Gut nachdenken, bevor man handelt

Berührende Erinnerungsarbeit: Rozette Kats erzählt RvD-Schülern aus dem Leben ihrer Familie

Dassel. Ein biographischer Zugang zu Nationalsozialismus und Holocaust ist eine erfolgversprechende Möglichkeit, über persönliche Geschichte zu einem einprägsamen Bild der deutschen Geschichte zu kommen. Der Kulturverein »Kultur im Esel« führt seit einigen Jahren Bildungsfahrten in die KZ-Gedenkstätte nach Auschwitz/Polen für Jugendliche und Erwachsene durch, in diesem Jahr organisiert der Verein zudem die Ausstellung »Zeitzeugenpatenschaften« in Einbeck.

Sie umfasst sieben Videointerviews sowie verschiedene Tafeln mit Text und Bild, auf denen von Überlebenden der im Nationalsozialismus betriebenen Ghettos und Konzentrationslager berichtet wird. Eine Zeitzeugin ist die Niederländerin Rozette Kats, Jahrgang 1942.

Sie war jetzt zu Gast an der Rainald-von-Dassel-Schule und berichtete aus ihrem Leben - und das ist bis heute geprägt durch die fast komplette Auslöschung ihrer Familie durch die Nationalsozialisten. Die Ermordung von sechs Millionen Juden sei »unfassbar«: »So etwas darf nie wieder passieren«, unterstrich sie. So plädierte die 74-Jährige dafür, Menschen immer individuell zu betrachten, niemals »in Gruppen zu denken«.

Geboren wurde Kats im Jahr 1942 in Amsterdam, ihre Eltern waren jüdischen Glaubens, lebten allerdings nicht strenggläubig. Kats erinnerte an die Zeit, als die Nazis das Sagen in den Niederlanden hatten: Sie berichtete von »fürchterlichen Maßnahmen«, die sich die Nationalsozialisten ausdachten, beispielsweise vom Judenstern oder von Einschränkungen beim Einkaufen.

Ihre Eltern tauchten mit ihrem Baby unter, doch nie konnten sie lange an einem Ort sein. Sie entschlossen sich, ihr Kind zu Pflegeeltern zu geben. Kurz darauf wurden sie verraten. Sie wurden samt ihrem neugeborenen Sohn Robert in Auschwitz ermordet. Kats erfuhr am Vorabend ihres sechsten Geburtstages, dass sie das Kind jüdischer Eltern, die die Juden-Vernichtung nicht überlebt haben, ist.

Ihr Onkel, der einzige weitere Überlebende der Familie, vermochte Zeit seines Lebens nicht über die ermordeten Verwandten zu sprechen. »Er war traumatisiert«, litt unter der »tiefen Wunde«, meint Kats rückblickend. Ihren Rettern und Pflegeeltern spielte Rozette das fröhliche Kind vor, doch es plagten sie Ängste.

Sie hatte ihre Sicherheit verloren, war traumatisiert. Erst Mitte der 1980-er Jahre bekam sie von ihrem Onkel, der schwer erkrankt war, das Hochzeitsbild ihrer Eltern. Und sich fasst den Mut, der Geschichte ihrer Eltern und damit auch ihrer eigenen nachzuspüren. In den Erzählungen der 74-Jährigen wird der lange und schmerzliche Prozess deutlich.

Rozette Kats lernte, mit dem Schatten der Vergangenheit zu leben. Angesichts ihres Schicksals appellierte sie an die Schüler, »immer gut nachzudenken, bevor man handelt oder einen Menschen beurteilt«. Am Freitag, 24. März, wird im Alten Rathaus in Einbeck die Ausstellung »Zeitzeugenpatenschaften«, von jungen Leuten in Dessau erarbeitet, eröffnet.

Die Ausstellung vermittelt ein Spektrum von Verfolgungshintergründen - von politischen bis zu rassistischen Motiven - und ganz unterschiedlichen relevanten Themen und Haftstätten. Bis zum 31. März steht die Ausstellung der Öffentlichkeit zur Verfügung.

Wer im Rahmen des Unterrichts diese Ausstellung besuchen oder eine Zeitzeugin für ein Gespräch in den Unterricht einladen will oder auch die Videointerviews zeigen will, kann mit dem »Kultur im Esel«, Jörg Bachmann, Denisstraße 11 in Einbeck, Telefon 05561/82562, www.kultur-im-esel.de, Kontakt aufnehmen. Noch Plätze frei sind bei der Auschwitz-Fahrt vom 2. bis 6. Juni, wer mitfahren will, kann sich ebenfalls an Jörg Bachmann wenden.sts

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