Rat der Stadt Dassel

Vorwurf der Rechtswidrigkeit zurückgewiesen

Beschluss gegen zweite Windkraftanlage aufrechterhalten | »Tief enttäuscht« über Landkreis

Die einen haben kein Problem mit den Windmühlen, die ein politisch gewollter Beitrag zur Versorgung mit regenerativer Energie sind. Die anderen befürchten eine Beeinträchtigung ihres Lebens, führen Lärm, Schlagschatten, fehlenden Schlaf und mögliche gesundheitliche Beein­trächtigungen ins Feld und eine Verschandelung der Natur mit einher­gehender Wert­minderung ihrer Immobilien.

Dassel. Knapp mit 13:11 Stimmen hatte der Rat der Stadt Dassel im Dezember die Zustimmung zur zweiten Windkraftanlage in der Gemarkung Lüthorst verweigert – vor allem mit dem Argument, dass die öffentlich-rechtliche Planung für einen Windpark mit Einzelanträgen umgangen wird. Die Stellungnahme des Dasseler Rates hatte Bürgermeister Gerhard Melching seitens des Landkreises den Vorwurf der Amtspflichtverletzung« eingebracht. Zwischenzeitlich hat der Landkreis davon Abstand genommen, sieht aber dennoch eine rechtswidrige Verweigerung des Einvernehmens. Deshalb tagte der Rat der Stadt Dassel erneut: Mit 13:10 Stimmen wurde der Vorwurf, dass der Beschluss des Rates zur Windkraftanlage II in der Gemarkung rechtswidrig ist und dass der Bürgermeister eine Amtspflichtverletzung begangen hat, zurückgewiesen. Einen »Maulkorb« wollen sich die Dasseler Ratsmitglieder nicht anlegen lassen.

Wieder war das Interesse der Bevölkerung groß. Der Landkreis als Genehmigungsbehörde für Windenergieanlagen hatte bezweifelt, dass das im Flächennutzungsplan der Stadt Dassel ausgewiesene Vorranggebiet für Windenergie den gesetzlichen Anforderungen stand hält. In der Flächenausweisung fehle die Ermittlung der »harten und weichen Tabuzonen«, avifaunistische (in der Region vorkommende Vogelarten) Untersuchungen seien nicht in erforderlichem Umfang durchgeführt. Für den Landkreis sind zudem keine nachteiligen Auswirkungen auf das Landschaftsbild nachvollziehbar. Insgesamt sieht der Landkreis keine Gründe, die dem Bauvorhaben entgegen stehen.

Der Rat der Stadt Dassel diskutierte auf zwei Ebenen: Erneut ging es um den gefassten Beschluss und seine inhaltliche Bestätigung: Der Rat hatte mehrheitlich die Zustimmung zum zweiten Windrad in der Gemarkung Lüthorst verweigert. Thema war aber auch das Verhalten des Landkreises. Über die Genehmigungsbehörde haben sich einzelne Ratsmitglieder »erheblich geärgert«. Mehrheitlich wies der Rat den Vorwurf des rechtswidrigen Beschlusses und der Amtspflichtsverletzung des Bürgermeisters zurück. Ein Antrag von Detlef Rengshausen, Grüne, der den den Rat aufforderte, sich der Rechtsauffassung des Landkreises anzuschließen, scheiterte. Er wurde mit 13 Stimmen abgelehnt und fand nur elf Befürworter.

Bürgermeister Gerhard Melching erläuterte zunächst die Zusammenhänge der zweiten Ratssitzung zur zweiten Windkraftanlage. Der vom Rat der Stadt verabschiedete Flächennutzungsplan weist ein »Vorranggebiet Windenergie« aus, der Flächennutzungsplan ist vom Landkreis genehmigt und in Kraft getreten. Ein Antragssteller dürfe abweichende Standorte für Windmühlen beantragen, eine Abweichung vom Flächennutzungsplan könne nur mit der Zustimmung des Rates erfolgen, machte der Bürgermeister deutlich. Der Rat habe im Dezember eine Abweichung vom Flächennutzungsplan abgelehnt und dies auch sachlich begründet.

Das Niedersächsische Kommunalverfassungsgesetz bestimmt, dass der Bürgermeister die Beschlüsse des Rates umzusetzen habe. Nur wenn ein Ratsbeschluss offensichtlich rechtswidrig ist, habe der Bürgermeister das Recht und die Pflicht, dagegen Einspruch einzulegen. »Ich kann also nicht allein und selbstherrlich das fehlende Einvernehmen des Rates ersetzen«, sagte Melching. Das Schreiben des Landkreises richtete sich für ihn an den Rat, der nun erneut einberufen werden musste, damit er Stellung nehmen konnte.

