Abrechnungsbetrug mit Corona-Tests
Betreiber von Testzentren sollen fast 900.000 Euro ergaunert haben
Einbeck. Während viele Unternehmen durch die Corona-Pandemie erhebliche wirtschaftliche Einbußen erlitten haben, haben andere die allgemeine gesundheitliche Notlage dazu genutzt, sich auf illegale Weise zu bereichern. Einige dieser mutmaßlichen Profiteure müssen sich demnächst vor der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Göttingen verantworten: Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat mehrere einstige Betreiber von verschiedenen Corona-Testzentren im Landkreis Northeim wegen gewerbsmäßigen Betruges angeklagt.
Sie wirft den insgesamt fünf Beschuldigten vor, gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) falsche Angaben gemacht zu haben. Insgesamt sollen sie unrechtmäßig fast 900.000 Euro kassiert haben. In den fünf Anklagen geht es um Testzentren in Northeim, Einbeck, Bad Gandersheim und Moringen. Die Staatsanwaltschaft wirft den jeweiligen Betreibern vor, in den monatlichen Abrechnungen mehr Coronatests angegeben zu haben, als tatsächlich in den Testzentren vorgenommen wurden.
In einem Fall sollen sogar überhaupt keine Tests stattgefunden haben. Außerdem seien Verwaltungskosten in Rechnung gestellt worden, die gar nicht entstanden seien, sagte der Sprecher der Strafverfolgungsbehörde, Sascha Rüegg. Den umfangreichsten Betrug soll ein 39- jähriger Mann aus Northeim begangen haben, der laut Anklage mehrere Testzentren in Northeim, Bad Gandersheim und Moringen betrieben haben soll. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm insgesamt zwölf Taten vor. Er soll zwischen Dezember 2021 und Mai 2022 in den monatlichen Abrechnungen falsche Angaben gemacht und unrechtmäßig 434.000 Euro in Rechnung gestellt haben.
Ein weiterer Beschuldigter, ein 33-Jähriger aus dem Landkreis Northeim, soll als Betreiber eines Testzentrums in Einbeck zwischen Februar und Juni 2022 unrechtmäßig insgesamt 103.000 Euro abgerechnet haben.
Drei weitere Anklagen richten sich gegen Betreiber verschiedener Testzentren in Northeim. Einer von ihnen, ein 30-jähriger Mann aus Northeim, soll zwischen Januar und Mai 2022 für nicht erbrachte Tests 207.000 Euro kassiert haben. Ein anderer Betreiber, ein 49- Jähriger aus Northeim, soll im gleichen Zeitraum knapp 110.000 Euro für nicht erbrachte Tests abgerechnet haben.
Besonders dreist soll ein 38-Jähriger aus Göttingen vorgegangen sein: Der Beschuldigte soll im Juni 2022 für ein Corona-Testzentrum in Northeim mehr als 30.000 Euro in Rechnung gestellt haben, obwohl es überhaupt keine Tests gegeben habe.
Dass die im Sommer 2020 vom damaligen Gesundheitsminister Jens Spahn, CDU, eingeführten kostenlosen Corona-Schnelltests betrugsanfällig waren, da es keine eingebauten Prüf- und Kontrollmechanismen gab, hatte sich schon sehr frühzeitig gezeigt. Wer eine Testeinrichtung betreiben wollte, musste dafür weder einen echten Ausweis noch ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen, sondern konnte das Testzentrum einfach im Internet registrieren.
Wer ein Testzentrum registriert hatte, musste anschließend jeden Monat der Kassenärztlichen Vereinigung die Zahl der Getesteten und die Ergebnisse übermitteln und bekam dann pro Test eine bestimmte Pauschale. Da man für die Tests kein medizinisches Personal brauchte und es auch sonst keine Mindestanforderungen gab, lockte diese Möglichkeit des Geldverdienens auch Privatleute und Personen aus anderen Branchen an, zum Beispiel Betreiber von Imbissen, Fitnessstudios oder Spielhallen.
Die Polizei Northeim hatte damals zur Aufklärung der hiesigen mutmaßlichen Betrugsfälle eine eigene Ermittlergruppe eingerichtet. Im Zuge der Ermittlungen hatten die Fahnder vor einem Jahr auch ein Corona- Testzentrum und vier Wohnungen in Northeim sowie eine Wohnung in Göttingen durchsucht und dabei diverse elektronische Datenträger sichergestellt. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Braunschweig erließ das dortige Amtsgericht gegen fünf Beschuldigte so genannte Vermögensarrestbeschlüsse über insgesamt 896.000 Euro. Dies entspricht genau der Schadenssumme, die auch in den jetzt erhobenen Anklagen aufgeführt ist. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hatte die Ermittlungen geführt, weil dort die Zentralstelle zur Bekämpfung krimineller Clanstrukturen angesiedelt ist.pid