arbeiten müssen«, und so hielt er die Idee, dass alle Ortsratsmitglieder zurücktreten, für nicht schlecht.

Das Thema Jubiläumsfeier griff Kathrin Worm ochmals auf: Das Thema scheine unter den Nägeln zu brennen. Es sei toll, was die Leute auf die Beine stellen wollen. Aber: »Es geht nicht um die Feier, es geht darum, dass hinter unserem Rücken lustig weiter gemacht wird.«

Christian Vierroth, Bürgerforum, stellte nach einer knappen Stunde Antrag auf Schluss der Debatte, und so hatte jede Fraktion nur noch die Möglichkeit einer Stellungnahme. Petra Kersten nahm sie in Anspruch: Wie beim Bürgerfrühstück betonte sie, dass sie es als Hauptaufgabe der Ortsbürgermeisterin sehe, Zukunftsperspektiven für Dassel zu entwickeln. Dass sie dafür gesorgt habe, dass ein Altenheim in Dassel angesiedelt werde, wurde aus dem Publikum mit »stimmt nicht« kommentiert. Kersten berichtete weiter von ihren Bemühungen, die »Tafel« nach Dassel zu holen, die Leerstände zu bekämpfen und eine Perspektive für verschiedene Gebäude zu entwickeln. Weiter führte sie an, dass sie sich um parteiübergreifende Arbeit im Ortsrat bemüht habe, zudem habe sie 25 Termine zu Jubiläen wahrgenommen. Den Vorstoß ihrer Ortsratskollegen gegen sie stufte sie als »Ohrfeige für jeden ehrenamtlich Tätigen« ein. Die Diffamierung ihrer Person habe mit politischer Auseinandersetzung nichts mehr zu tun.

Die Abberufung erfolgte namentlich in alpha­betischer Reihenfolge: Mit den (neun) Stimmen von Rolf Albrecht, SPD, Antje Freund, Martina Gödeke, SPD, Heike Hoffmann, SPD, Irfan Kandemir, CDU, Max Schlüter, SPD, Fritz Sarstedt, parteilos,  Christian Vierroth, Bürgerforum, und Kathrin Worm, SPD, wurde die Ortsbürgermeisterin abberufen. Kersten und Muschalla stimmten ­dagegen. Mit sofortiger Wirkung trat Detlef
Muschalla, Bürgerforum, dann als stellvertretender Ortsbürgermeister zurück. Er bedankte sich – im Namen der Bürger – bei Petra Kersten für ihre Arbeit.

In offener Wahl, mit neun Ja- und einer Gegenstimme von Detlef Muschalla wurde Max Schlüter zum neuen Ortsbürgermeister gewählt. Petra Kersten saß nicht mit am Tisch, stimmte nicht mit ab. Schlüter dankte für das Vertrauen, berichtete, dass er seit mehr als 30 Jahren im Ortsrat mitarbeite und bei der letzten Kommunalwahl die meisten Stimmen erzielt habe. Schlüter will auch als Ortsbeauftragter fungieren. Zur stellvertretenden Orts­bürgermeisterin wurde Antje Freund, CDU, bei neun Ja-Stimmen und einer Enthaltung gewählt.

Doch ob damit das Dassel-Drama beendet ist, dürfte fraglich sein: Rudolf Pfeiffer aus Dassel, den Petra Kersten als »Mitstreiter« vorgestellt hatte, kündigte Anträge für den Ortsrat und ein Bürgerbegehren an. Möglicherweise wird auch noch die Kommunalaufsicht angerufen.sts

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