Für den Bürgermeister stellte sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob er sich in der jetzigen Abstimmung so verhalten müsse, wie die Bauaufsicht des Landkreises es als rechtmäßig erkennt. Ob eine von einer Fachaufsichtsbehörde behauptete Rechtswidrigkeit eines Ratsbeschlusses das Abstimmungsverhalten eines Bürgermeisters in einer Ratssitzung vorgeben kann, lässt Melching von der Kommunalaufsicht im Innenministerium klären. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs geht er davon aus, dass eine versagte Zustimmung keine Amtspflichtverletzung bedeutet.

Eine Abweichung von Flächennutzungsplan bedürfe der Zustimmung des Rates, meinte Melching, denn das gemeindliche Einvernehmen habe der Landkreis in allen Fällen verlangt. Er räumte ein, dass bereits die erste Windkraftanlage das Landschaftsbild beeinträchtige, die Errichtung weiterer Anlagen führe  zu einer »bedrängenden Wirkung zwischen den Höhenzügen des Gropenbergs, der Amtsberge und des Elfas«. Nicht
vergessen werden dürfe die Wirkung auf die kulturhistorisch-markante Erichsburg oder das touristisch geförderte Modelldorf Lüthorst.

Von Belang sei außerdem, wenn durch Einzelbeantragungen von Investoren die Planungshoheit der Stadt und die Beteiligung der Öffentlichkeit umgangen werde. Die Stadt hätte mit dem Investor gerne einen städtebaulichen Vertrag zur Ermittlung neuer Vorranggebiete für Windenergie abgeschlossen. Windkraftanlagen müssten richtig platziert werden, so Melching. Und wenn der Landkreis nun das fehlende Einvernehmen der Stadt ersetze, müsse das für alle Städte und Gemeinden im Kreis gelten, machte er deutlich.

Für den Bürgermeister wird die Energiewende umgesetzt wie ein »Wendemanöver auf der Autobahn«. Er forderte klare Regeln mit klaren Abständen zur Wohnbebauung und wollte nichts dem Zufallsfaktor überlassen, wo man interessierte Grundeigentümer findet. Anscheinend könnten nur noch Grundeigentümer etwas beeinflussen, und in diesem Zusammenhang dankte Melching den Initiatoren der Anlage am Bierberg. »Sie haben Wort gehalten und nicht gegen große Teile der Bevölkerung weiter agiert.«

Scharf kritisierte Achim Lampe, Fraktionsvorsitzender der SPD, das Verhalten des Landkreises. Er wollte nicht, dass die Entstehung eines Windparkes billigend in Kauf genommen wird, setzt auf die Beteiligung der Bevölkerung und hielt am Dezember-Beschluss fest. Anders Joachim Stünkel, Fraktionsvorsitzender der CDU: Die ablehnende Haltung gegenüber dem zweiten Windrad stand für ihn auf »tönernen Füßen«, denn der Flächennutzungsplan halte keiner Klage stand. Stünkel warf der SPD vor, sich lediglich » über die Runden zu retten« und sah durch die zweite Windkraft­anlage keine übermäßige Beeinträchtigung.

Die Argumentation von Detlef Rengshausen, Grüne, zielte darauf ab, dass das ausgewiesene Vorranggebiet keinen Bestand mehr habe, da es von einem Vogelschutzgebiet überzogen sei. Er stellte den Antrag, dass sich der Rat der Sichtweise des Landkreises anschließe, was aber keine Mehrheit fand.

Detlef Muschalla, Bürgerforum, räumte ein, dass ein neuer Beschluss den Rat der Stadt beschädigen würde. Angesichts des Demokratieverständnisses des Landkreises fragte er, wer sich dann noch politisch engagieren wolle? Umweltbeeinträchtigung, geringerer Erholungswert, Lärm durch schwingende Masten und beeinträchtigtes Landschaftsbild führte er als ablehnende Gründe an. Zudem führte er einen Sicherheitsaspekt ins Feld: Bei einem Brand einer Windkraftanlage müsste für eine weiträumige Absperrung gesorgt werden.

Ob man denn so lange abstimmen müsse, bis der Beschluss der Genehmigungsbehörde passe, fragte sich Bernd Stünkel. UBW. Von der Vorgehensweise des Landkreises war er ebenso wie Helmut Dörger, SPD, »tief enttäuscht« und forderte gar Hinschauen bis hin zum zivilen Ungehorsam ein. Schließlich gehe es um das Zuhause der Menschen. Einem »Abstimmungszwang« erteilte auch Wilhelm Fricke, SPD, eine Absage. Für Wolf Koch, SPD, drehte sich die Diskussion nicht um die Energiewende, sondern vielmehr ums Geldverdienen. »Jetzt nicht und so nicht«, lehnte er die zweite Windkraftanlage ab.sts

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