Alles beginnt mit einer großen Liebe

»Vetter Horst«: Einbecker Autor Horst Cammann veröffentlicht seinen ersten Roman

Teil einer verlorenen Generation, hineingeboren in die falsche Zeit – dieses Leben führt Horst Maurer, Jahrgang 1922. Er ist der Titelheld des Romans »Vetter Horst«, den der Einbecker Autor Claus Cammann jetzt veröffentlicht hat. Darin schreibt er aus der Sicht des Ich-Erzählers in der Rückschau die Lebensgeschichte seines entfernten Verwandten, ein spannender und zugleich tragischer Lebensweg, der im besetzten Norwegen mit einer großen Liebe beginnt.

Einbeck. Als junger deutscher Soldat kommt Horst Maurer 1941 ins besetzte Norwegen. Hier hat er nicht nur einen verständnisvollen Vorgesetzten, der die drohenden Schrecken des Krieges schon konkret benennen kann, sondern er lernt im hohen kargen Norden auch Ragnhild kennen, eine junge Norwegerin. Die blonde Bauerntochter, frisch und natürlich, wird die Liebe seines Lebens. Sie genießen, auch gegen Ragnhilds Familie, die gemeinsame Zeit, die ihnen bleibt, bis Hans bei Kriegsende plötzlich und auf verschlungenen Wegen des Land verlassen muss. Zeit zum Abschied oder dafür, ein Wiedersehen zu vereinbaren, bleibt nicht.

In seiner zerbombten Heimatstadt Hamburg findet er sich zunächst schwer zurecht. Mit Mühe bekommt er Arbeit – immerhin ist er schon Mitte 20, und eine Ausbildung hat er nicht. Aber er weiß seinen Charme einzusetzen, und er macht schließlich rasch eine beeindruckende berufliche Karriere, denn er ist fleißig und talentiert, und nicht zuletzt sein Erzähltalent nutzt ihm im Außendienst. Regelmäßig, wenn auch in großen Abständen, besucht er seinen Vetter Hans Wohlert, den Ich-Erzähler des Romans, und dessen Frau Erika, und beide nehmen regen Anteil an Horsts Leben. Sie sehen ihn als unsteten, aber liebenswerten Geist und freuen sich stets, wenn er, meist unvermutet, bei ihnen auftaucht.

So erfährt der Leser aus ihrem Blickwinkel früh von Horsts gewaltsamen Tod im Jahr 1975: Sowohl er als auch seine Lebensgefährtin Martha Schnieder werden erschossen in ihrem Tierasyl aufgefunden. Wie konnte es dazu kommen, welche Wege hat Horst genommen – das beschreibt Hans Wohlert anhand der persönlichen Gespräche und Telefonate, die er immer wieder mit Horst geführt hat, aber auch auf der Basis eines Notizbuches, das er nach dem Tod seines Vetters erhält und das ihm tiefe Einblicke in sein Leben gibt. So entfaltet sich ein Lebenslauf, der nicht gerade und vorgezeichnet ist. Glück und Zufriedenheit wechseln sich ab mit Not, Gefahr und Verzweiflung, und in entscheidenden Momenten scheint es, als seien die Zeit in Norwegen und die unbeschwerte und tiefe Liebe zu Ragnhild ein Schlüssel für das weitere Geschehen – mehr sei hier nicht verraten, denn der Roman bietet viel Spannung, und ein ums andere Mal nimmt die Handlung einen unvermuteten Verlauf.

Autor Claus Cammann wurde 1932 in Schwerin geboren. Später zog die Familie nach Hamburg um, wo er seine Jugendjahre verbrachte. Nach einer Banklehre und einem Betriebswirtschaftsstudium war er als Prokurist und Verwaltungsleiter in einem Einbecker Industriebetrieb beschäftigt. Neben sportlichen Aktivitäten wie Tennis, Rad- und Bergwandern beziehungsweise Rennrudern, Feldhandball und Tischtennis in jüngeren Jahren gehören vor allem das Lesen, Schreiben und Spielen zu Hause zu seinen Liebhabereien. Mit »Erdachtes. Gehörtes. Erlebtes« hat Claus Cammann 2007 sein erstes Buch vorgelegt. Zuvor hatte der Einbecker schon einige Geschichten in der »Zeitgut«-Reihe veröffentlicht.

Mit dem Kurzgeschichten-Band hatte er sich auch einen Wunsch zum 75. Geburtstag erfüllt. Mit »Vetter Horst« hat er nun, genau fünf Jahre später, einen umfangreich recherchierten, rund 600 Seiten starken Roman veröffentlicht. Den jungen Soldaten Horst gab es in Norwegen tatsächlich, sein Leben danach und sämtliche dargestellten Personen seien, schreibt Claus Cammann im Vorwort, »Produkte meiner Phantasie«. Leider keine Erfindung seien dagegen die schrecklichen Erlebnisse der fiktiven Martha Schneider im ehemaligen Jugoslawien. Dort wurden von 1944 bis 1948 grausame Verbrechen an der deutschen Bevölkerung verübt. So vermittelt der Roman wenig bekannte, tragische Kriegseindrücke.

»Vetter Horst«, 612 Seiten, mit Hardcover-Einband und Lesebändchen, ist in der Geschäftsstelle der Einbecker Morgenpost und im »Haus der Bücher« erhältlich.ek