Zeitzeuge berichtet im Geschichtsunterricht

Dassel. Wenn es 45 Minuten lang mucks-mäuschen-still im Unterricht ist, liegt die Vermutung nahe, dass die Schüler vor Langeweile eingeschlafen sind – oder aber sie verfolgen das überaus interessante Unterrichtsgeschehen. Letzteres war kürzlich im Geschichtsunterricht der 9. Klassen der Rainald-von-Dassel-Schule zu beobachten. Rolf Sturhahn folgte der Einladung der Geschichtslehrer und besuchte zwei Klassen um ihnen von seinem Erleben der letzten Kriegsmonate des Zweiten Weltkrieges zu berichten.

Der nunmehr 87-jährige Einbecker schilderte seine Erinnerungen an die Zeit in eindrucksvoller Weise. So erfuhren die 15-jährigen Schüler, dass Sturhahn in diesem Alter der einzige »Mann« im Hause war, da sowohl sein Vater als auch der große Bruder sich an der Ostfront befanden und nur selten zum Heimaturlaub in sein Zuhause nach Oldenburg kamen. Die Anspannung beim Hören des »Drahtfunks«, bei dem man das Telefon mit einem ein­fachen Draht mit dem Radio verband, um die Ansagen der Luftschutzleitstelle zu hören, die Erinnerungen an die schrillen Sirenen bei Fliegeralarm und das ängstliche Warten im Luftschutzkeller sind auch nach 72 Jahren nicht aus seinem Gedächtnis gelöscht.

Selbst noch fast ein Kind, wurde Sturhahn im Rahmen der Kinderlandverschickung ohne Vorbereitung als Betreuer für elf- bis 13-jährige Kinder nach Saalbach in Österreich geschickt und musste sich der verantwortungs­vollen Aufgabe stellen, 80 Jungen am Nachmittag und Abend zu beaufsichtigen und zu  beschäftigen. Mitgefühl konnte man in den Augen der zuhörenden Schüler lesen, als der damals Gleich­altrige berichtete, Weihnachten fernab von der Familie im Krankenhaus in der Tschechoslowakei verbracht zu haben. Seine Begegnung mit den »Kettenhunden«, der Feldgendarmerie, die fahnenflüchtige Soldaten aufspürte und Hiltlers Parole »ein Soldat kann sterben, ein Deserteur muss sterben« in die Tat umsetzte, versetzte Sturhahn in Angst und Schrecken. Aufgrund seiner geringen Körpergröße wurde der im Frühjahr 1945 16-Jährige vor dem Einsatz an der Front verschont. Mit den Worten »Im Krieg gibt es nur Verlierer – ich bin Gott dankbar, dass ich am Leben bleiben durfte«, schloss der ehemalige Pastor seinen beeindruckenden Zeitzeugenbericht.oh

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